Insektenmodellbauerin Julia Stoess

Sie liebt es, wenn es krabbelt

30:23 Minuten
Julia Stoess arbeitet mit einer Pinzette an dem Modell einer Fliege.
Die Kostümbildnerin Julia Stoess war schon als Kind von Insekten fasziniert. © Jens Gyarmaty
Moderatorin: Britta Bürger |
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Ihre Stechmücken und Grashüpfer sind weltweit in Museen zu finden: Julia Stoess baut stark vergrößerte Insektenmodelle. Detailgetreu, wissenschaftlich exakt und in höchster Qualität. In ihrem neusten Projekt zeigt sie den Schlupf einer Eintagsfliege.
Wenn sich andere ekeln oder um sich schlagen, gerät Julia Stoess ins Schwärmen. Stechmücken, Borkenkäfer und allerlei andere Insekten faszinieren sie derart, dass sie ihren Beruf als Kostümbildnerin beim Fernsehen aufgab. Heute ist sie eine der wenigen in Deutschland, die Modelle von Insekten baut.

Sie liebt es, wenn es krabbelt

Ihre Arbeit ist eine eine Mischung aus Hightech und Old School-Handarbeit: So nutzt sie dreidimensionale Scan-Aufnahmen, druckt auch schon mal kleinste Rüsselteile im 3D-Drucker aus und bearbeitet sie originalgetreu nach.
Es gibt aber auch wahre Geduldsarbeiten: "Ich habe zum Beispiel gerade eine Wildbiene gebaut, die ist von Fell umgeben. Da kann man nicht einfach ein Fell draufkleben, sondern da muss man wirklich für jedes Härchen ein Loch mit einem Zahnarztbohrer bohren und jedes Härchen dicht aneinander kleben, damit man hinterher auch wirklich durch die Härchen hindurch die Strukturen des Körpers sieht." Dafür nutzt sie unter anderem das Fell von Elchen, aber auch verschiedene Kunststoffhaare.
Als Vorlage dienen ihr dabei entweder in Alkohol eingelegte Tiere oder detaillierte Fotos. Julia Stoess liebt es aber auch, wenn es in ihrem Atelier krabbelt: "Ich hab` ein Terrarium, und wenn es die Jahreszeit zulässt – und es mit den Tieren machbar ist –, dann schaue sie mir viel an und versuche, zu verstehen, wie sie sitzen, wie sie sich bewegen, wie sie agieren."

Der spannende Ameisenhaufen

Aufgewachsen ist Julia Stoess in den 60er-Jahren in einem Dorf nahe Hamburg. Sie begeistert sich für alles, was krabbelt und fliegt, besonders angetan hat es ihr ein Ameisenhaufen auf dem Schulweg: "Ich hab es dann oft nicht vorbei geschafft an dem Ameisenhaufen, weil es so spannend war, weil ich so gern dem Treiben und diese interessanten Geschichten angeschaut habe, die sich da abgespielt haben."
Eigentlich hätte eine Laufbahn als Naturwissenschaftlerin nahegelegen, aber das geben ihre Schulnoten nicht her. "Ich hatte eine ziemlich katastrophale Schullaufbahn und hab` mich nicht auf das Lernen konzentriert, sondern darauf, renitent zu sein."
Wie so oft, sei alles reizvoll gewesen, was verboten war: "Sex, Drugs and Rock‘ n Roll. Ich glaube, meine Eltern haben etwas gelitten in dieser Zeit."

Kostüme für die "Sesamstraße"

Nach der Schule streift sie zunächst als Rucksacktouristin durch Israel und Ägypten und lernt in Hamburg eine Kostümbildnerin kennen. Sie studiert Kostümdesign an der dortigen Hochschule für Angewandte Wissenschaften, arbeitet bereits während des Studiums beim Fernsehen, unter anderem für die "Schwarzwaldklinik".
Später entwirft sie fantasievolle Kostüme für die "Sesamstraße". Schon während der Drehpausen geht sie aber ihrer eigentlichen Leidenschaft nach: dem Insektenbauen.
Modell einer Hausfliege in einer Ausstellung
Modell einer Hausfliege von Julia Stoess© picture alliance / AP / Jens Meyer
Im Jahr 2000 bekommt sie ihre Chance: Sie darf ihren Rosenkäfer in Hamburg ausstellen, bei einer großen Ausstellung mit Insektenmodellen aus Japan. Der Rosenkäfer wird von einem Düsseldorfer Museum gekauft – ihr Einstieg zum Umstieg in den neuen Beruf. Heute sind ihre detailgetreuen Nachbauten in Naturkundemuseen in der ganzen Welt zu sehen.

Die Angst vor Spinnen

Ekelt sie sich wirklich vor gar keinem Insekt? "Ich ekele mich vor großen Spinnen. Bei den kleinen ist alles gut, aber wenn ich eine große Spinne – so eine Hauswinkelspinne – im Haus habe, das mag ich nicht. Das ist so ein Urinstinkt. Ich muss mir dann klar machen: die tut mir nichts. Aber da ist irgendetwas in mir stärker und ich erschrecke mich. Und ich will sie da nicht haben."
(sus)
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