"In vielen, vielen Fällen wird dort eben im Affekt gehandelt"
Moderation: Stephan Karkowsky · 31.05.2013
Sportfilmer Aljoscha Pause hat drei Profitrainer eine Saison lang durch Höhen und Tiefen begleitet. Ihre Leistung müsse eigentlich sachlicher – und damit fairer - beurteilt werden, als das die Fans, die Medien, aber auch die Vereinsmanager oft täten, meint er. Schließlich gehe es hier auch um das Schicksal eines Menschen.
Stephan Karkowsky: Morgen ist Fußballtag. Das DFB-Pokalfinale Bayern gegen Stuttgart steht an und damit auch das Trainerduell Jupp Heynckes gegen Bruno Labbadia. Fußballtrainer stehen auch im Mittelpunkt des neuen Dokumentarfilms von Aljoscha Pause. Guten Tag, Herr Pause!
Aljoscha Pause: Ja, guten Tag, grüße Sie!
Karkowsky: Sie sind Sportfilmer, Sie haben für Ihre Filmstudien über Homosexualität einen Grimme-Preis bekommen und machen nun also einen Film über Trainer. Warum, weil es ein Traumberuf ist?
Pause: In erster Linie deshalb, weil ich mich schon sehr lange in diesem Bereich Film, Fußball, Fernsehen bewege und mich eigentlich immer dieser Job fasziniert hat. Und diese Person des Trainers, die emotional so dermaßen im Mittelpunkt steht und nicht zuletzt auch im Beurteilungsfokus, wenn man so will, der Massen, der Medien, die unheimlich viel über sich ergehen lassen muss, wo es eigentlich immer nur Held oder Depp gibt, wenn man so will. Und ich habe mich in meinem letzten abendfüllenden Dokumentarfilm ja eher so mit den Innen- und Außenwelten eines Profispielers befasst und jetzt stand für mich der Trainer einfach mal an. Es gibt, glaube ich, kaum eine Berufsgruppe in Deutschland, die so massiv beurteilt wird und die so stark auch in der Kritik, auf der Bühne steht. Dem wollte ich mich einfach mal filmisch auf eine ein wenig andere Weise nähern, als das die klassischen Medien tun, sondern auch in Form eines klassischen Dokumentarfilms, um das Ganze mal ein bisschen auch aus Sicht der Trainer zu erzählen, was passiert dort eigentlich mit einem?
Karkowsky: Aber damit deuten Sie ja auch schon das Problem an, denn wenn Fußballtrainer ständig von der Öffentlichkeit beurteilt werden, dann haben sie natürlich auch gelernt, im Reden mit der Öffentlichkeit bestimmte Dinge nicht zu sagen. Wie ist es Ihnen da ergangen?
Pause: Natürlich bin ich an der ein oder anderen Stelle auch mit diesen klassischen Weglassungen oder Auslassungen konfrontiert worden. Allerdings muss man sagen, ich habe mich ja im Vorfeld sehr intensiv mit den Herren auch befasst und sie auch ins Boot geholt und habe ihnen sehr deutlich klar gemacht, was das für ein Projekt ist. Dass es hier gar nicht unbedingt darum geht zu bewerten, wie sie es eigentlich aus den Medien gewöhnt sind, sondern einfach mal zu zeigen. Und da ist von Anfang an eigentlich so eine Vertrauensbasis entstanden, die dazu geführt hat, dass die beteiligten Trainer wirklich sehr, sehr offen in ihr Seelenleben Einblick nehmen lassen und einfach auch mal Dinge erzählen, die vielleicht, sagen wir mal, politisch, mediensportpolitisch sonst nicht unbedingt an der Tagesordnung wären. Und das macht diesen Blick eigentlich sehr interessant und auch lässt ihn ein bisschen anders erscheinen, glaube ich, als das, was man normalerweise im Fernsehen sieht.
Karkowsky: Hätten Sie da mal ein Beispiel? Weil es hält sich ja das hartnäckige Vorurteil, Fußballer haben gar nichts Interessantes zu sagen, und Trainer eigentlich auch nicht!
