Initiative "Materialverwaltung on Tour"

Fahrende Requisitenretter

04:55 Minuten
Gestapelte Requisiten: alte Computerbildschirme, Schreibmaschinen, Filmrollen und anderes.
Derzeit ist die Schalker St.-Joseph-Kirche das Domizil der Requisitensammlung. © Simon Schomäcker / Deutschlandradio
Von Simon Schomäcker · 31.07.2021
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Viele Theater entsorgen ihre Requisiten nach Spielzeitende wegen Platzmangels. Die Initiative "Materialverwaltung on Tour" lagert die oft kunstvolle Bühnendeko ein und verleiht sie. Doch das wirtschaftlich zu betreiben, ist nicht so einfach.
Carina Hommel bekommt in der der Schalker St.-Joseph-Kirche öfter Privatkonzerte, wenn der Organist übt. Die freischaffende Künstlerin muss dabei aber nicht auf Holzbänken Platz nehmen. Sie kann sich in einen Stoffsessel des historischen Wohnzimmers setzen, das in der Kirche aufgebaut ist.
Von dort sind Styropor-Planeten zu sehen, die unter der Empore hängen. Darunter steht ein drei Meter hoher Hundekopf. Diese und andere Theater-Requisiten hat Hommel mit der Initiative "Materialverwaltung on Tour" gesammelt.
"Wir versuchen, Requisiten aus Theatern davor zu retten, dass sie weggeschmissen werden", sagt sie. "Wir lagern die ein – und bei uns kann sich jeder etwas mieten. Sowohl die Oma von nebenan als auch der Kindergarten." Und alle anderen auch.
Gegründet hat sich "Materialverwaltung on Tour" 2019 nach dem Vorbild der Hamburger "Hanseatischen Materialverwaltung gGmbH". Sie bietet ebenfalls gebrauchte Requisiten zum Verleih an. Und genau wie in der Hansestadt gibt es im Ruhrgebiet eine große Theaterszene, die regelmäßig Bühnendeko übrig hat.

Ziel: Vernetzung zwischen Kulturprojekten

"Es werden bestimmte Dinge für eine Spielzeit produziert", erklärt Hommel. Doch in den hauseigenen Lagerräumen ist für die neuen Requisiten oft kein Platz mehr. Deshalb werde vieles weggeworfen.
So geht es auch Carina Hommel und ihrem Team, das aus verschiedenen Kulturschaffenden besteht: Eine feste Bleibe hat die Initiative nicht. So entstand der Namenszusatz "on Tour". Erster Standort war die Jahrhunderthalle Bochum, weitere folgten.*
Bühnenbild: Wohnzimmereinrichtung mit alten Möbeln und Lampen.
Ein historisches Wohnzimmer ist in der Kirche in Gelsenkirchen aufgebaut.© Simon Schomäcker / Deutschlandradio
Bis Ende 2021 kann die Sammlung in der St.-Joseph-Kirche bleiben, die die Gelsenkirchener Wirtschaftsförderung zur Verfügung stellte. Gottesdienste finden hier nicht mehr statt. Der Sakralbau dient nur noch für Andachten – und als Musik-Übungsraum. Carina Hommel schmiedet bereits Pläne – auch wenn sie noch nicht weiß, was davon umsetzbar sein wird.
"Ich würde mit dem Projekt sehr gerne im Ruhrgebiet bleiben." Es habe das Potenzial, eine größere Vernetzung zu schaffen zwischen den einzelnen Städten und verschiedenen Kulturangeboten. "Das ist im Ruhrgebiet leider so ein bisschen zerfasert."

Vermietung soll Requisitenlager finanzieren

Das gilt besonders für unabhängige Theater und Schauspiel-Ensembles. Für sie möchte Carina Hommel nicht nur Netzwerkmöglichkeiten und erschwingliche Verleihangebote schaffen. Die 34-Jährige will zudem Räumlichkeiten für Theateraufführungen, Diskussionen oder Konzerte vermieten. So, hofft Hommel, könnte ein Requisitenlager dauerhaft finanzierbar sein. Aktuell geht das zeitlich begrenzt über Fonds. Und die Suche nach einer Halle ist schwierig.
"Das Problem an Kirchen ist oft, dass die mitten in Wohngebieten liegen." Das bedeute, dass eine Co-Finanzierung mit Veranstaltungen schwierig sei. Zudem seien sie häufig denkmalgeschützt, und auch brandschutzmäßig meist nicht auf dem neuesten Stand. "Das ist aber auch bei den meisten Hallen hier im Ruhrgebiet so", weiß Carina Hommel.

Requisiten als Hintergrund-Deko für Livestreams

Das temporäre Requisitenlager St.-Joseph-Kirche steht aber für Aktionen offen. Zum Beispiel für Livestreams:
"Die letzten anderthalb Jahre haben wir ja viel in irgendwelchen Online-Formaten gesessen. Aber niemand hat so richtig darauf geachtet, wie es eigentlich hinter ihm aussieht. Dabei helfen wir sehr gerne, mit Licht und unserem Know-how und unserem Fundus natürlich."
Bühnenbild: ein altes Klassenzimmer.
Online-Unterricht aus der Kulisse einer alten Dorfschule: eine Idee von Carina Hommel für ihre Requisiten.© Simon Schomäcker / Deutschlandradio
Online-Unterricht könnte dann vielleicht aus der Kulisse einer alten Dorfschule kommen. Oder ein riesiger Golfball und Medizinbälle könnten Blickfang für ein Sportmagazin sein. Und das alle könnte Hoffnung stiften darauf, dass auch bald wieder uneingeschränkt Theater gespielt werden darf.
*Redaktioneller Hinweis: Wir haben eine falsche Information zur Initiative aus dem Text genommen.
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