Industriestaaten sollen für Klimaschäden aufkommen
Der Klimaexperte Wolfgang Cramer hat die Industrieländer dazu aufgefordert, arme Länder bei der Bewältigung von Klimaschäden stärker zu unterstützen. Insbesondere Europa und Nordamerika stünden als Hauptverantwortliche für den Klimawandel in der Pflicht, sagte der Professor für Globale Ökologie am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.
Dieter Kassel: Das lange Osterwochenende begann wissenschaftlich und damit verbunden auch politisch nicht gerade ganz gemütlich. Am Karfreitag hat der Weltklimarat IPCC den zweiten Teil des UN-Klimaberichts veröffentlicht. Eins der Ergebnisse: kein Teil der Welt wird verschont bleiben von den Folgen der globalen Erwärmung, aber insgesamt vier Regionen wird es besonders hart treffen: die Arktis, die kleinen pazifischen Inselstaaten, die dicht bevölkerten Flussmündungen in Asien und vor allem Afrika. Wolfgang Cramer vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung hat als so genannter review editor an Teilen des Weltklimaberichts mitgearbeitet. Herr Cramer, warum wird es gerade Afrika besonders hart treffen?
Wolfgang Cramer: Ja, man vergisst ja oft, dass diese Abschätzung der Klimawirkung nicht nur die Veränderung des Klimas berücksichtigt, sondern auch die Frage, wie gut die Menschen damit umgehen können mit einer Veränderung, und da ist es einfach so, dass Afrika nicht nur stark betroffen ist von Veränderungen, sondern auch besonders empfindlich ist dem gegenüber.
Kassel: Das heißt, um das mal klarzustellen, die erwartete durchschnittliche Erwärmung, die ist ja auf der Welt überall im Prinzip gleich, ist es nicht so, dass es in Afrika, relativ gesehen, noch schneller noch wärmer werden wird als zum Beispiel in Europa?
Cramer: Ja, eher im Gegenteil: Die Temperaturzunahme wird sogar ein bisschen geringer noch als in Europa, aber die Empfindlichkeit, also die Armut der Menschen ist einfach so groß, dass man sich viel weniger dagegen schützen kann als bei uns.
Kassel: Ich sage Ihnen mal was ganz Naives: Als ich das gelesen habe, hat es mich in einem Punkt überrascht, denn Afrika ist in weiten Teilen ja schon jetzt ein sehr heißer und sehr trockener Kontinent. Warum könnte man nicht sagen, die Menschen sind ja ein eher ungünstiges Klima viel stärker gewöhnt als zum Beispiel Menschen in Mitteleuropa?
Cramer: Ja, das stimmt auch, das wird auch ganz am Anfang des Kapitels über Afrika hervorgehoben, dass afrikanische Länder, vor allen Dingen diejenigen, die eben trockenes Klima haben, dass die sehr gut angepasst sind, sogar auch an Klimaschwankungen. Aber es gibt natürlich überall eine Grenze. Wenn irgendwann auch viele Stunden laufen zur Wasserstelle nichts mehr bringen, dann ist das Anpassungspotenzial erschöpft.
Kassel: Was prognostizieren Sie konkret für Afrika, außerdem ein großer Kontinent? In welchen Regionen wird es besonders schlimm, und wie wird es da laut Ihren Abschätzungen in 10, 20 Jahren aussehen?
Cramer: Also das Bemerkenswerte ist, dass wir ja vor wenigen Jahren noch eine große Abweichung hatten zwischen den verschiedenen Klimamodellen, dass man also sagen konnte, es wird zwar wärmer, aber wie viel weniger Regen fällt, das konnte man noch nicht so genau sagen. Heute ist es so, dass wir vor allen Dingen für das südliche Afrika, also nicht nur Südafrika, sondern die südlichen Länder wie Namibia, Angola, Mozambique, dass diese Länder ganz sicher weniger Niederschläge bekommen werden in der Zukunft, weil alle Klimamodelle das inzwischen übereinstimmend aussagen, und das wird viele von diesen insbesondere im Bereich Landwirtschaft, aber auch im Bereich der Versorgung mit Trinkwasser, einfach an eine Grenze bringen, wo die Lebensgrundlage verschwindet.
