Installationskunst

Unsichtbare Energien sind am Werke

Kunstmuseum in Bonn
Kunstmuseum in Bonn © picture alliance / dpa / Wolfgang Moucha
Von Michael Köhler · 29.01.2014
Die italienische Künstlerin Tatiana Trouvé setzt Materialien des Alltags wie Metallstücke, Steine, Erde und Wasser ein und gelangt zu überraschenden Konstruktionen. Erstmals sind ihre minimalistischen Installationen in Deutschland zu sehen.
Tatjana Trouvé: "Kategorien interessieren mich eigentlich nicht so sehr, ob ich nun mehr eine Malerin bin, die ich eigentlich überhaupt nicht bin, denn ich zeichne und bin jemand, der Installationen oder Skulpturen macht. Was mich am meisten interessiert, ist es Dimensionen zu schaffen, Welten und Situationen, in denen der Zuschauer mit anderen Dimensionen konfrontiert werden kann, das interessiert mich am meisten. Ob ich dazu dann die Installation, die Skulptur oder ein anderes Mittel einsetzte, ist dabei eigentlich unwichtig."
Die in Frankreich lebende, italienische Installationskünstlerin Tatjana Trouvé hat im Bonner Kunstmuseum acht Räume gestaltet und ihnen damit zugesetzt. Sie hat gefräst, geschnitten, Keile in Wände getrieben, lässt Wasser, tropfen, fließen, ins Nichts verrinnen. Manchmal geht das so weit, dass das Gebäudemanagement des Museums sie bremsen muss, weil sie sonst Leitungen bloß legt. Ihre Kunst ist eine Zumutung. Zur Eröffnung erwarten einen "350 Points towards Infinity", 350 Punkte bis zur Unendlichkeit. Kurator Stefan Gronert
"Das ist ja ein sehr poetischer Titel, das ist eine sehr leichte Arbeit. Man sieht 350 dünne Kabel, die von der Decke runter hängen, aber nicht dem Gesetz der Schwerkraft folgend, (alle lotgerecht ) runter, und die Bleilote, die unten dran hängen, die schweben auch so leicht über dem Fußboden, auch ganz merkwürdig."
Tatjana Trouvé sagt, es gibt verschiedene Lesarten für dieses Werk. Schließlich sei sie Künstlerin und keine Vermessungsingenieurin oder Wissenschaftlerin.
Tatjana Trouvé: "Es geht um mögliche Erfahrungen von Dichte, Raum und Zeit. 350 mögliche Orientierungen im Raum, damit ist das auch ein Fragment der Unendlichkeit. Das ist eine Lesart. Eine andere lautet: sie können in unserer Welt heute in jede Richtung gehen."
Keine Esoterik
Ein Ordnungssystem ist darin nicht unmittelbar zu erkennen, aber unsichtbare Energien sind am Werke. Das hat nichts mit Esoterik zu tun, aber mit Poesie und Schönheit, mit Anziehungskräften, mit Magneten, im buchstäblichen und übertragenen Sinne. Handelsübliches Senkblei hängt an Schnüren, aber eben nicht senkrecht von der Decke, sondern leicht abgewinkelt. Die 350 Fäden rhythmisieren den Raum grafisch. Die vielen Senkblei-Kegel wirken wie wertvolle Fundstücke einer Suche. Sie schweben zauberisch nur einige Zentimeter wie von Geisterhand gehalten über dem Boden. Die Dinge organisieren sich zufällig und unkontrolliert in Tatjana Trouvés Arbeiten.
Die 45 jährige italienische Künstlerin, Tochter eines Architekturprofessors, die ihre Jugend im Senegal verbrachte, arbeitet mit vielen Materialien, mit Stein und Wasser, Erde und Bronze, Beton und Glas, Kupfer und Blei.
Tatjana Trouvé stellt keine imponierenden Skulpturen in Räume, sie schafft stille Rätsel. Sie überführt Geistiges in Konkretes, lässt Erinnerungen und Fantasien freien Lauf. Da stehen unbedeutende Verpackungspappen zu Bündeln geschnürt, die sich bei näherem Betrachten als Beton zu erkennen geben. Andere Kartonagen sind geknickt und stellen sich als Aluminiumgüsse heraus.
Im nächsten Raum hängen zwei Wassersäcke an der Decke, aus denen Wasser unterschiedlich schnell rinnt und in einer Art Zisterne verschwindet. Wo kommt es her, wo fließt es hin? Wer braucht es, wer verbraucht es? Es geht nicht um Pumpen, sondern zeitlich versetzte Kreisläufe, doppelte Zeit, "tempi doppi". Das sind ausdrucksstarke, emotionsgeladene Kunstwerke.
Arbeitet mit Materialien der Energie
Direktor Stephan Berg stimmt zu, dass es Verweise auf Joseph Beuys und andere gibt. Tatjana Trouvé arbeitet mit Materialien der Energie, der Speicherung.
"Meine Behauptung wäre, dass wir jetzt in einer Zeit sind, in der diese ganzen Setzungen, die auf Autonomie und Autokratie des Kunstwerks setzen, heute eben mit einem anderen Vokabular beantwortet werden, dass sehr viel stärker persönlich geprägt ist, aus eigenen Erinnerungen, Träumen, Phantasien, Vorstellungen. Diese Art der Individualisierung, die aber parallel läuft mit einer präzisen formalen Setzung, ist wahrscheinlich das, was notwendigerweise aus so´nem rigiden historischen Erbe erwächst."
Eine neue, kraftvolle künstlerische Position ohne Muskelspiele ist da in Bonn zu entdecken. Keine politischen Parolen, keine Inschriften, keine Klänge dominieren die Räume, sondern die Materialkombinationen und Rauminstallationen ermutigen den Besucher zu bereichernden Assoziationen. Tatjana Trouvé verzichtet auf Botschaften, löst Gefühle und Erinnerungen der Besucher aus. Gleichwohl zielt sie nicht auf ein diffuses Bauchgefühl. Sie plant alles im Atelier, probiert ihre Ideen am Modell aus.
"Es ist keine große Macho - Kunst. Wie befriedigend, wie schön!"

Weitere Informationen zu der Ausstellung finden Sie auf der Homepage des Kunstmuseums Bonn.