Integratives Theater
Geistig behinderte Schauspieler sind fester Bestandteil einiger Theatergruppen in Deutschland und Europa. Entweder sind sie "integrativ" dabei, also mit nichtbehinderten Kollegen, oder sie spielen als komplettes Ensemble zusammen. Ihre Arbeit soll und kann künstlerischem Anspruch gerecht werden - das ist die Botschaft der Veranstalter des Festivals "No Limits", das zurzeit in Berlin stattfindet.
Probe des Stücks "Alice in den Fluchten"
Probe des Stücks "Alice in den Fluchten" im Berliner Theater Ramba Zamba: Ein Werk frei nach Lewis Carrolls "Alice im Spiegelland". Alice und ihre Freundin Mieze werden aus ihrer vertrauten Welt vertrieben und treffen sich auf der Flucht.
Szene/Dialog/Musik
Eine Szene mit viel Text. Für die beiden Darstellerinnen Juliana Götze und Nele Winkler ein hartes Stück Arbeit: Beide leiden am Downsyndrom - wie die meisten Schauspieler der Gruppe Ramba Zamba. Regisseurin Gisela Höhne und ihre Assistentin greifen immer wieder ein:
Szene, Regieanweisungen, etc.
"Alice in den Fluchten" handelt von der Entfremdung in einer beschleunigten Zeit: Alice erfährt den Hass und die Ablehnung einer schwer durchschaubaren Welt - und sucht einen Weg zu sich selbst; eine gerade für Behinderte elementare Erfahrung, sagt Regisseurin Gisela Höhne:
Höhne: ""Dieses Stück zeigt uns eigentlich sehr nackt. Wir beantworten wenig. Wir zeigen die Dinge. Wir zeigen unsere Empfindsamkeit, ich weiß auch nicht mehr, als in dem Stück stattfindet. Und Juliana Götze, die die Alice spielt, zeigt ihre Haut so rein, das ist wirklich ein Ereignis, von dem man sehr angerührt wird. Und darüber stellt sich, ohne dass man es formulieren muss, die Frage: Was wollen wir in dieser Welt?"
Es ist diese Stärke der emotionalen Darstellung, die auch der Regisseur Sidi Larbi Cherkaoui an der Arbeit mit Behinderten schätzt. Cherkaoui ist Belgier mit marokkanischen Wurzeln. Sein Stück "Myth" - Mythos - vereint Spiel, Musik und Tanz zu einer wild gemischten Performance:
Musik aus "Myth"
Ein Handlung im herkömmlichen Sinn ist in "Myth" nicht erkennbar: Die Darsteller liegen, stehen oder sitzen, sie robben auf dem Boden und beleidigen sich stumpfsinnig. Doch es geht nicht um bloße Effekte, sondern um die Verbindung des Ganzen durch die Musik. Ein Brückenschlag zwischen Orient und Okzident ebenso wie zwischen alter und neuer Zeit oder auch zwischen Normalität und Wahnsinn. Mit dabei: Zwei behinderte Schauspieler des belgischen Integrativ-Theaters "Stap".
"Wir alle versuchen, eine Einheit darzustellen. Dabei besteht jeder von uns aus zwei Teilen. Und es ist nicht so, dass einer das Gute wäre und der andere das Schlechte. So ist es auch bei Behinderten. Sie haben einfach zwei Seiten", sagt Sidi Larbi Cherkaoui.
Und weiter: "Ich habe in meiner Familie keinen, der behindert ist, aber als ich begonnen habe, mit behinderten Schauspielern zu arbeiten, habe ich gemerkt, wie viel ich von ihnen lernen kann. Es gibt eine Tiefe und eine Wahrheit in ihrem Spiel, die absolut echt ist und von innen kommt. Sie wissen einfach, was sie fühlen. Das hat mich manchmal neidisch gemacht. Manchmal wollte ich sogar sein wie sie."
Cherkaoui wird sein Stück im Berliner Theater Hebbel am Ufer aufführen.
Erstmals stellt das renommierte Haus seine Bühnen für "No Limits" zu Verfügung und zollt dem Festival damit Anerkennung. Mehr als 200 Künstler sind diesmal dabei und gewährleisten auch bei der dritten Auflage ein hohes Niveau. Dennoch sieht "No Limits"-Kurator Andreas Meder das integrative Theater noch nicht da, wo es sein könnte:
"Es gibt zwar einerseits immer mehr Interesse in der Kulturszene für Arbeit mit Laien, aber Gruppen mit behinderten Künstlern, die sich institutionalisiert haben, haben immer noch den Touch des Sozialen und werden von daher nicht selbstverständlich auf Festivals eingeladen. Deshalb machen Veranstaltungen, die ja einerseits hochkarätig und interessant sein wollen, andererseits aber auch behinderte Künstler präsentieren, nach wie vor Sinn."