Kassel: Nun sind sich ja eigentlich auch alle Forscher, und nicht nur die, einig, dass kurz- und auch mittelfristig es nicht möglich ist, den Klimawandel und die Erderwärmung zu verhindern. Das heißt, für diese Zeiträume reden wir ja mehr darüber, damit umzugehen. Wie kann denn ein so armer Kontinent auch wie Afrika damit umgehen?
Cramer: Ja, also da ist man natürlich ganz, ganz am Anfang. Da gibt es sicherlich Regionen, in denen, wie ich eben schon angedeutet habe, einfach ein Umgehen damit nicht mehr möglich sein wird, wo wirklich einfach umgesiedelt werden muss oder in irgendeiner anderen Weise darauf reagiert werden muss. Aber dort, wo Wasser noch vorhanden ist, kann man es natürlich auch effizienter nutzen, und dafür gibt es sowohl Technologien als auch andere Methoden, und das muss man halt verstärkt einsetzen. Zum Beispiel in Südafrika selbst wird ja sehr viel Wasser verschwendet auch, und da ist es eine Frage der Organisation und auch der Bildung, ob man es schafft, mit effizienteren Systemen das Wasser sparsam zu nutzen.
Kassel: In welcher Art und Weise wird in Afrika Wasser verschwendet?
Cramer: Also es gibt ja keinen richtigen Begriff von Wasserverteilung so wie bei uns, dass man zum Beispiel bezahlt für eine bestimmte Menge Wasser und damit dann vorsichtig umgeht, sondern es wird in vielen Regionen immer noch davon ausgegangen, dass das Wasser da ist und allen gehört und dass man davon so viel nutzt, wie nur irgend möglich ist. Und das führt natürlich nicht zu einer besonders effizienten Nutzung des Wassers.
Kassel: Nun ist die Frage natürlich auch, inwiefern muss man tatsächlich feststellen, Herr Cramer, dass Afrika zusammen mit anderen Regionen die Folgen tragen muss von menschlichem Verhalten in ganz anderen Gegenden der Welt? Beispielsweise hat schon auch vor Veröffentlichung dieses Teils des Klimaberichts der Präsident von Uganda, Yoweri Museveni, gesagt, die reichen Industrienationen seien schuld daran, dass es in Afrika bald noch viel schlimmer werden wird mit dem Klima, und die sollen deshalb auch dafür bezahlen. Ist das, so einfach ausgedrückt, wirklich richtig?
Cramer: Also aus meiner Sicht ist das so einfach ausgedrückt wirklich richtig, denn der allergrößte Anteil des Kohlendioxyds, der sich in der Atmosphäre befindet und der uns den Klimawandel bringt, ist verursacht worden von den Emissionen in den reichen Ländern, insbesondere bei uns in Europa und in Nordamerika, und zwar über einen langen Zeitraum. Ein großer Teil unseres wirtschaftlichen Reichtums beruht genau auf dem Verbrauch dieser fossilen Energien und dem damit verbundenen Treibhausgasausstoß. Insofern haben die armen Länder, unter anderem Afrika, haben vollkommen Recht, wenn sie darauf hinweisen, dass wir jetzt auch gefälligst für die Schäden damit aufzukommen haben.
Kassel: Wie sieht es denn mit der Gerechtigkeit aus, wenn wir – mit „wir“ meine ich jetzt Europa, Nordamerika und andere sehr entwickelte industrialisierte Regionen –, wenn wir sagen, okay, auf der einen Seite sind wir bereit, den CO2-Ausstoß zu reduzieren, etwas dazu zu tun, auf der anderen Seite verlangen wir aber auch immer von China, von Indien, aber ja durchaus auch von Afrika, dass die unsere Fehler nicht nachmachen. Steckt da nicht auch ein Stück Ungerechtigkeit drin, wenn wir sagen, die dürfen gar nicht erst anfangen mit einer Industrialisierung, die einhergeht mit hohem CO2-Ausstoß?