Pause: Ja, das Beispiel wäre beispielsweise, dass einer der drei Trainer, die ich so ganz intensiv begleitet habe, André Schubert vom FC St. Pauli, der sehr, sehr in der Saison – ich habe die drei über eine ganze Saison begleitet –, sehr früh schon nach dem siebten Spieltag dort entlassen worden ist und der uns trotz dieser Situation und dieses Momentes, wo ein Trainer normalerweise öffentlich abtaucht, das heißt, der einfach auch medial dann nicht mehr abgebildet wird und mit seiner Gefühlswelt, mit seinem Erleben einfach dann nicht mehr existent ist, der hat uns trotz seiner Befindlichkeiten in dem Moment eben noch sehr intensiv daran teilhaben lassen und hat uns dann auch in den folgenden Wochen und Monaten noch sehr genau geschildert, was eigentlich das Ganze mit ihm gemacht hat, mental auch insbesondere, und wie lange er im Grunde gebraucht hat, um wieder auf die Beine zu kommen. Nämlich mehrere Monate, nachdem er dann Ende September entlassen worden war, war er eigentlich erst im Frühjahr wieder, wenn man so will, auch mental übrigens wieder hergestellt.
Karkowsky: Weil er als Versager gebrandmarkt wurde und das nicht so schnell wegstecken konnte?
Pause: Zweierlei. Also, ich denke, so eine Entlassung ist immer im Fußballbereich auch eine öffentliche Entlassung. Michael Oenning nennt das im Film ja fast eine öffentliche Hinrichtung, wo es immer dann nur um den Kopf des Trainers geht, um einen Schuldigen zu finden, lediglich ein Teilaspekt davon. Der andere ist der in diesem Fall zum Beispiel von André Schubert. Ich denke, das kommt auch im Film zur Sprache, diese Trainer, die sind einfach von einem unglaublichen Ehrgeiz und einer Hingabe geprägt, sonst können sie dort gar nicht bestehen, an dieser Stelle, die sie auch 70, 80, 90 Stunden die Woche arbeiten lassen, die sie ihren Job mit in die Träume nehmen lassen. Und dieser André Schubert war einfach nach zehn Jahren an vorderster Front einfach erschöpft!
Karkowsky: Sie hören den Dokumentarfilmer Aljoscha Pause über seinen neuen Film "Trainer!". Herr Pause, wollen Sie denn in diesem Film eigentlich so eine Botschaft mitbringen, so was wie: Fußballtrainer sind auch nur Menschen, bitte behandelt sie auch so?
Pause: Ich muss schon sagen, ich bin nicht mit einer pädagogischen Botschaft angetreten. Sondern mir war es wichtig, die Perspektive zu verändern und mal wirklich eine ganz andere Nähe herzustellen.
Karkowsky: Aber wenn da so Schlagzeilen sind wie "Der Verein hat völlig versagt, so schwach war die Mannschaft noch nie", ist das nicht ein Urteil, was dann auch die meisten, die dieses Spiel gesehen haben, teilen? Das ist doch dann nicht ungerecht. Das mag hart sein, aber fair!
Pause: Das würde ich nicht so sehen. Also, das kann im Einzelfall stimmen, aber nehmen Sie das Beispiel mit Joachim Löw, dem Bundestrainer nach dem Europameisterschaft-Aus der deutschen Mannschaft im vergangenen Sommer, im Halbfinale der EM, wohl gemerkt: Da war es so, dass möglicherweise das geteilt worden ist, weil emotional die Lage im Land oder derer, die das Spiel verfolgt haben, in etwa ähnlich war. Aber das heißt ja nicht, dass es nicht trotzdem unsachlich war. Weil wirklich, fachlich, sachlich – und darum geht es auch ein bisschen in dem Film – das beurteilen, was der Mann dort beruflich getan hat, können ja die Allerwenigsten.
Karkowsky: Aber Sachlichkeit einfordern in einer Sportart, in der es vor allem um Emotionen geht, ist das richtig?
