Indien auf dem Weg zu Umwelt- und Gesundheitsschutz

Von Katharina Nickoleit |
In Indien verdienen viele Menschen ihr Geld mit Elektroschrott. Doch die Stäube und giftigen Dämpfe gehen an ihre Gesundheit. Nun gilt ein neues Gesetz, das die Arbeitgeber zu großen Investitionen in Arbeits- und Umweltschutz zwingt. Nur langsam können sich die kleinen Firmen darauf einstellen.
Überall in den Gassen des Viertels Sashtri Park in Delhi wird gehämmert und geklopft. Über Bunsenbrennern werden Platinen erhitzt, es stinkt nach verbranntem Plastik und Chemikalien. In jedem der schmalen Häuser liegt im Erdgeschoss eine Werkstatt und in jeder dieser Werkstätte sitzen Männer auf dem Boden und nehmen alte Bildschirme, Computergehäuse und CD-Laufwerke auseinander:

"In einem einzigen Computer steckt eine ganze Menge Aluminium, einiges an Kupfer, viel Metall und Plastik und sogar etwas Gold. Das können wir alles voneinander trennen und die einzelnen Komponenten weiter verkaufen. Jeder alte Computer bringt umgerechnet sieben Euro ein."

Barium greift die Leber und das Herz an
Mohammad Sabir ist seit 27 Jahren im Elektroschrottgeschäft. Er und seine drei Angestellten nehmen alte Geräte auseinander und können damit einigermaßen ihre Familien ernähren. Doch der Elektroschrott enthält nicht nur wiederverwertbare Rohstoffe, sondern auch viele Schwermetalle. Beim Auseinanderbrechen von Festplatten werden unter anderen bleihaltige Stäube frei, sie schädigen das Gehirn. Barium greift die Leber und das Herz an.

Das Erhitzen der Platinen löst nicht nur die begehrten Edelmetalle, sondern es entstehen auch giftige Dämpfe. Alles in allem enthält Elektroschrott elf hochgiftige Stoffe. Ashish Chaturvedi ist in Indien bei der GIZ, der deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, der Experte für Elektroschrott. Er berät die indische Regierung im Umgang mit dem giftigen Müll.

"Wenn diese Produkte nicht richtig entsorgt und wieder verwertet werden, verursachen sie Umweltschäden und gefährden die Gesundheit der Menschen. Vor allem die Gesundheit derjenigen, die sie auseinander nehmen. Das Problem ist riesig und wächst ständig, denn Elektroschrott ist der am schnellsten wachsende Müllberg Indiens."

Das Elektroschrottgeschäft ist überall in Indien fest in den Händen der Muslime - warum, weiß keiner so genau. Obwohl der Export kaputter Elektrogeräte verboten ist, stammt ein Teil der Geräte, die in Sashtri Park auseinander genommen werden, aus Europa. Denn den Schrott fachgerecht zu recyceln ist so aufwendig und teuer, dass es sich lohnt, ihn über dunkle Kanäle nach Afrika oder Indien zu schmuggeln. Doch auch ohne den Müll aus der westlichen Welt fallen im wirtschaftlich aufstrebenden Indien Millionen Altgeräte an, die entsorgt werden müssen:

"Im Vergleich zu anderen Ländern kümmert sich die indische Regierung sehr um das Thema. Wir haben jetzt ein Gesetz zum Umgang mit Elektroschrott, an dem die GIZ mitgearbeitet hat. Die Regierung tut außerdem einiges für die Infrastruktur, damit Recyclingcenter gebaut werden können."

Aus Elektroschrott können viele wertvolle Rohstoffe gewonnen werden.
Aus Elektroschrott können viele wertvolle Rohstoffe gewonnen werden.© picture alliance / dpa / Marijan Murat
Für die Verwerter in Sashtri Park bahnt sich eine Katastrophe an

Dazu gehört die Erschließung zusätzlicher Flächen in Industriegebieten für Recyclingbetriebe. Noch ist das alles im Werden, dass Gesetz trat erst im Mai 2012 in Kraft. Doch die Kontrollen nehmen zu und für die Elektroschrottverwerter in Sashtri Park bahnt sich eine Katastrophe an. Der Schrott vergiftet sie zwar schleichend, doch erst einmal sichert er ihr Überleben. Mohammad Sabir steht vor einem riesigen Probleme: Er wird sein Geschäft schließen müssen, wenn er sich jetzt nicht viel Geld in die Hand nimmt:

"Um die verschiedenen Genehmigungen zu bekommen, muss man erst mal in einem Industriegebiet eine Halle anmieten und das alleine ist sehr teuer. Und es gibt noch viele andere Auflagen, die wir erfüllen müssen, wenn wir in Zukunft weiter mit Elektroschrott arbeiten wollen."

Mohammad Sabir ist der Erste aus seinem Viertel, der versucht, sich an die neue Lage anzupassen. Stolz zeigt er seine Halle: All seine Ersparnisse stecken in dem muffig riechenden, fensterlosen Gebäude. An den Wänden sind fein säuberlich Gehäuse, Monitore und Tastaturen getrennt voneinander gestapelt. Bis er hier legal arbeiten kann, muss Mohammad Sabir jedoch noch einige bürokratischen Hürden überwinden. Und wie muss ein Recyclingbetrieb überhaupt aussehen, um die erforderlichen Genehmigungen zu erhalten?

Um das heraus zu finden, besucht Mohammad Sabir eine der gerade mal zwei Firmen in der Millionenmetropole, die bereits legal arbeitet. Vor den Toren Delhis hat in einem Industriegebiet die indische Firma Earth Sense ihren Sitz. Statt im Schneidersitz auf dem Boden sitzen die Arbeiter hier an Werkbänken. Alle tragen Sicherheitsschuhe, Handschuhe und Mundschutz. John Robert:

"Jeder Arbeitstisch ist mit einer Absauganlage ausgestattet, die alle Staubpartikel einfängt, so dass sie von den Arbeitern nicht eingeatmet werden können. Der Staub wird in einem Behälter gesammelt und später vorschriftsmäßig entsorgt. So wird weder die Umwelt belastet noch die Gesundheit unserer Angestellten gefährdet."

Der Inder John Robert hat rund 100.000 Euro in Absauganlagen, Unterdruckgeräte und andere Maschinen investiert. Für Mohammad Sabir ist das eine unvorstellbar hohe Summe. Doch John Robert macht ihm Mut:

"Er sollte zunächst klein anfangen und einen Werktisch mit Absauganlage kaufen. Damit kann man zwar keine großen Mengen verarbeiten, aber es ist ein Anfang."

So ein Arbeitstisch kostet etwa 1300 Euro - das könnte für Mohammad Sabir irgendwie zu schaffen sein. Um Kleinunternehmern wie ihm dabei zu helfen, sich an die neue Gesetzeslage anzupassen, vermittelt die GIZ günstige Kredite und veranstaltet Weiterbildungskurse. Mohammad Sabir hat angebissen:

"Wenn ich die Genehmigungen habe, möchte ich auch so arbeiten, dass ich weder meiner Gesundheit noch der Umwelt schade."
Platinen liegen in der Elektrorecycling-Abteilung des Sozialunternehmens Neue Arbeit gGmbH in Stuttgart in einem Drahtkorb.
Beim Erhitzen der Platinen entstehen auch giftige Dämpfe.© picture alliance / dpa / Marijan Murat
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