Cramer: Das ist ein ganz großer Konflikt, und dem muss man sich in jedem Einzelfall wieder neu stellen. Es ist aber so, dass, insbesondere wenn Sie China und Indien ansprechen, in diesen Ländern durchaus auch sich die Einsicht durchsetzt, dass in dem hemmungslosen Ausstoßen von Treibhausgasen eigentlich noch nicht ein wirtschaftlicher Gewinn liegt, sondern dass eine viel effizientere Nutzung, die bei uns im 19. Jahrhundert gar nicht möglich war, weil es die Technologie noch nicht gab, dass die eigentlich auch im Interesse dieser sich stark industrialisierenden Staaten liegt. Mit anderen Worten: Das Benzin, die Kohle, wenn man sie besonders effizient nutzt und viel mehr Energie dabei herausholt und damit weniger Emissionen, das ist auch im Interesse dieser Staaten. Insofern haben allesamt gemeinsam ein Interesse daran, Methoden zu suchen, wie man zum Beispiel möglichst sparsam Autofahren kann oder möglichst gut schon das CO2 entfernen kann und andere Gase übrigens bei der Verbrennung von Kohle. Also sie brauchen denselben Weg nicht noch mal zu gehen, den wir schon gegangen sind.
Kassel: Um solche modernen Techniken einzusetzen, dafür braucht man sicherlich Geld, und da ist es sicherlich nützlich, wenn die Verursacher dieser Probleme zahlen, aber die anderen Folgen in Afrika, die Sie angesprochen haben, dass ganze Regionen auf Grund des Wassermangels, auf Grund der klimatischen Bedingungen unbewohnbar werden, dass Menschen umgesiedelt werden müssen, kann man das alles überhaupt mit Geld in Griff kriegen?
Cramer: Also es ist ja so wie bei anderen Umweltgütern auch, man stellt das Ganze wirtschaftlich auf eine andere Basis, wenn das Verschmutzen selbst Geld kostet, wenn man also mit anderen Worten die Emissionen besteuert, so wie das lange geplant ist, wie es das Kyoto-Protokoll auch vorsieht, zwar nur noch zu einem niedrigen Preis. Aber damit wird automatisch sowohl die Einsparung angeregt als auch Mittel freigesetzt, die man nutzen kann, um das Klima zu schützen.
Kassel: Nun haben wir acht Minuten jetzt schon ein Gespräch geführt mit der Grundannahme, dass tatsächlich der CO2-Ausstoß, verursacht durch den Menschen, der Hauptgrund für den Klimawandel ist. Sie wissen, dass es inzwischen wenige, aber doch immer mehr Wissenschaftler gibt, die das nicht mehr so eindeutig finden. Da hat es ja auch Diskussionen im Zusammenhang mit dem IPCC, diesem so genannten Weltklimarat gegeben. Am Donnerstag zum Beispiel gab es einen großen Artikel in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ von einem Paläoklimatologen der Universität Heidelberg, der nun mit der Geschichte Trojas erklären will, dass das gar nicht so sein kann. Die Überschrift fand ich noch absurd, den Artikel selber dann nicht mehr. Muss man nicht langsam als seriöser Wissenschaftler Zweifel an dieser Grundschuld des Menschen und der CO2-Theorie zumindest zulassen?
Cramer: Also der Streit über die Ursachen des Klimawandels, der dauert ja schon recht lange, und ich muss es mal so rum sagen: In der Anfangszeit gab es noch durchaus auch seriöse Kollegen, die bestritten haben, dass die unglaubliche Menge an CO2, die wir in die Atmosphäre verbracht haben, dass die einen Einfluss haben könnte auf das Klima. Heute ist es so, dass nur noch sehr, sehr wenige seriöse Wissenschaftler dieses ernsthaft bezweifeln. Es ist also umgekehrt, wie Sie sagen, es werden immer weniger. Dieser spezielle Artikel hat eine Antwort bekommen, die meines Wissens heute in der „FAZ“ steht, jedenfalls in der Online-Ausgabe, wo ganz klar noch mal darauf hingewiesen wird, dass Herr Mangini eindeutigen Irrtümern aufgesessen ist, aus welchen Gründen auch immer. Also mit anderen Worten: Die seriöse Wissenschaft, die sich ja sehr bemüht hat, die Debatte zu Ende zu führen, hat sie zu Ende geführt im Februar in dem ersten Teil des IPCC-Berichtes und ist völlig ohne jeden noch ergründbaren Zweifel zu dem Schluss gekommen, dass es leider, muss man sagen, unsere Treibhausgasemissionen sind, die den Klimawandel herbeigeführt haben, was aber auch bedeutet, dass wir wissen, was wir dagegen tun können.
