Indoor Skydiving

Mit 280 durch den Windkanal

Indoor Skydiving in San Diego
Beim Indoor Skydiving können die Zuschauer durch eine Glaswand die Kunststücke der Sportler verfolgen. © imago/ZUMA Press
Von Fritz Schütte · 12.08.2018
Wer das Gefühl des freien Falls erleben möchte, muss sich nicht in 4000 Meter Höhe aus einem Flugzeug stürzen: Indoor Skydiving heißt die Alternative, die auch Deutschland immer beliebter wird.
Helm auf dem Kopf. Fallschirm im Rucksack. 15 Springer drängen sich im Frachtraum eines Propellerflugzeugs. 4000 Meter unter ihnen die Stadt Gransee, die Havel und der Flugplatz von GoJump.
Eine Rolltür wird nach oben geschoben. Wenn jemand springt, klingt es, als hätte ein Staubsauger etwas Größeres erwischt. Nacheinander verschwinden alle. Es sieht aus, als würden sie in der Luft sitzen.
Man kennt Fotos von Springern, die im freien Fall auf dem Bauch liegen, sich an Händen und Füßen fassen und Formationen bilden. Die Bauchlage ist die Position, die man einnehmen sollte, bevor sich der Fallschirm öffnet.
Max Penk: "Man hat am Anfang immer geguckt, wie kommt man sicher aus dem Flieger raus, dass man seinen Fallschirm dann öffnen kann. Und keiner hat ausprobiert, wie ist es im Stehen? Wie ist es im Sitzen? Auf dem Kopf?"
Erst in den 90er-Jahren trauten sich Fallschirmspringer mit Kopf oder Füßen voraus zu fliegen. Max Penk hat die Pioniere des Freefly nach Gransee eingeladen.
Olav Zipser, Knut Krecker und Sven Zimmermann, alle Anfang 50, haben viele Stunden im freien Fall verbracht.
Olav Zipser: "Was ich mir beigebracht habe, war einfach, nicht nur auf dem Bauch daherfallen, sondern auch zur Wolke fliegen, die Konturen von der Wolke vertikal abfliegen. Und das habe ich Freifliegen genannt. Für mich ist das auch kein Fallschirmspringen, sondern swimming in the ocean of gas."
Sven Zimmermann: "Der Mensch als Flugzeug und Pilot in einem. Das ist eigentlich das, was ich in meinem Sport als das Besondere sehe."
Knut Krecker: "Ich kenne noch Zeiten, da sind wir runtergekommen vom Trainieren, und unser Sport ist ja ein Videosport, und dann hatten ich auf einmal eine Traube von 50 Menschen hinter uns, die gesagt haben: 'Das geht doch gar nicht, was ihr da macht.'"

Spektakuläre Bilder

Von 4000 auf 1000 Meter fallen, dauert höchstens 50 Sekunden. Wer kopfüber fliegt, ist deutlich schneller, und muss vorm Öffnen des Schirms gehörig abbremsen.
Die Schnüre der Fallschirme sirren.
Kurz darauf schließt Kursteilnehmer Frank Hempel seine Helmkamera an den Computer an und startet das Video.
"Hier siehst du das, wie wir sitzen. Da sind wir relativ nah zusammen, gerade was so die Höhe anbetrifft. So, und jetzt fliegen wir alle voneinander weg."
Jede kleine Bewegung hat im Luftstrom Auswirkungen. Eigentlich spannend, aber leider zu weit weg fürs bloße Auge, sagt Fabian Raidel von Indoor Skydiving Windobona Berlin.
"Was du als Zuschauer siehst, ist, dass der Flieger oben vorbei fliegt und irgendwann die Fallschirme aufgehen. Und das war einfach nie publikumsfreundlich. Es waren immer sehr spektakuläre Bilder. Man hat es sich angeschaut im Fernsehen. Aber es war jetzt nicht so, dass du zu einer Veranstaltung hingehen und es live anschauen hast können. Jetzt mit dem Indoor Skydiving bringen wir es einfach zum Publikum. Du kannst da bei der Tür reingehen und wirklich sehen, was die Leute im Freifall machen."

Verblüffende Effekte im Windtunnel

Erste Deutsche Indoor Skydiving Meisterschaft im Windtunnel in Bottrop. Luft wird von unten durch ein Netz in eine viereinhalb Meter breite Kammer geblasen. Durch die Glaswand können Zuschauer die Sportler fliegen sehen.
Henning Stumpp: "Der Tunnel hier in Bottrop war vor zehn Jahren der erste hier in Deutschland. Mittlerweile schießen die wie Pilze aus dem Boden. Es tut sich einfach was. Die ganze Struktur in der Springerei wird sich wahrscheinlich ändern."
Vor allem im Nachwuchsbereich, sagt Henning Stumpp, Präsident des Deutschen Fallschirmsportverbandes. Eine Springerlizenz kann man erst mit 16 erwerben, im Tunnel aber schon viel früher fliegen.
"Es gibt Jugendliche, Heranwachsende, die sind im Tunnel schon beeindruckend gut, das heißt, die haben noch nie im Leben einen Fallschirmsprung gemacht."
Lena Reeker tanzt durch die Luft zu Musik, die sie im Tunnel selber nicht hören kann. Sie erinnert an eine Trampolinspringerin, hält dann plötzlich in der Luft an. Der Kopf zeigt nach unten, sie fliegt aber nach oben.
"Je mehr Fläche man dem Wind bietet, desto mehr geht man nach oben. Je weniger Fläche man dem Wind bietet, desto eher geht man nach unten. Und verändert man den Winkel von irgendeiner Körperform, fängt man an sich zu drehen. Und das kann man aus allen Positionen, auf dem Bauch für Anfänger oder später auf dem Rücken, auf dem Kopf oder im Stehen anwenden."
Dynamisches Fliegen ist Tunnelsport. Die Effekte sind noch verblüffender als in der Luft, findet Bastian Dicke von Indoor Skydiving Bottrop.
"Alle Menschen, die in diesen Windkanal kommen und das sehen, bleiben erstmal mit offenem Mund vor dieser Glasscheibe stehen und denken: Das geht doch gar nicht, dass Menschen so fliegen. Das ist verrückt. Das ist irgendwie surreal.' Dieser älteste Menschheitstraum vom Fliegen, der sich dann auf einmal in diesem Windkanal erfüllt. Das ist total irre."
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