Innige Liebe und tiefe Zuneigung

Rezensiert von Birgit Koß |
Schon vor dem Lesen des ersten Wortes wird der Leser durch die liebevolle Aufmachung des Buches nach China entführt. Zarte Blumen ziehen sich durch die einzelnen Kapitel und lassen den Roman äußerlich zu einem Kleinod werden. Der Inhalt hält, was die Form verspricht. Eine kleine zarte Geschichte über Träume, Versprechen und die Liebe.
Robert Loon, ein Künstler, der in der Bretagne lebt, kehrt nach Amsterdam in sein Geburtshaus zurück, weil seine Mutter gestorben ist und er dem Haushalt auflöst. Er erinnert sich an den letzten Besuch bei seiner Mutter, an den Abschied von ihr und geht dann immer weiter mit seiner Erinnerung in seine Kindheit zurück und zu Onkel Ying. Zwei Ebenen sind in dem Roman miteinander verwoben, die intensive und innigen Liebe zwischen Mutter und Sohn und die tiefe Zuneigung zwischen Kitty Loon und dem Chinesen Lin Ying.

Nach dem frühen Tod ihres Mannes, versucht Kitty Loon für sich und ihren Sohn Robert den Lebensunterhalt durch Heimarbeit zu sichern. Sie stellt wunderschöne Papierblumen her. Das Rascheln des Seidenpapiers begleitet Robert Loon in seiner Erinnerung durch das ganze Leben.

Kitty Loon ist eine vielseitige und aufgeschlossene Frau. Neben ihrer Liebe zu ihren Sohn, verbindet sie eine intensive Beziehung zu dem chinesischen Straßenverkäufer Lin Ying. Doch die Erfüllung dieser Liebe versagen sich Beide. Kitty Loon in der Erinnerung an ihren verstorbenen Mann - "Deine Vater war die Sonne, Onkel Ying der Mond." Lin Ying träumt davon, zu seiner Familie nach China zurückzukehren, wenn er in den Niederlanden reich geworden ist.

Die Geschichte von Onkel Ying erschließt sich Robert Loon schrittweise über sein ganzes Leben hinweg. Als Kind erzählt ihm seine Mutter das Märchen von einem Chinesen, der sein Dorf verlässt und sich beim Abschied nicht umdrehen darf, weil ihm sonst die Rückkehr von den Göttern des Berges verwehrt wird.

Onkel Ying führt in Amsterdam ein sehr karges Leben. Er verkauft selbst hergestellte Süßigkeiten an einer Straßenbahnhaltestelle. Seine einzige Freude sind die Besuche bei Kitty und ihrem Sohn. Da Onkel Ying bis auf einige wenige Worte kein Niederländisch spricht, erfährt Robert wenig von seiner Geschichte. Erst nach dem Tod seiner Mutter, findet Robert einen Brief von ihr mit einem Foto von Onkel Yings Frau und seinen Kindern und es erschließt sich ihm die geheimnisvolle Lebensgeschichte von Onkel Ying.

"Eine Rose für Onkel Ying" ist der zweite Roman von Cherry Duyns, der ins Deutsche übersetzt wurde. Der Autor wurde 1944 als Sohn einer deutschen Mutter und eines niederländischen Vaters in Wuppertal geboren. Heute ist er einer der bekanntesten Dokumentarfilmer der Niederlande. Viele seiner Filme sind preisgekrönt.

Fragt man ihn jedoch nach seinem Beruf, dann bezeichnet er sich als "Geschichtenerzähler". Diese Selbsteinschätzung ist wirklich zutreffend. Es gibt Romane, die man nicht mehr aus der Hand legen mag, wenn man begonnen hat, sie zu lesen. "Eine Rose für Onkel Ying" ist ein Roman, der sich mit eigenem Rhythmus aus mehreren Geschichten entwickelt. Der Leser bekommt in den einzelnen Kapiteln viele Anregungen, so dass es eine Freude ist, das Buch langsam zu lesen und immer noch ein Kapitel für den nächsten Tag aufzubewahren.


Cherry Duyns, Eine Rose für Onkel Ying
Aus dem Niederländischen von Barbara Heller.
Droemer Verlag, München 2006, 174 Seiten