Pause: Da bin ich jetzt ein bisschen überfragt. Also, grundsätzlich kann man, glaube ich, immer dann, wenn Menschen wirken und arbeiten in ihrem Berufsfeld, kann man das sicherlich einfordern. Insbesondere, wenn dann aufgrund einer Emotionalität, die reingebracht wird, es tatsächlich auch, ich sage mal, menschliche Opfer gibt. Und insofern, würde ich sagen, ist Sachlichkeit da grundsätzlich immer die Grundlage.
Karkowsky: Sie haben ein paar Erstligatrainer auch dabei, sonst sehen wir vor allen Dingen Zweit- und Drittligatrainer. Aber die Erstligatrainer haben vor allem im Interview ihre Meinung abgegeben, auch Thomas Schaaf ist da im Film zu sehen, der 14 Jahre Trainer war bei Werder Bremen und erst vor Kurzem gefeuert wurde. Was meinen Sie, nach allem, was Sie jetzt recherchiert haben, warum ist so viel Kontinuität die Ausnahme im Trainerberuf?
Pause: Letztlich läuft es, wie gesagt, immer sehr, sehr stark auf dieses Emotionale hinaus, das ist das eine. Und wo Emotionalität ist, wird natürlich auch manchmal im Affekt gehandelt. Zum anderen – das bringt, glaube ich, auch Jürgen Klopp im Film sehr, sehr gut auf den Punkt – ist es leider Gottes so, das ist auch ein Stück weit branchenimmanent, dass die Menschen, die letztlich die Entscheidungen treffen, relativ wenig Ahnung von diesem Spiel haben. Und das ist natürlich schon eine Grundproblematik, das muss man ganz klar so sehen. Da sind oftmals eben nicht die ganz charakterstarken Typen, die hoch professionell an diese Sache herangehen. Die kommen natürlich professionalisiert aus ihrem ganz eigenen Bereich …
Karkowsky: Im Management.
Pause: Genau, im Management. Das sind möglicherweise auch Leute, die in der freien Wirtschaft ihren Erfolg hatten, kommen oftmals fachfremd durch eigene Interessen, politische Interessen oder auch einfach durch ihr Geld in verantwortliche Positionen im Fußball und sind dann in Situationen, wo sie auch medial … Natürlich, es sind ja immer Krisensituationen, wo sie auch schon medial in die Ecke gedrängt werden, angegangen werden, möglicherweise auch schon als Vereinsverantwortliche, eben auch schon dann von den Medien beurteilt werden, kommen dann in Situationen, wo sie sich zum Handeln gezwungen sehen und letztlich den Trainer, wenn Sie so wollen, opfern. Das kann man natürlich auch nicht generalisieren! Also, in einigen Fällen - ich denke, das bringt der Film auch zum Ausdruck – ist es natürlich schon auch so, dass dort ganz klar dann auch Fehlerbilder ausgemacht werden, dass festgestellt wird, da stimmt tatsächlich etwas zwischen Trainer und Mannschaft nicht mehr. Ist ja vollkommen klar. Nur, in vielen, vielen Fällen wird dort eben im Affekt gehandelt. Und das ist ein großes Problem letztendlich.
Karkowsky: Dann wird das Management zum Karussellschubser im Trainerkarussell, und André Schubert von St. Pauli ist ja nicht der Einzige, der fliegt im Film, auch Stephan Schmidt fliegt raus. Wie viele von den Trainern, die Sie zeigen, sind denn eigentlich noch in ihren Jobs, und wie viele sind gerade arbeitslos? Der Film ist ja erst vor einem halben Jahr abgedreht worden.
Pause: Der Film ist jetzt gerade eigentlich … Die letzten Drehs waren vor wenigen Wochen. De facto ist es so, dass ich ja drei Trainer intensiv begleitet habe, von diesen drei sind in dieser Saison zwei entlassen worden, also zwei Drittel. Und das entspricht exakt auch dem statistischen Grundwert, den wir dieses Jahr in der zweiten Liga beispielsweise haben. Also, es sind wirklich zwei Drittel der leitenden Angestellten in der laufenden Saison entlassen worden, was schon eine ganze Menge ist.
