Industriedesign

Ist das Wagenfeld oder kann das weg?

Eine Reihe von Glasvasen, Gefäßen und Gläsern im Design-Museum "Wilhelm Wagenfeld-Haus" in Bremen; Teil der Sonderausstellung zu Ehren des 110. Geburtstages von Wilhelm Wagenfeld (1900-1990)..
Design-Klassiker: Objekte von Wilhelm Wagenfeld © picture alliance / dpa / Ingo Wagner
Von Franziska Rattei · 21.02.2015
Original oder Fälschung? Bei den Leuchten, Butterdosen oder Eier-Bechern des Designers Wilhelm Wagenfeld ist das oft nicht leicht zu sagen. Sie wurden zu oft kopiert. Wer glaubt, einen echten Wagenfeld im Hausrat zu haben, kann sein Objekt nun in Bremen begutachten lassen.
Im Bremer Wilhelm-Wagenfeld-Haus steht ein großer Tisch mitten im Ausstellungsraum. Darauf ein kleines Glastablett mit zwei quadratischen Kästchen, ebenfalls aus Glas.
Ursula Benecke: "Das habe ich geerbt, von meiner Mutter. Und es stand bei uns auf dem Frühstückstisch: Marmelade, einmal gelb, einmal rot."
Ursula Benecke packt auch noch die Deckel der Kuben vor den beiden Mitarbeiterinnen der Wagenfeld-Stiftung aus.
Benecke: "Und dann war ich vor Kurzem im Kunstgewerbemuseum in Köln und ich denke: Wie bitte, was ist das? Das sah genau so aus wie dieses. Und da bin ich wach geworden und hab mir gedacht: Mein Gott, könnte eventuell Wagenfeld sein. Und als ich dann von dieser Ding-Beratung gehört hab, hab ich gedacht: So, jetzt gehste hin, und dann sollen die sich das angucken: Ist es wirklich Wagenfeld oder hab ich mich verguckt?"
Julia Bulk: "Gucken wir mal. Ich darf mal... Ja, wir hatten das schon fast vermutet, dass es Wagenfeld ist, aber wenn man ganz genau hinschaut – haben Sie wahrscheinlich auch schon gesehen, dass hier so eine kleine eingeprägte Marke ist."
Julia Bulk, Geschäftsführerin der Wilhelm-Wagenfeld-Stiftung und ihre Kollegin Kathrin Hager beugen sich neugierig über den Fund.
Benecke: "Ja, jetzt seh' ich das natürlich auch."
Der Inbegriff der Moderne
Ein echtes Wagenfeld-Kubus-Geschirr, in diesem Fall erkennbar an der sogenannten Rautenmarke – ein Zeichen der Vereinigten Lausitzer Glaswerke, für die Wagenfeld in den späten 1930er-Jahren gearbeitet und entworfen hat. Für Julia Bulk ist das Kubus-Geschirr der Inbegriff der Moderne. Sie zeigt der Besucherin einen alten Werbeprospekt.
Bulk: "Also hier sieht es festlich aus, und hier ist es halt praktisch. Das heißt, in der Werbung, die verschiedenen Argumente werden ganz sachlich aufgeführt. Warum sollte man sich für das Kubus-Geschirr entscheiden?"
Hager: "Hier sind ihre beiden kleinen..."
Benecke: "Richtig!"
Benecke: "Doch, ich glaub, jetzt werd' ich da wieder die Marmelade rein machen. Es ist zweifach: Es ist einmal die Erinnerung an den Frühstückstisch meiner Kindheit mit roter, gelber Marmelade. Und jetzt das Wissen darum – es ist Wagenfeld – hatte ich, ehrlich gesagt, nie mit gerechnet. Ich glaub, das kommt jetzt auch auf unseren Frühstückstisch."
"Hier bin ich so ein bisschen unsicher"
Ursula Benecke ist begeistert und schaut sich nach der Beratung noch ein wenig in der Ausstellung um: beleuchtete Vitrinen mit Kochgeschirr aus Edelstahl, Besteck und turmalinfarbene Vasen. Auch ihr Kubusgeschirr entdeckt sie. Die beiden Wagenfeld-Mitarbeiterinnen empfangen derweil schon ihren nächsten Gast: Heiko Aping, Grafikdesigner und Vasensammler. Zwei seiner Objekte hat er mitgebracht.
Aping: "Ich find die Farbe toll. Und ich find's auch gut, dass ein Designer sich dadurch ausgezeichnet hat, eine breite Produktpalette herzustellen. Das fand ich spannend, und hab mich dann einfach auf eine Sache gestürzt. Und das waren die Vasen. Fand ich schön."
Kathrin Hager: "Also, auf den ersten Blick würde ich hier sofort sagen: selbstverständlich. Hier bin ich so ein bisschen unsicher."
Eine Entdeckungsreise im Museumsmagazin
Die kleinere Vase der beiden findet die wissenschaftliche Mitarbeiterin schnell im Werkverzeichnis: keulenförmig, turmalinfarben, WMF, 125 Millimeter hoch. Das größere schlanke Modell mit ungewöhnlich eckiger Schulterpartie allerdings erkennt sie nicht sofort.
Hager: "Also es gibt noch ne Sache, was wir jetzt machen können. Wir können mal ins Magazin gehen und schauen, ob wir da ne ganz ähnliche haben. Dass man vielleicht sieht, wo die Varianz bei dieser Vase überhaupt ist. Das würde ich dann mal eben machen. Wenn Sie möchten, dann kommen Sie eben mit."
Eine Entdeckungsreise in den Teil des Museums, den Gäste normalerweise nicht zu sehen bekommen. Im Magazin lagern mehr als 4000 Objekte – Vasen, Geschirr, Gebrauchsgegenstände von Wagenfeld in übermannshohen Metallregalen; akribisch beschriftet und geordnet. Nur eine Vase ist der von Heiko Aping ähnlich.
"Diese hier, ne?"
"Ja, dann nehmen wir die jetzt mal mit und schauen uns das nochmal im Werkverzeichnis an."
Manchmal ist die genaue Bestimmung der Wagenfeld-Objekte kompliziert. Die Entwürfe des Designers waren so beliebt, dass sie häufig kopiert wurden, teilweise mit kleinen Abwandlungen, um Lizenzzahlungen an Wagenfeld zu vermeiden. Wahrscheinlich handelt es sich bei Heiko Apings Vase auch um so ein Plagiat.
Hager: "Das müssen wir jetzt doch nochmal prüfen. Jetzt ist doch nochmal so ein Unsicherheitsfaktor selbst für uns eingetreten."
Bulk: "Das hatten wir uns aber ja auch erhofft. Dass wir immer neu dazu lernen. Das macht es ja auch spannend."
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