Kassel: Herzlichen Dank!
Wolfgang Cramer: Ja, man vergisst ja oft, dass diese Abschätzung der Klimawirkung nicht nur die Veränderung des Klimas berücksichtigt, sondern auch die Frage, wie gut die Menschen damit umgehen können mit einer Veränderung, und da ist es einfach so, dass Afrika nicht nur stark betroffen ist von Veränderungen, sondern auch besonders empfindlich ist dem gegenüber.
Kassel: Das heißt, um das mal klarzustellen, die erwartete durchschnittliche Erwärmung, die ist ja auf der Welt überall im Prinzip gleich, ist es nicht so, dass es in Afrika, relativ gesehen, noch schneller noch wärmer werden wird als zum Beispiel in Europa?
Cramer: Ja, eher im Gegenteil: Die Temperaturzunahme wird sogar ein bisschen geringer noch als in Europa, aber die Empfindlichkeit, also die Armut der Menschen ist einfach so groß, dass man sich viel weniger dagegen schützen kann als bei uns.
Kassel: Ich sage Ihnen mal was ganz Naives: Als ich das gelesen habe, hat es mich in einem Punkt überrascht, denn Afrika ist in weiten Teilen ja schon jetzt ein sehr heißer und sehr trockener Kontinent. Warum könnte man nicht sagen, die Menschen sind ja ein eher ungünstiges Klima viel stärker gewöhnt als zum Beispiel Menschen in Mitteleuropa?
Cramer: Ja, das stimmt auch, das wird auch ganz am Anfang des Kapitels über Afrika hervorgehoben, dass afrikanische Länder, vor allen Dingen diejenigen, die eben trockenes Klima haben, dass die sehr gut angepasst sind, sogar auch an Klimaschwankungen. Aber es gibt natürlich überall eine Grenze. Wenn irgendwann auch viele Stunden laufen zur Wasserstelle nichts mehr bringen, dann ist das Anpassungspotenzial erschöpft.
Kassel: Was prognostizieren Sie konkret für Afrika, außerdem ein großer Kontinent? In welchen Regionen wird es besonders schlimm, und wie wird es da laut Ihren Abschätzungen in 10, 20 Jahren aussehen?
Cramer: Also das Bemerkenswerte ist, dass wir ja vor wenigen Jahren noch eine große Abweichung hatten zwischen den verschiedenen Klimamodellen, dass man also sagen konnte, es wird zwar wärmer, aber wie viel weniger Regen fällt, das konnte man noch nicht so genau sagen. Heute ist es so, dass wir vor allen Dingen für das südliche Afrika, also nicht nur Südafrika, sondern die südlichen Länder wie Namibia, Angola, Mozambique, dass diese Länder ganz sicher weniger Niederschläge bekommen werden in der Zukunft, weil alle Klimamodelle das inzwischen übereinstimmend aussagen, und das wird viele von diesen insbesondere im Bereich Landwirtschaft, aber auch im Bereich der Versorgung mit Trinkwasser, einfach an eine Grenze bringen, wo die Lebensgrundlage verschwindet.
Kassel: Nun sind sich ja eigentlich auch alle Forscher, und nicht nur die, einig, dass kurz- und auch mittelfristig es nicht möglich ist, den Klimawandel und die Erderwärmung zu verhindern. Das heißt, für diese Zeiträume reden wir ja mehr darüber, damit umzugehen. Wie kann denn ein so armer Kontinent auch wie Afrika damit umgehen?