Karkowsky: Die große Frage für Fußballlaien – und das soll auch meine letzte an Sie sein – ist ja immer: Wie wichtig ist der Trainer denn eigentlich wirklich für den Erfolg einer Mannschaft? Denn auf dem Platz sieht man immer nur die Spieler. Können Sie denn nach diesen Recherchen diese Frage beantworten?
Pause: Ich glaube, schon, ja. Also, das ist im Grunde ein Licht, was mir am allerdeutlichsten noch mal aufgegangen ist, also dass es eben gar nicht so sehr geht, was an Inhalten auf dem Trainingsplatz beispielsweise vermittelt wird, denn die Übungen, die können Sie oder ich letztlich auch aus irgendwelchen Büchern, Fachbüchern nehmen. Darum geht es nicht, sondern es geht tatsächlich, glaube ich, darum, wie der Trainer in der Lage ist, in die Köpfe der Spieler vorzudringen, den Glauben an die eigene Stärke zu erwecken, Begeisterung erwecken.
Die Chemie und die Gruppendynamik in einer Mannschaft, in dieser Gruppe aufrechtzuerhalten, für eine Entkrampfung zu sorgen. Man darf nicht vergessen, dass da ganz junge Leute Wochenende für Wochenende vor teilweise 80.000 im Stadion, vor Millionen an den Bildschirmen wirklich ihr Allerbestes, feinkoordinativ ihr Allerbestes ablaufen lassen müssen. Jürgen Klopp beschreibt das in dem Film ganz schön, als er sagt: Versuchen Sie doch mal, wenn Sie normalerweise mit Ihrem Tennispartner sonntagmorgens Tennis spielen, wir können den Platz ja mal im Signal Iduna Park vor 80.000 Menschen aufbauen und schauen, wie Sie dann noch in der Lage sind, das alles ablaufen zu lassen. Also, de facto wirklich auch diese mentale Stärkung und Entkrampfung der Spieler herbeizuführen, das ist, glaube ich, elementar und weitaus mehr als die halbe Miete heutzutage im Fußball.
Karkowsky: Aljoscha Pause, Ihnen besten Dank! Sein Dokumentarfilm heißt "Trainer!". Sehen können Sie ihn Montagabend, 22:45 Uhr im WDR.
Pause: Sehr gerne, danke schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Aljoscha Pause: Ja, guten Tag, grüße Sie!
Karkowsky: Sie sind Sportfilmer, Sie haben für Ihre Filmstudien über Homosexualität einen Grimme-Preis bekommen und machen nun also einen Film über Trainer. Warum, weil es ein Traumberuf ist?
Pause: In erster Linie deshalb, weil ich mich schon sehr lange in diesem Bereich Film, Fußball, Fernsehen bewege und mich eigentlich immer dieser Job fasziniert hat. Und diese Person des Trainers, die emotional so dermaßen im Mittelpunkt steht und nicht zuletzt auch im Beurteilungsfokus, wenn man so will, der Massen, der Medien, die unheimlich viel über sich ergehen lassen muss, wo es eigentlich immer nur Held oder Depp gibt, wenn man so will. Und ich habe mich in meinem letzten abendfüllenden Dokumentarfilm ja eher so mit den Innen- und Außenwelten eines Profispielers befasst und jetzt stand für mich der Trainer einfach mal an. Es gibt, glaube ich, kaum eine Berufsgruppe in Deutschland, die so massiv beurteilt wird und die so stark auch in der Kritik, auf der Bühne steht. Dem wollte ich mich einfach mal filmisch auf eine ein wenig andere Weise nähern, als das die klassischen Medien tun, sondern auch in Form eines klassischen Dokumentarfilms, um das Ganze mal ein bisschen auch aus Sicht der Trainer zu erzählen, was passiert dort eigentlich mit einem?
