Inszenierung der leisen Charakterisierung
Leoš Janáceks Oper über Intrigantentum, Gewinnmaximierung und unbedingten Gehorsam feierte kürzlich in Stuttgart Premiere. Regie führten Jossi Wieler und Sergio Morábito – das Duo, das 2011die Intendanz der Staatsoper beziehungsweise die Chefdramaturgie übernehmen wird.
Soeben haben sich die junge Katja und Boris zu einem Stelldichein getroffen und als Liebende erkannt – da verlassen sie in der Stuttgarter Inszenierung den Theaterraum, gehen hinaus ins Foyer, und ihr Liebesgesang ertönt aus der Ferne, nur die Nebenfiguren sind präsent auf der Bühne.
Es ist ein grandioser Einfall, denn er macht plastisch deutlich, dass die beiden jungen Liebenden in dieser Welt keine Chance haben: Katja ist mit dem erheblich älteren Tichon verheiratet, und das heißt, sie lebt in einem Haushalt, der ganz unter dem Regiment von Tichons Mutter steht, der herrischen, und auf ihre Schwiegertochter eifersüchtigen Witwe und immer noch Herrin im Haus. Es ist eine Inszenierung der leisen Charakterisierung. Da hat Katja beispielsweise einen Schlüssel zugespielt bekommen, mit dem sie nachts den Garten ihres Hauses verlassen und an den Fluss gehen kann zu besagtem Boris. Aber sie legt den Schlüssel auf ein Kissen neben sich auf die Bank und rückt vor ihm zurück, als sei er der Stan persönlich. Dabei scheint die Welt dieser Oper ganz in Ordnung. Das Bühnenbild ist eine stilisierte gute Stube, wie man sie vielleicht in reichen tschechischen Haushalten antreffen konnte, überhaupt ist alles stark folkloristisch: die Figuren stecken in böhmischen Bilderbuchtrachten, aber im Garten steht ein großes modernes Plakat, es zeigt auf einem Foto zwei Menschen knietief in einem See stehen, darauf auf russisch der Satz: Die Heimat ist da, wo das Herz ist.
Wenn man diesen Spruch ernst nimmt und auf Katja Kabanova anwendet, dann hat sie keine Heimat, denn ihr Herz gehört nicht ihrem Ehemann, ihr Herz gehört dem jungen Boris, und der steht unter der Fuchtel seines Onkels.
Janáceks Oper handelt von einer Welt, in der die Alten der Vergangenheit angehören und doch die Gegenwart noch beherrschen, und die Jungen keine Zukunft haben, ja nicht einmal einen legitimen Platz in dieser Gegenwart. Das machen die beiden Regisseure durch den Zeitenbruch deutlich – hier Bauerntracht, da modernes Tourismusplakat. Aus dieser scheinbar schönen heilen Welt gibt es kein Entrinnen, es sei denn in den Untergang, am Ende begeht Katja Selbstmord.
Die Inszenierung lässt die drei Akte ohne Pause spielen, so entwickelt sich ein Sog, der ein Entrinnen nicht zulässt – ganz Janáceks Musik entsprechend, die von Dirigent Michael Schönwandt in ihrer Klangvielfalt großartig ausgelotet wird.
Gesanglich brillieren vor allem Leandra Overmann, die die herrische Alte in einer Mischung aus dramatischem Gesang und herrischem Parlando gestaltet, der Boris des jungen Tenors Pavel Cernoch, vor allem aber Mary Mills in der Titelrolle. Am Ende schwillt die Musik gewaltig an, wird fast dröhnend – und das Bühnenbild rückt immer näher nach vorn, auf das Publikum zu, mit dem Plakat und seiner so schönen Aufschrift: Die Heimat ist da, wo das Herz ist.
Es ist ein grandioser Einfall, denn er macht plastisch deutlich, dass die beiden jungen Liebenden in dieser Welt keine Chance haben: Katja ist mit dem erheblich älteren Tichon verheiratet, und das heißt, sie lebt in einem Haushalt, der ganz unter dem Regiment von Tichons Mutter steht, der herrischen, und auf ihre Schwiegertochter eifersüchtigen Witwe und immer noch Herrin im Haus. Es ist eine Inszenierung der leisen Charakterisierung. Da hat Katja beispielsweise einen Schlüssel zugespielt bekommen, mit dem sie nachts den Garten ihres Hauses verlassen und an den Fluss gehen kann zu besagtem Boris. Aber sie legt den Schlüssel auf ein Kissen neben sich auf die Bank und rückt vor ihm zurück, als sei er der Stan persönlich. Dabei scheint die Welt dieser Oper ganz in Ordnung. Das Bühnenbild ist eine stilisierte gute Stube, wie man sie vielleicht in reichen tschechischen Haushalten antreffen konnte, überhaupt ist alles stark folkloristisch: die Figuren stecken in böhmischen Bilderbuchtrachten, aber im Garten steht ein großes modernes Plakat, es zeigt auf einem Foto zwei Menschen knietief in einem See stehen, darauf auf russisch der Satz: Die Heimat ist da, wo das Herz ist.
Wenn man diesen Spruch ernst nimmt und auf Katja Kabanova anwendet, dann hat sie keine Heimat, denn ihr Herz gehört nicht ihrem Ehemann, ihr Herz gehört dem jungen Boris, und der steht unter der Fuchtel seines Onkels.
Janáceks Oper handelt von einer Welt, in der die Alten der Vergangenheit angehören und doch die Gegenwart noch beherrschen, und die Jungen keine Zukunft haben, ja nicht einmal einen legitimen Platz in dieser Gegenwart. Das machen die beiden Regisseure durch den Zeitenbruch deutlich – hier Bauerntracht, da modernes Tourismusplakat. Aus dieser scheinbar schönen heilen Welt gibt es kein Entrinnen, es sei denn in den Untergang, am Ende begeht Katja Selbstmord.
Die Inszenierung lässt die drei Akte ohne Pause spielen, so entwickelt sich ein Sog, der ein Entrinnen nicht zulässt – ganz Janáceks Musik entsprechend, die von Dirigent Michael Schönwandt in ihrer Klangvielfalt großartig ausgelotet wird.
Gesanglich brillieren vor allem Leandra Overmann, die die herrische Alte in einer Mischung aus dramatischem Gesang und herrischem Parlando gestaltet, der Boris des jungen Tenors Pavel Cernoch, vor allem aber Mary Mills in der Titelrolle. Am Ende schwillt die Musik gewaltig an, wird fast dröhnend – und das Bühnenbild rückt immer näher nach vorn, auf das Publikum zu, mit dem Plakat und seiner so schönen Aufschrift: Die Heimat ist da, wo das Herz ist.