Cramer: Ja, also da ist man natürlich ganz, ganz am Anfang. Da gibt es sicherlich Regionen, in denen, wie ich eben schon angedeutet habe, einfach ein Umgehen damit nicht mehr möglich sein wird, wo wirklich einfach umgesiedelt werden muss oder in irgendeiner anderen Weise darauf reagiert werden muss. Aber dort, wo Wasser noch vorhanden ist, kann man es natürlich auch effizienter nutzen, und dafür gibt es sowohl Technologien als auch andere Methoden, und das muss man halt verstärkt einsetzen. Zum Beispiel in Südafrika selbst wird ja sehr viel Wasser verschwendet auch, und da ist es eine Frage der Organisation und auch der Bildung, ob man es schafft, mit effizienteren Systemen das Wasser sparsam zu nutzen.
Kassel: In welcher Art und Weise wird in Afrika Wasser verschwendet?
Cramer: Also es gibt ja keinen richtigen Begriff von Wasserverteilung so wie bei uns, dass man zum Beispiel bezahlt für eine bestimmte Menge Wasser und damit dann vorsichtig umgeht, sondern es wird in vielen Regionen immer noch davon ausgegangen, dass das Wasser da ist und allen gehört und dass man davon so viel nutzt, wie nur irgend möglich ist. Und das führt natürlich nicht zu einer besonders effizienten Nutzung des Wassers.
Kassel: Nun ist die Frage natürlich auch, inwiefern muss man tatsächlich feststellen, Herr Cramer, dass Afrika zusammen mit anderen Regionen die Folgen tragen muss von menschlichem Verhalten in ganz anderen Gegenden der Welt? Beispielsweise hat schon auch vor Veröffentlichung dieses Teils des Klimaberichts der Präsident von Uganda, Yoweri Museveni, gesagt, die reichen Industrienationen seien schuld daran, dass es in Afrika bald noch viel schlimmer werden wird mit dem Klima, und die sollen deshalb auch dafür bezahlen. Ist das, so einfach ausgedrückt, wirklich richtig?
Cramer: Also aus meiner Sicht ist das so einfach ausgedrückt wirklich richtig, denn der allergrößte Anteil des Kohlendioxyds, der sich in der Atmosphäre befindet und der uns den Klimawandel bringt, ist verursacht worden von den Emissionen in den reichen Ländern, insbesondere bei uns in Europa und in Nordamerika, und zwar über einen langen Zeitraum. Ein großer Teil unseres wirtschaftlichen Reichtums beruht genau auf dem Verbrauch dieser fossilen Energien und dem damit verbundenen Treibhausgasausstoß. Insofern haben die armen Länder, unter anderem Afrika, haben vollkommen Recht, wenn sie darauf hinweisen, dass wir jetzt auch gefälligst für die Schäden damit aufzukommen haben.
Kassel: Wie sieht es denn mit der Gerechtigkeit aus, wenn wir – mit „wir“ meine ich jetzt Europa, Nordamerika und andere sehr entwickelte industrialisierte Regionen –, wenn wir sagen, okay, auf der einen Seite sind wir bereit, den CO2-Ausstoß zu reduzieren, etwas dazu zu tun, auf der anderen Seite verlangen wir aber auch immer von China, von Indien, aber ja durchaus auch von Afrika, dass die unsere Fehler nicht nachmachen. Steckt da nicht auch ein Stück Ungerechtigkeit drin, wenn wir sagen, die dürfen gar nicht erst anfangen mit einer Industrialisierung, die einhergeht mit hohem CO2-Ausstoß?
Cramer: Das ist ein ganz großer Konflikt, und dem muss man sich in jedem Einzelfall wieder neu stellen. Es ist aber so, dass, insbesondere wenn Sie China und Indien ansprechen, in diesen Ländern durchaus auch sich die Einsicht durchsetzt, dass in dem hemmungslosen Ausstoßen von Treibhausgasen eigentlich noch nicht ein wirtschaftlicher Gewinn liegt, sondern dass eine viel effizientere Nutzung, die bei uns im 19. Jahrhundert gar nicht möglich war, weil es die Technologie noch nicht gab, dass die eigentlich auch im Interesse dieser sich stark industrialisierenden Staaten liegt. Mit anderen Worten: Das Benzin, die Kohle, wenn man sie besonders effizient nutzt und viel mehr Energie dabei herausholt und damit weniger Emissionen, das ist auch im Interesse dieser Staaten. Insofern haben allesamt gemeinsam ein Interesse daran, Methoden zu suchen, wie man zum Beispiel möglichst sparsam Autofahren kann oder möglichst gut schon das CO2 entfernen kann und andere Gase übrigens bei der Verbrennung von Kohle. Also sie brauchen denselben Weg nicht noch mal zu gehen, den wir schon gegangen sind.
