Intellektuelle im Kampf gegen die Moderne

25.01.2010
Das Verlegerehepaar Elsa und Hugo Bruckmann führte von 1898 bis 1945 einen Salon in München, in dem sich die kulturellen Eliten Deutschlands und Österreichs ein Stelldichein gaben. Die Dichter Hofmannsthal, Rilke und Rudolf Alexander Schröder, zuzeiten auch Stefan George, Thomas Mann und Jakob Wassermann zählten zu den Habitués.
Desgleichen die selbsternannten Weisheitslehrer Ludwig Klages, Rudolf Kassner, Hermann Graf Keyserling. Aber auch umtriebige, dem Neuen aufgeschlossene Publizisten wie Maximilian Harden und Julius Meyer-Grefe kamen. Harry Graf Kessler, der große Kunstmäzen und Kunstreformator nicht zu vergessen, und sein politischer Freund Walter Rathenau. Der Kunsthistoriker Heinrich Wölfflin gehörte dazu und die Architekten Riemerschmid und Troost. Aus dem George-Kreis stießen Alfred Schuler, Karl Wolfskehl, Friedrich Gundolf dazu sowie, im Ersten Weltkrieg als neue Lichtgestalt, der Hölderlin-Forscher Norbert von Hellingrath.

Doch ab Mitte der 20er-Jahre änderten sich Klima und soziale Zusammensetzung des Kreises. Nun wurde der frisch aus seiner Haft in Landsberg am Lech entlassene Adolf Hitler der Star, und der zog Trabanten nach sich wie Alfred Rosenberg und Rudolf Heß. Wie kam es zu diesen Verschiebungen? Oder waren es am Ende gar keine? Wollten alle diese Menschen am Ende vielleicht dasselbe? Nämlich gegen bestimmte Erscheinungen der Moderne kämpfen, einen neuen Menschen schaffen, "die deutsche Seele" wiedergebären und im Gefolge Nietzsches das Gesunde, Starke, Ursprüngliche und Vitale feiern?

Der Germanist Wolfgang Martynkewicz meint, ja, so war es. Zu den provozierenden, aber durchaus überzeugenden Gedanken seiner umfangreichen Studie gehört die These:

"Das gebildete Bürgertum, das um 1900 den ästhetischen Aufbruch maßgeblich geprägt und getragen hatte, konnte sich in Hitlers Kunstverständnis wiedererkennen. Es konnte sich auch wiedererkennen in dem, was er vernichten und abschaffen wollte, das Form- und Ortlose, das Fremde und Wurzellose."

Am Beispiel eines mehr oder minder festumrissenen Biotops zeigt Martynkewicz, der viele noch unpublizierte Nachlässe gesichtet hat, wie die Verwerfungen des 20. Jahrhunderts in Gang kamen. Das ist spannend geschrieben, lehrreich zu lesen und denkwürdig in seiner unausgesprochenen Schlussfolgerung, dass Kultur und Barbarei keine Antithesen sein müssen

Besprochen von Tilman Krause

Wolfgang Martynkewicz: Salon Deutschland. Geist und Macht 1900 – 1945
Aufbau Verlag, Berlin 2009
617 Seiten, 26,95 Euro