Insiderwissen eines "Bücherschiebers"

Rick Gekoski ist eigentlich Doktor der Englischen Literatur und Oxford-Absolvent. Weil er aber mit dem Handel antiquarischer Bücher weitaus mehr verdient, schmeißt er seinen Uni-Job hin. Und hat fortan viel aus dem Leben eines Buch-Dealers zu erzählen: In seiner BBC-Sendung "Rare books, rare people" schildert er die verrückten Sammelleidenschaften so mancher Büchernarren. Aus den besten Sendungen hat Gekoski nun ein Buch zusammengestellt.
Wie kann es sein, dass der Schutzumschlag eines Buches zehnmal so wertvoll ist wie das Buch selbst? Wie kommt Graham Greene an eine ihm gewidmete und mit einem gezeichneten Schmetterling verzierte Pariser Originalausgabe von Nabokovs "Lolita"? Wieso sind die Sammler von Werken von T.E. Lawrence (of Arabia) ähnlich überkandidelt wie die von Churchilliana? Wie kommt ein New Yorker Mobster (Gangster) an die beste Joyce-Sammlung seiner Zeit? Warum bringt eine "Harry-Potter"-Erstausgabe soviel wie die gesammelten Werke von W.B. Yeats oder Joseph Conrad? Was kostet ein signierter "Hobbit"? Warum wird Virginia Woolf Druckerin und enthält Hemingways allererstes Buch "Three Stories and Ten Poems" wirklich nur drei sehr kurze Geschichten und zehn nicht eben exquisite Gedichte?

Die Antworten auf solche Fragen liebt, wer Bücher liebt. Habent sua fata libelli. Auf die Geschichten dahinter stößt, wer ein Büchernarr ist oder Bücher sammelt oder mit alten, seltenen Büchern handelt und so die irrwitzigen, rührenden, komischen Geschichten auch der Menschen um die Bücher herum erfährt.

Rick Gekoski ist alles auf einmal. Ein Literat, wie er im Buch steht, gebürtiger US-Amerikaner, seit Mitte der 60er Jahre in England zu Hause, Doktor der Englischen Literatur in Oxford, Besitzer eines kleinen, feinen Londoner Antiquariats zwischen British Museum und Fleet Street sowie zweier ebenso kleiner, feiner Verlage für limitierte Editionen, ist außerdem ein begnadeter Erzähler. Er hat sogar seine eigene BBC-Radioserie, "Rare Books, Rare People", auf der die hier gesammelten Geschichten basieren.

Sie sind Lesestoff so leichtfüßig wie gebildet, so selbstironisch wie lehrreich und vor allem so undogmatisch, wie nur jemand schreiben kann, der genau weiß, was Literatur ist und was Bücher, die aus allen möglichen, durchaus legitimen, aber eben nicht literarischen Gründen berühmt werden. So einer muss auch deren Leser, Sammler und Jäger nicht verachten.

In Zeiten wie diesen, in denen uns Religionsführer wieder weismachen wollen, die Rettung der Welt sei eine Frage des jeweils einen "wahren Glaubens", und sich auf Heilige Bücher berufen, die auf jeder Seite zig Textvarianten haben (wie Arno Schmidt in Sachen Bibel zurecht angemerkt hat), ist dies ein einfach rundum erfreuliches "Buch der Bücher".

Rezensiert von Pieke Biermann

Rick Gekoski: "Eine Nacht mit Lolita"
Begegnungen mit Büchern und Menschen
Deutsch von Rainer Moritz
Claassen, Berlin September 2006
gebunden 200 Seiten, 16,90€