Kassel: Um solche modernen Techniken einzusetzen, dafür braucht man sicherlich Geld, und da ist es sicherlich nützlich, wenn die Verursacher dieser Probleme zahlen, aber die anderen Folgen in Afrika, die Sie angesprochen haben, dass ganze Regionen auf Grund des Wassermangels, auf Grund der klimatischen Bedingungen unbewohnbar werden, dass Menschen umgesiedelt werden müssen, kann man das alles überhaupt mit Geld in Griff kriegen?
Cramer: Also es ist ja so wie bei anderen Umweltgütern auch, man stellt das Ganze wirtschaftlich auf eine andere Basis, wenn das Verschmutzen selbst Geld kostet, wenn man also mit anderen Worten die Emissionen besteuert, so wie das lange geplant ist, wie es das Kyoto-Protokoll auch vorsieht, zwar nur noch zu einem niedrigen Preis. Aber damit wird automatisch sowohl die Einsparung angeregt als auch Mittel freigesetzt, die man nutzen kann, um das Klima zu schützen.
Kassel: Nun haben wir acht Minuten jetzt schon ein Gespräch geführt mit der Grundannahme, dass tatsächlich der CO2-Ausstoß, verursacht durch den Menschen, der Hauptgrund für den Klimawandel ist. Sie wissen, dass es inzwischen wenige, aber doch immer mehr Wissenschaftler gibt, die das nicht mehr so eindeutig finden. Da hat es ja auch Diskussionen im Zusammenhang mit dem IPCC, diesem so genannten Weltklimarat gegeben. Am Donnerstag zum Beispiel gab es einen großen Artikel in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ von einem Paläoklimatologen der Universität Heidelberg, der nun mit der Geschichte Trojas erklären will, dass das gar nicht so sein kann. Die Überschrift fand ich noch absurd, den Artikel selber dann nicht mehr. Muss man nicht langsam als seriöser Wissenschaftler Zweifel an dieser Grundschuld des Menschen und der CO2-Theorie zumindest zulassen?
Cramer: Also der Streit über die Ursachen des Klimawandels, der dauert ja schon recht lange, und ich muss es mal so rum sagen: In der Anfangszeit gab es noch durchaus auch seriöse Kollegen, die bestritten haben, dass die unglaubliche Menge an CO2, die wir in die Atmosphäre verbracht haben, dass die einen Einfluss haben könnte auf das Klima. Heute ist es so, dass nur noch sehr, sehr wenige seriöse Wissenschaftler dieses ernsthaft bezweifeln. Es ist also umgekehrt, wie Sie sagen, es werden immer weniger. Dieser spezielle Artikel hat eine Antwort bekommen, die meines Wissens heute in der „FAZ“ steht, jedenfalls in der Online-Ausgabe, wo ganz klar noch mal darauf hingewiesen wird, dass Herr Mangini eindeutigen Irrtümern aufgesessen ist, aus welchen Gründen auch immer. Also mit anderen Worten: Die seriöse Wissenschaft, die sich ja sehr bemüht hat, die Debatte zu Ende zu führen, hat sie zu Ende geführt im Februar in dem ersten Teil des IPCC-Berichtes und ist völlig ohne jeden noch ergründbaren Zweifel zu dem Schluss gekommen, dass es leider, muss man sagen, unsere Treibhausgasemissionen sind, die den Klimawandel herbeigeführt haben, was aber auch bedeutet, dass wir wissen, was wir dagegen tun können.
Kassel: Herzlichen Dank!