Inkompetenz in deutschen Amtsstuben

Vorgestellt von Ernst Rommeney |
Bei vielen Menschen dürfte Thomas Wieczorek mit seinen Thesen offene Türen einrennen. Denn seiner Analyse zufolge ist die deutsche Bürokratie aufgebläht, teuer und ineffizient. Doch was als Kritik am Behördenapparat daherkommt, entwickelt sich bei Wieczorek zur althergebrachten Kapitalismuskritik.
"Aufgebläht. Teuer. Ineffizient." Punkt! - stempelt der Verlag vorn auf rotem Cover unter schwarzem Balken. Und er legt auf der Rückseite noch nach: Wenn sich nichts ändere, seien die Beamten unser Bankrott. Dies jedenfalls beweise Thomas Wieczoreks schonungslose Analyse, die der Autor fragend einleitet.

"1. Können wir uns das Beamtentum noch leisten? 2. Müssen wir uns jede Unverschämtheit bieten lassen? 3. Wie können wir das Verhängnis abwenden?"

Erstens ja, zweitens nein, und die dritte Frage vermag er – wie viele andere auch – selbst nicht recht zu beantworten. So reißerisch die Aufmachung, so schonungslos die Analyse, welche in der Tat kaum ein Vorurteil auslässt, so schlicht, ja überraschend fällt sie aus. Nicht gegen Beamte zieht der Autor am Ende zu Felde, sondern gegen ihre marktradikalen Kritiker, gegen die Feinde des Sozialstaates.

"Wer also über Beamtentum, Behördenapparat und Bürokratieabbau redet, darf zur sozialen Gerechtigkeit nicht schweigen."

Und das fängt schon bei der Besoldung an. Denn unter dem Strich, so stellt Thomas Wieczorek fest, verdienten Beamte weder besser noch schlechter als andere Arbeitnehmer.

"Da der Staat seit jeher mit der Privatwirtschaft konkurrieren musste, sind bei gleichen Qualifikationsstufen die Netto-, nicht etwa die Bruttogehälter der Beamten mit den Gehältern der Privatwirtschaft vergleichbar."

Eigentlich sei der Beamtenstatus überflüssig. Öffentliche Aufgaben könnten genauso gut von Angestellten erledigt werden. Der Diensteid, die Pflicht zu Treue und Neutralität förderten eher negative Tugenden.

"Vom neutralen Beamten zum eigenschaftslosen, moralneutralen Untertan aber ist es nur ein Schritt."

Auch andere Pflichten wie Verfassungstreue und Verschwiegenheit – würden sinnverkehrt genutzt, um Widerspruch und Transparenz zu unterbinden.

"Es liegt auf der Hand, dass eine Regierung umso ungenierter verheimlichen und vertuschen kann, je stärker ihr Apparat durch die Verschwiegenheitspflicht und ihr Zubehör eingeschüchtert ist."

Weshalb der Autor auch weniger die Beamtenschaft allgemein, als vielmehr die Ministerialbehörden und ihre Spitzenkräfte ins Visier nimmt.

"Regierungen und Parlamente befinden sich fest in der Hand der bürokratischen Exekutiven."

Doch statt eigenen, unabhängigen Sachverstand zu nutzen, bestellten sich die politischen Beamten haufenweise Gutachten externer Berater mit zweifelhaften Interessen.

"Inkompetenz kauft teuren Rat von Inkompetenz."

Wenn also über Bürokratie, über Gesetze und Paragraphen gestritten wird, fragt Thomas Wieczorek, wem nützt, wem schadet der Verwaltungsaufwand: etwa dem Umwelt- und Verbraucherschutz oder gar den Bürgerrechten.

"Ein demokratischer Sozialstaat braucht mehr Verwaltung als ein sozialdarwinistischer schlanker Staat …"

Und so habe es stets nur Nachteile für den Bürger gebracht, wenn öffentliche Betriebe privatisiert wurden, ob Post oder Bahn, ob Stadtwerke oder Wohnungsunternehmen.

"In vielen Fällen werden staatliche Einrichtungen systematisch ruiniert, um den Bürgern eine Privatisierung aufzuschwatzen."

Und weil die Qualität des Öffentlichen Dienstes ruiniert werde, ruiniere er mit seinen schlechten Leistungen das Land. Gemeinsam würden Bürger und Staat ärmer, während die Reichen und die private Wirtschaft davon profitierten.

"Irrationale Dinge wie Anstand, Moral, Verantwortung oder Humanismus kommen in der marktradikalen Theorie nicht vor."

So gerät die versprochene ganze Wahrheit über den Beamtenstaat zur althergebrachten Kapitalismuskritik. Eine Alternative für einen modernen, leistungsfähigen Öffentlichen Dienst vermittelt er nicht. Die vielen Reformprojekte vom Rathaus bis zur Bundeswehr, die Ideen der Verwaltungswissenschaftler scheinen ihn nicht zu interessieren. Weshalb umso mehr auffällt, wie er den ahnungslosen Behördenkritiker tadelt.

"Weil er mangels Kompetenz die Wahrheit gar nicht kennt, lügt er eigentlich nicht bewusst, sondern labert irgendein Zeug."

Ironisch, polemisch, anekdotisch, schreibt Thomas Wieczorek, nur nicht sachlich. Dies ist ein Buchtipp für Leser, die politische Erweckungsliteratur mögen: aufgebläht, nicht teuer, aber ineffizient.

Thomas Wieczorek: Schwarzbuch Beamte
Wie der Behördenapparat unser Land ruiniert

Knaur Taschenbuch Verlag, München 2007
Thomas Wieczorek: Schwarzbuch Beamte
Thomas Wieczorek: Schwarzbuch Beamte© Droemer/Knaur