Ina Vultchanova: "Crash Island"

Liebeserklärung an die Insel Krk

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Das Buchcover "Crash Island" von Ina Vultchanova ist vor einem grafischen Hintergrund zu sehen.
In "Crash Island" zeichnet Ina Vultchanova wie nebenbei eine Landkarte unterschiedlicher Lebensentwürfe. © Eta Verlag / Deutschlandradio
Von Olga Hochweis · 19.01.2021
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Eine Frau aus Sofia fährt ohne Mann und Kind auf die kroatische Insel Krk. Dort begegnet sie ihrem Ex-Mann, der sonst in München lebt. Eine Hobby-Astrologin, die sie aus Sofia beobachtet, liest in den Sternen, dass es zu einem "Crash" kommen wird.
Zwei Frauen erzählen abwechselnd aus ihrem Leben - ungeschützt und offenherzig wie im Gespräch mit einer guten Freundin. Die beiden kennen sich kaum. Und doch sind sie durch ein unsichtbares Band miteinander verbunden.
Radost, eine Hobby-Astrologin, beobachtet aus der Ferne Assia, deren Leben sie aufgrund der Sterne auf einen Bruch zusteuern sieht. Er könnte auf dem titelgebenden "Crash Island" stattfinden - auf der kroatischen Insel Krk, wo Assia sechs Wochen ihres Sommers verbringt.
Sie ist allein losgefahren, hat sowohl ihren Mann Mischo in ihrer bulgarischen Heimatstadt Sofia zurückgelassen als auch den pubertierenden Sohn, der ebenfalls Mischo heißt.

Assia betrügt ihren Mann

Radost lebt ebenfalls in Sofia. Sie wird beide Mischos im Lauf des Romans kennenlernen und mit dem "großen Mischo" eine Nacht verbringen. Auch Assia betrügt ihren Mann ein einziges Mal: Mit Emtcho, dem Vater des "kleinen Mischo" und einstigen Lebensgefährten, auf dessen Einladung sie nach Krk gekommen ist.
Früher, in Bulgarien, war er Filmregisseur. Jetzt lebt er in München und verdient sein Geld damit, Flugtickets nach Kroatien zu verkaufen, was aus seiner Sicht immer noch besser ist, als im rückschrittlichen Bulgarien zu leben.
Als sich seine deutsche Frau Chris beim Joggen das Bein bricht, verzichtet sie auf eine Behandlung im überfüllten kroatischen Krankenhaus und fliegt kurzerhand zurück nach Deutschland. Emtcho folgt ihr bald. Assia verbringt vier weitere Wochen allein auf Krk.

Ermutigungsgeschichte für Frauen

So, aber auch ganz anders ließe sich der Plot des Romans zusammenfassen. "Crash Island" ist auch eine Liebeserklärung an die Insel Krk, eine Studie der Vorurteile und Berührungsängste zwischen Ost und West, eine Ermutigungsgeschichte für Frauen.
Ina Vultchanova zeichnet wie nebenbei eine Landkarte unterschiedlicher Lebensentwürfe, die auf der Insel Krk aufeinanderprallen. Dazwischen geht es immer wieder zurück zu Radost in Sofia, die gelernt hat, mit sich allein gut klarzukommen.
Leichtfüßig erzählt der Roman von Sehnsüchten und zerplatzten Träumen, von kompromissreichen Beziehungen zwischen aktuellen und ehemaligen Lebenspartnern, zwischen Kindern und ihren Eltern, zwischen Menschen, die einander zufällig begegnen. Den anderen ganz zu verstehen, scheint ein Ding der Unmöglichkeit.

Crash bleibt aus

Der Roman beweist es eindrücklich: Ina Vultchanova kennt sich als Radio-Journalistin, Dramaturgin und Hörspielautorin virtuos mit der gesprochenen Sprache aus. Die Komplexität und feine Nuancierung ihrer Figuren spiegelt sich kongenial in der Art und Weise, wie sie denken und sprechen.
Am Ende des Romans fühlt man sich den beiden Protagonistinnen geradezu freundschaftlich verbunden. Der von den Sternen angekündigte Crash bleibt aus. Aber dieses kluge und lebensweise Buch hält am Ende dennoch einen Schluss mit Ausrufezeichen bereit.

Ina Vultchanova: "Crash Island"
Aus dem Bulgarischen übersetzt von Elvira Bormann-Nassonowa
Eta Verlag Berlin, 2020
234 Seiten für 15,90 Euro

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