Integration durch Sport

Neue Heimat auf dem Fußballplatz

05:04 Minuten
Die Spieler des "FC International" spielen in einer Turnhalle Fußball.
Auch auf dem Parkett ballsicher: Die Spieler des "FC International" spielen in einer Turnhalle Fußball. © Deutschlandradio / Gesine Dornblüth
Von Gesine Dornblüth · 12.05.2019
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Er war Profifußballer, dann musste er fliehen. Riswan Chadschijew gründete 2004 mit einem Psychologen in Klagenfurt den "FC Tschetschenien", um Flüchtlingen zu helfen. Inzwischen kamen Menschen aus anderen Ländern hinzu - nun heißt der Club "FC International".
"2:0, oder?" fragt Riswan Chadschijew. Er steht mit einem Zettel in der Hand in der Universitätsturnhalle in Klagenfurt und notiert Ergebnisse. Es ist Sonntagnachmittag, Training beim "FC International". Acht verschwitzte Männer kämpfen um den Ball. Weitere zwölf warten am Rand. Sie spielen ein internes Turnier. Alle sechs Minuten wechseln die Mannschaften.
"Hier sind Afghanen, Tadschiken, Georgier, Armenier. Wir spielen zusammen und verstehen uns. Für Tschetschenen mit ihrem heißen Blut ist es sehr wichtig, möglichst viel mit Menschen anderer Nationalitäten zusammen zu sein."
Spieler des "FC International" sitzen in der Turnhalle auf dem Boden.
Ein Club, der seinen Namen gerecht wird: Nicht nur Tschetschenen auch Afghanen, Syrer und andere Geflüchtete spielen beim "FC International".© Deutschlandradio / Gesine Dornblüth
Chadschijew ist selbst Tschetschene, 46 Jahre alt. Er hat den Fußballclub mitgegründet. In Tschetschenien im Kaukasus war er Profifußballer, hat unter anderem bei Terek Grosny gespielt. Vor knapp 15 Jahren floh er vor Krieg und Verfolgung nach Österreich.

Die Geflüchteten wurden angefeindet

Tschetschenen stellten zu der Zeit die größte Gruppe von Geflüchteten in Kärnten. Sie wurden stark angefeindet. In Kärnten regierte damals Jörg Haider von der FPÖ, er stellte die Tschetschenen pauschal als Kriminelle dar. Die tschetschenische Gesellschaft lebt extrem traditionell, es zählen das Wort der Älteren, der eigene Clan und der Islam. Viele Tschetschenen blieben deshalb auch in der Fremde unter sich, erzählt Chadschijew.
"Tschetschenische Jugendliche kennen überhaupt keine anderen Kulturen. Ich finde aber, man muss fremde Kulturen respektieren, ob du Christ bist, Moslem, wer auch immer."
Und beim Fußball gehe das besonders gut, erzählt Arbi Baidarow. Auch er kommt aus Tschetschenien, hat viele Jahre jeden Sonntag mitgespielt und dabei die Welt kennengelernt, wie er sagt. Heute schaut er zu:
"Die Tschetschenen mögen Kampfsport, ja? Aber Kampfsport ist sehr individuell. Du kannst einer gegen einen antreten. In der Fußballmannschaft kannst du sportlich ausrasten und du kommst in Kontakt."

Die Mannschaftsmitglieder helfen sich gegenseitig

Die Idee, den Fußballclub zu gründen, hatte Siegfried Stupnig vom psychosozialen Zentrum APSIS in Klagenfurt. Der Österreicher kümmert sich seit vielen Jahren um tschetschenische Flüchtlinge und um Opfer von Gewalt und spielt selbst leidenschaftlich gern Fußball. Der drahtige, schlanke Mann sitzt verschwitzt auf einer Bank.
"Die Mannschaft ist sehr unhomogen. Viele, die sehr lange in Österreich leben, haben längst am Arbeitsmarkt Fuß gefasst: Junge Leute, die bei uns in Österreich aufgewachsen sind, aber eben natürlich auch Leute, Asylbewerber, die noch in sehr unsicheren Verhältnissen leben. Aber ich glaub, gerade das zeichnet die Mannschaft aus, weil man sich so gegenseitig unterstützen kann. Leute, die in einer größeren Firma arbeiten, haben dann anderen gesagt: Okay, du könntest es bei uns auch versuchen. Und so sind schon Leute im Job untergekommen."
Stupnig wendet sich ein paar jungen Spielern zu, fragt, ob sie am nächsten Wochenende bei einem Turnier dabei sind.
"Tatsächlich für einen Turniersieg ist es sich schon relativ lange nicht mehr ausgegangen. Aber am Samstag ist die nächste Chance."

Fairplay steht an erster Stelle

Dafür, so Stupnig, liege der "FC International" beim Fairplay weit vorn.
"Wir sind bei jedem Turnier relativ knapp dran, den goldenen Schuh für faires Spielen zu kriegen. Insbesondere mit Riswan sind wir wirklich einer Meinung, dass faires Spiel an erster Stelle stehen soll."
Riswan Chadschijew, der Trainer, nickt und sagt: "Unsere Mannschaft ist zwar nicht so stark, aber für uns ist die Teilnahme wichtig, nicht die Preise. Wir leben dafür. Wenn ich nach dem Spiel nach Hause komme, fragt mich meine Frau jedes Mal: Na, wo hast du dir diesmal wehgetan? Wir danken dem Allmächtigen, dass wir diese Chance hier haben."
(leicht geänderte Online-Fassung/mwl)
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