Insofern, ergänzt Meder, läge es auch im Sinn von "No Limits", sich irgendwann selbst abzuschaffen - dann nämlich, wenn die Qualität der Produktionen auch von Staatstheater und Publikum voll anerkannt wird.
Probe des Stücks "Alice in den Fluchten" im Berliner Theater Ramba Zamba: Ein Werk frei nach Lewis Carrolls "Alice im Spiegelland". Alice und ihre Freundin Mieze werden aus ihrer vertrauten Welt vertrieben und treffen sich auf der Flucht.
Szene/Dialog/Musik
Eine Szene mit viel Text. Für die beiden Darstellerinnen Juliana Götze und Nele Winkler ein hartes Stück Arbeit: Beide leiden am Downsyndrom - wie die meisten Schauspieler der Gruppe Ramba Zamba. Regisseurin Gisela Höhne und ihre Assistentin greifen immer wieder ein:
Szene, Regieanweisungen, etc.
"Alice in den Fluchten" handelt von der Entfremdung in einer beschleunigten Zeit: Alice erfährt den Hass und die Ablehnung einer schwer durchschaubaren Welt - und sucht einen Weg zu sich selbst; eine gerade für Behinderte elementare Erfahrung, sagt Regisseurin Gisela Höhne:
Höhne: ""Dieses Stück zeigt uns eigentlich sehr nackt. Wir beantworten wenig. Wir zeigen die Dinge. Wir zeigen unsere Empfindsamkeit, ich weiß auch nicht mehr, als in dem Stück stattfindet. Und Juliana Götze, die die Alice spielt, zeigt ihre Haut so rein, das ist wirklich ein Ereignis, von dem man sehr angerührt wird. Und darüber stellt sich, ohne dass man es formulieren muss, die Frage: Was wollen wir in dieser Welt?"
Es ist diese Stärke der emotionalen Darstellung, die auch der Regisseur Sidi Larbi Cherkaoui an der Arbeit mit Behinderten schätzt. Cherkaoui ist Belgier mit marokkanischen Wurzeln. Sein Stück "Myth" - Mythos - vereint Spiel, Musik und Tanz zu einer wild gemischten Performance:
Musik aus "Myth"
Ein Handlung im herkömmlichen Sinn ist in "Myth" nicht erkennbar: Die Darsteller liegen, stehen oder sitzen, sie robben auf dem Boden und beleidigen sich stumpfsinnig. Doch es geht nicht um bloße Effekte, sondern um die Verbindung des Ganzen durch die Musik. Ein Brückenschlag zwischen Orient und Okzident ebenso wie zwischen alter und neuer Zeit oder auch zwischen Normalität und Wahnsinn. Mit dabei: Zwei behinderte Schauspieler des belgischen Integrativ-Theaters "Stap".
"Wir alle versuchen, eine Einheit darzustellen. Dabei besteht jeder von uns aus zwei Teilen. Und es ist nicht so, dass einer das Gute wäre und der andere das Schlechte. So ist es auch bei Behinderten. Sie haben einfach zwei Seiten", sagt Sidi Larbi Cherkaoui.
Und weiter: "Ich habe in meiner Familie keinen, der behindert ist, aber als ich begonnen habe, mit behinderten Schauspielern zu arbeiten, habe ich gemerkt, wie viel ich von ihnen lernen kann. Es gibt eine Tiefe und eine Wahrheit in ihrem Spiel, die absolut echt ist und von innen kommt. Sie wissen einfach, was sie fühlen. Das hat mich manchmal neidisch gemacht. Manchmal wollte ich sogar sein wie sie."
Cherkaoui wird sein Stück im Berliner Theater Hebbel am Ufer aufführen.
Erstmals stellt das renommierte Haus seine Bühnen für "No Limits" zu Verfügung und zollt dem Festival damit Anerkennung. Mehr als 200 Künstler sind diesmal dabei und gewährleisten auch bei der dritten Auflage ein hohes Niveau. Dennoch sieht "No Limits"-Kurator Andreas Meder das integrative Theater noch nicht da, wo es sein könnte:
"Es gibt zwar einerseits immer mehr Interesse in der Kulturszene für Arbeit mit Laien, aber Gruppen mit behinderten Künstlern, die sich institutionalisiert haben, haben immer noch den Touch des Sozialen und werden von daher nicht selbstverständlich auf Festivals eingeladen. Deshalb machen Veranstaltungen, die ja einerseits hochkarätig und interessant sein wollen, andererseits aber auch behinderte Künstler präsentieren, nach wie vor Sinn."
Insofern, ergänzt Meder, läge es auch im Sinn von "No Limits", sich irgendwann selbst abzuschaffen - dann nämlich, wenn die Qualität der Produktionen auch von Staatstheater und Publikum voll anerkannt wird.