Karkowsky: Aber damit deuten Sie ja auch schon das Problem an, denn wenn Fußballtrainer ständig von der Öffentlichkeit beurteilt werden, dann haben sie natürlich auch gelernt, im Reden mit der Öffentlichkeit bestimmte Dinge nicht zu sagen. Wie ist es Ihnen da ergangen?
Pause: Natürlich bin ich an der ein oder anderen Stelle auch mit diesen klassischen Weglassungen oder Auslassungen konfrontiert worden. Allerdings muss man sagen, ich habe mich ja im Vorfeld sehr intensiv mit den Herren auch befasst und sie auch ins Boot geholt und habe ihnen sehr deutlich klar gemacht, was das für ein Projekt ist. Dass es hier gar nicht unbedingt darum geht zu bewerten, wie sie es eigentlich aus den Medien gewöhnt sind, sondern einfach mal zu zeigen. Und da ist von Anfang an eigentlich so eine Vertrauensbasis entstanden, die dazu geführt hat, dass die beteiligten Trainer wirklich sehr, sehr offen in ihr Seelenleben Einblick nehmen lassen und einfach auch mal Dinge erzählen, die vielleicht, sagen wir mal, politisch, mediensportpolitisch sonst nicht unbedingt an der Tagesordnung wären. Und das macht diesen Blick eigentlich sehr interessant und auch lässt ihn ein bisschen anders erscheinen, glaube ich, als das, was man normalerweise im Fernsehen sieht.
Karkowsky: Hätten Sie da mal ein Beispiel? Weil es hält sich ja das hartnäckige Vorurteil, Fußballer haben gar nichts Interessantes zu sagen, und Trainer eigentlich auch nicht!
Pause: Ja, das Beispiel wäre beispielsweise, dass einer der drei Trainer, die ich so ganz intensiv begleitet habe, André Schubert vom FC St. Pauli, der sehr, sehr in der Saison – ich habe die drei über eine ganze Saison begleitet –, sehr früh schon nach dem siebten Spieltag dort entlassen worden ist und der uns trotz dieser Situation und dieses Momentes, wo ein Trainer normalerweise öffentlich abtaucht, das heißt, der einfach auch medial dann nicht mehr abgebildet wird und mit seiner Gefühlswelt, mit seinem Erleben einfach dann nicht mehr existent ist, der hat uns trotz seiner Befindlichkeiten in dem Moment eben noch sehr intensiv daran teilhaben lassen und hat uns dann auch in den folgenden Wochen und Monaten noch sehr genau geschildert, was eigentlich das Ganze mit ihm gemacht hat, mental auch insbesondere, und wie lange er im Grunde gebraucht hat, um wieder auf die Beine zu kommen. Nämlich mehrere Monate, nachdem er dann Ende September entlassen worden war, war er eigentlich erst im Frühjahr wieder, wenn man so will, auch mental übrigens wieder hergestellt.
Karkowsky: Weil er als Versager gebrandmarkt wurde und das nicht so schnell wegstecken konnte?
Pause: Zweierlei. Also, ich denke, so eine Entlassung ist immer im Fußballbereich auch eine öffentliche Entlassung. Michael Oenning nennt das im Film ja fast eine öffentliche Hinrichtung, wo es immer dann nur um den Kopf des Trainers geht, um einen Schuldigen zu finden, lediglich ein Teilaspekt davon. Der andere ist der in diesem Fall zum Beispiel von André Schubert. Ich denke, das kommt auch im Film zur Sprache, diese Trainer, die sind einfach von einem unglaublichen Ehrgeiz und einer Hingabe geprägt, sonst können sie dort gar nicht bestehen, an dieser Stelle, die sie auch 70, 80, 90 Stunden die Woche arbeiten lassen, die sie ihren Job mit in die Träume nehmen lassen. Und dieser André Schubert war einfach nach zehn Jahren an vorderster Front einfach erschöpft!
Karkowsky: Sie hören den Dokumentarfilmer Aljoscha Pause über seinen neuen Film "Trainer!". Herr Pause, wollen Sie denn in diesem Film eigentlich so eine Botschaft mitbringen, so was wie: Fußballtrainer sind auch nur Menschen, bitte behandelt sie auch so?
