Insignien der DDR-Kunst

Von Anette Schneider |
In der Schau sind Werke von Künstlern zu sehen, die vor dem Mauerfall als Insignien der DDR-Kunst galten. Vieles davon ist erstmals zu sehen.
Kurz vor dem Eingang trifft man auf eine große Skulptur: "Der Aufsteigende" von Fritz Cremer entstand 1969, und zeigt einen unsicher auf unebenem Boden stehenden Mann, der mit einem Arm gen Himmel greift, den anderen noch am Körper hält, und man weiß nicht, wird er gleich aufrecht stehen - oder stürzen.

Dieses Sinnbild des sich selbst befreienden Menschen ist eine der wichtigsten Bildhauerarbeiten der DDR. Der Erstguss des "Auftsteigenden” steht seit 1972 vor dem Gebäude der UNO in New York.

Heike Heilmann, Kuratorin der Ausstellung: "Wir hatten den Erstguss. Wir haben aber dann den Zweitguss bekommen. Also das sind doch abenteuerliche Geschichten, die Herr Dr. Zimmermann, der hat vieles möglich gemacht."

Durch Kontakte nach Dresden, durch Kontakte nach Berlin wurde vieles möglich. Viele Ankäufe: Die ganzen Leipziger hätten wir so nie gekriegt, da standen die großen DDR-Museen Schlange - und wir haben es geschafft.

1969 wurde die Kunsthalle Rostock eröffnet. Der sachlich-schlichte, einstöckige Bau beherbergt eine umfangreiche Sammlung von DDR-Kunst, sowie Arbeiten skandinavischer Künstler, die der erste Leiter anlässlich der Ostsee-Biennalen ankaufte. Vieles ist nun erstmals zu sehen, da es bis jetzt, so Mitkurator Detlef Waitz, vor allem thematische Ausstellungen gegeben hätte.

"Also eben alle Mecklenburger, nur Landschaftssujets, oder bestimmte Künstlerfamilien. Und wir mischen ja jetzt hier ganz radikal. Also wir stellen eigentlich lauter Dinge zusammen, die man nicht zusammen ausstellen kann, weil sie plötzlich Gespräche miteinander anfangen, und genau mit denen wollen wir die Besucher erreichen."

So sieht man beispielsweise an einer Wand Arbeiten von Willi Sitte, Werner Tübcke, Volker Stelzmann und dem Dänen Carl Falbe Hansen. Alle thematisieren sie deutsche Geschichte: anlässlich der Verabschiedung der Notstandsgesetze in der Bundesrepublik malt Sitte seinen "Notstandsritter”: einen tief gebeugten nackten Mann, der droht, unter einer fetten Justizia zusammenzubrechen.

Carl Falbe Hansen entwirft das Bild eines weißen Herrenmenschen, der auf einem Farbigen hockt, derweil sein Kopf in die Freiheitsstatue übergeht. Tübcke erinnert mit seinem Blick in den Bauernkrieg daran, dass Menschen sich gegen ihre Unterdrückung wehren können: Seine "Verspottung des Ablasshändlers” zeigt einen an einem Baum aufgeknüpften feisten Pfaffen, darunter versammelt einige Männer und Frauen aus dem Volk. Während der Bauernkrieg blutig niedergeschlagen wurde, präsentiert Volker Stelzmann mit seinem "Jungen Schweißer” einen drallen Kerl, der nun wirklich in einer neuen Gesellschaft lebt, und bereit ist, sie nach Kräften mitzugestalten.

Gleichzeitig führt die gelungene Auswahl vor: Ob Porträts, Landschaften, Stadt- oder Demonstrationsbilder: Bei allem Anspruch der Künstler, mit ihrer Kunst Stellung zu beziehen zur Wirklichkeit, entwickeln sie dabei eine Vielfalt an Formen.

In guten DDR-Jahren besuchten bis zu 180.000 Menschen die Kunsthalle. Nach 1990 sank die Zahl rapide. Die in 40 Jahren entstandene Kunst, so der neue Kunsthallenleiter Jörg-Uwe Neumann ...

"Die verschwand wirklich zum großen Teil im Depot, wurde teilweise sogar zurückgegeben an Künstler. Da gab es natürlich viel Unruhe und Unverständnis."

Eine aus Frankreich eingekaufte Leiterin stellte stattdessen abstrakte zeitgenössische Kunst aus dem Westen in den Mittelpunkt - woraufhin die Besucherzahlen auf einen Tiefpunkt von 6000 sanken. So stand die Existenz der Kunsthalle zwischen 2006 und 2008 zur Disposition. Niemanden interessierte, was mit ihr geschah. Zahlreiche Politiker forderten ihre Schließung.

"Und das war auch für uns die Idee, aufzustehen und zu sagen: ‚Nein, das kann nicht sein! Das Haus darf nicht geschlossen weredn, das Haus hat seine Bedeutung, ganz klar. Schon rein geschichtlich!’"

Seitdem leitet ein privater Betreiberverein die Kunsthalle. Deren Vorsitzender ist der Zahnarzt Jörg-Uwe Neumann. Die Stadt zahlt Betriebskosten und Personal - Neumann besitzt das Weisungsrecht und vollkommene inhaltliche Freiheit.

Angesichts der Bedeutung der Kunsthalle und ihrer Sammlung scheint dies ein unglaublich leichtfertiges Unterfangen. Doch immerhin wurde jetzt die Kunsthalle aufwändig saniert. Man überdachte den Innenhof, in dem nun Bildhauerarbeiten von Sabina Grzimek, Wieland Förster, Jo Jastram und anderen stehen. Und: Der gebürtige Rostocker Neumann hat klare Vorstellungen von dem, was er will:

"Also diese Ausrichtung auf Nordeuropa. Unsere erste Ausstellung war "Riga dröhnt!”, sehr spannender Kunstmarkt, finde ich. Jetzt, mit A. R. Penck eine starke deutsche Einzelpersönlichkeit - und immer flankiert durch Sammlungausstellungen. ‚Riga’ wurde flankiert von Otto und Oskar Manigk. Das ist uns ganz wichtig: starke Einzelausstellungen Richtung Nordeuropa - mit Sammlungsausstellungen kombiniert."