Pause: Ich muss schon sagen, ich bin nicht mit einer pädagogischen Botschaft angetreten. Sondern mir war es wichtig, die Perspektive zu verändern und mal wirklich eine ganz andere Nähe herzustellen.
Karkowsky: Aber wenn da so Schlagzeilen sind wie "Der Verein hat völlig versagt, so schwach war die Mannschaft noch nie", ist das nicht ein Urteil, was dann auch die meisten, die dieses Spiel gesehen haben, teilen? Das ist doch dann nicht ungerecht. Das mag hart sein, aber fair!
Pause: Das würde ich nicht so sehen. Also, das kann im Einzelfall stimmen, aber nehmen Sie das Beispiel mit Joachim Löw, dem Bundestrainer nach dem Europameisterschaft-Aus der deutschen Mannschaft im vergangenen Sommer, im Halbfinale der EM, wohl gemerkt: Da war es so, dass möglicherweise das geteilt worden ist, weil emotional die Lage im Land oder derer, die das Spiel verfolgt haben, in etwa ähnlich war. Aber das heißt ja nicht, dass es nicht trotzdem unsachlich war. Weil wirklich, fachlich, sachlich – und darum geht es auch ein bisschen in dem Film – das beurteilen, was der Mann dort beruflich getan hat, können ja die Allerwenigsten.
Karkowsky: Aber Sachlichkeit einfordern in einer Sportart, in der es vor allem um Emotionen geht, ist das richtig?
Pause: Da bin ich jetzt ein bisschen überfragt. Also, grundsätzlich kann man, glaube ich, immer dann, wenn Menschen wirken und arbeiten in ihrem Berufsfeld, kann man das sicherlich einfordern. Insbesondere, wenn dann aufgrund einer Emotionalität, die reingebracht wird, es tatsächlich auch, ich sage mal, menschliche Opfer gibt. Und insofern, würde ich sagen, ist Sachlichkeit da grundsätzlich immer die Grundlage.
Karkowsky: Sie haben ein paar Erstligatrainer auch dabei, sonst sehen wir vor allen Dingen Zweit- und Drittligatrainer. Aber die Erstligatrainer haben vor allem im Interview ihre Meinung abgegeben, auch Thomas Schaaf ist da im Film zu sehen, der 14 Jahre Trainer war bei Werder Bremen und erst vor Kurzem gefeuert wurde. Was meinen Sie, nach allem, was Sie jetzt recherchiert haben, warum ist so viel Kontinuität die Ausnahme im Trainerberuf?
Pause: Letztlich läuft es, wie gesagt, immer sehr, sehr stark auf dieses Emotionale hinaus, das ist das eine. Und wo Emotionalität ist, wird natürlich auch manchmal im Affekt gehandelt. Zum anderen – das bringt, glaube ich, auch Jürgen Klopp im Film sehr, sehr gut auf den Punkt – ist es leider Gottes so, das ist auch ein Stück weit branchenimmanent, dass die Menschen, die letztlich die Entscheidungen treffen, relativ wenig Ahnung von diesem Spiel haben. Und das ist natürlich schon eine Grundproblematik, das muss man ganz klar so sehen. Da sind oftmals eben nicht die ganz charakterstarken Typen, die hoch professionell an diese Sache herangehen. Die kommen natürlich professionalisiert aus ihrem ganz eigenen Bereich …
Karkowsky: Im Management.
Pause: Genau, im Management. Das sind möglicherweise auch Leute, die in der freien Wirtschaft ihren Erfolg hatten, kommen oftmals fachfremd durch eigene Interessen, politische Interessen oder auch einfach durch ihr Geld in verantwortliche Positionen im Fußball und sind dann in Situationen, wo sie auch medial … Natürlich, es sind ja immer Krisensituationen, wo sie auch schon medial in die Ecke gedrängt werden, angegangen werden, möglicherweise auch schon als Vereinsverantwortliche, eben auch schon dann von den Medien beurteilt werden, kommen dann in Situationen, wo sie sich zum Handeln gezwungen sehen und letztlich den Trainer, wenn Sie so wollen, opfern. Das kann man natürlich auch nicht generalisieren! Also, in einigen Fällen - ich denke, das bringt der Film auch zum Ausdruck – ist es natürlich schon auch so, dass dort ganz klar dann auch Fehlerbilder ausgemacht werden, dass festgestellt wird, da stimmt tatsächlich etwas zwischen Trainer und Mannschaft nicht mehr. Ist ja vollkommen klar. Nur, in vielen, vielen Fällen wird dort eben im Affekt gehandelt. Und das ist ein großes Problem letztendlich.
Karkowsky: Dann wird das Management zum Karussellschubser im Trainerkarussell, und André Schubert von St. Pauli ist ja nicht der Einzige, der fliegt im Film, auch Stephan Schmidt fliegt raus. Wie viele von den Trainern, die Sie zeigen, sind denn eigentlich noch in ihren Jobs, und wie viele sind gerade arbeitslos? Der Film ist ja erst vor einem halben Jahr abgedreht worden.
Pause: Der Film ist jetzt gerade eigentlich … Die letzten Drehs waren vor wenigen Wochen. De facto ist es so, dass ich ja drei Trainer intensiv begleitet habe, von diesen drei sind in dieser Saison zwei entlassen worden, also zwei Drittel. Und das entspricht exakt auch dem statistischen Grundwert, den wir dieses Jahr in der zweiten Liga beispielsweise haben. Also, es sind wirklich zwei Drittel der leitenden Angestellten in der laufenden Saison entlassen worden, was schon eine ganze Menge ist.
Karkowsky: Die große Frage für Fußballlaien – und das soll auch meine letzte an Sie sein – ist ja immer: Wie wichtig ist der Trainer denn eigentlich wirklich für den Erfolg einer Mannschaft? Denn auf dem Platz sieht man immer nur die Spieler. Können Sie denn nach diesen Recherchen diese Frage beantworten?
Pause: Ich glaube, schon, ja. Also, das ist im Grunde ein Licht, was mir am allerdeutlichsten noch mal aufgegangen ist, also dass es eben gar nicht so sehr geht, was an Inhalten auf dem Trainingsplatz beispielsweise vermittelt wird, denn die Übungen, die können Sie oder ich letztlich auch aus irgendwelchen Büchern, Fachbüchern nehmen. Darum geht es nicht, sondern es geht tatsächlich, glaube ich, darum, wie der Trainer in der Lage ist, in die Köpfe der Spieler vorzudringen, den Glauben an die eigene Stärke zu erwecken, Begeisterung erwecken.
Die Chemie und die Gruppendynamik in einer Mannschaft, in dieser Gruppe aufrechtzuerhalten, für eine Entkrampfung zu sorgen. Man darf nicht vergessen, dass da ganz junge Leute Wochenende für Wochenende vor teilweise 80.000 im Stadion, vor Millionen an den Bildschirmen wirklich ihr Allerbestes, feinkoordinativ ihr Allerbestes ablaufen lassen müssen. Jürgen Klopp beschreibt das in dem Film ganz schön, als er sagt: Versuchen Sie doch mal, wenn Sie normalerweise mit Ihrem Tennispartner sonntagmorgens Tennis spielen, wir können den Platz ja mal im Signal Iduna Park vor 80.000 Menschen aufbauen und schauen, wie Sie dann noch in der Lage sind, das alles ablaufen zu lassen. Also, de facto wirklich auch diese mentale Stärkung und Entkrampfung der Spieler herbeizuführen, das ist, glaube ich, elementar und weitaus mehr als die halbe Miete heutzutage im Fußball.
Karkowsky: Aljoscha Pause, Ihnen besten Dank! Sein Dokumentarfilm heißt "Trainer!". Sehen können Sie ihn Montagabend, 22:45 Uhr im WDR.
Pause: Sehr gerne, danke schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.