In Quarantäne in Peru

Wie deutsche Urlauber auf die Heimkehr warten

06:10 Minuten
Ein Soldat mit Atemmaske beäugt in Lima Menschen, die einen Supermarkt betreten wollen. In Peru wurde wegen der Corona-Pandemie der Katastrophenfall ausgerufen.
In der peruanischen Hauptstadt Lima ist vor den Supermärkten das Militär im Einsatz. Wegen der Corona-Pandemie wurde landesweit der Katastrophenfall ausgerufen. © Getty Images / LightRocket / SOPA Images / Sergi Rugrand
Von Kolja Unger · 28.03.2020
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Viele Deutsche im Ausland wurden bereits zurückgeholt, vor allem aus den beliebten Urlaubsländern. Die Eltern unseres Mitarbeiters Kolja Unger hängen in Peru fest. Auch sie möchten gerne zurück nach Hause, aber so einfach ist das nicht. Ein persönlicher Bericht.
Vor einer neutralen Wand tanzen ein Dutzend Menschen unterschiedlicher Nationalität immer wieder durchs Bild. Sie tragen alle einen Mundschutz und halten selbstgeschriebene Schilder hoch, mit denen sie in ihren Landessprachen ihre Regierungen auffordern, sie zurückzuholen. Zwei davon sind meine Eltern, Bernd Dürholt und Katja Unger, beides Ärzte aus Norddeutschland. Seit etwa zwei Wochen sind sie in einem Hotel im peruanischen Cusco gestrandet. Mit guter Internetverbindung, so dass wir über Video- und Sprachnachrichten in Kontakt bleiben können.
"Man hört nachts viel Sirenengeheul und fragt sich dann natürlich, was los ist. In unserem Hotel ist es allerdings recht friedlich", berichtet mir meine Mutter. "In anderen Hotels haben wir gehört, gab es Kontrollen, sind Polizisten gekommen, sind Tests durchgeführt worden."

Drastische Schutzmaßnahmen in Peru

Ein Problem, das die Rückholung meiner Eltern deutlich erschwert, sind die drastischen peruanischen Schutzmaßnahmen. Die Flughäfen und der Nahverkehr sind außer Betrieb. Was es den beiden unmöglich macht, einen noch offenen Flughafen zu erreichen. Nachts gibt es strikte Ausgangssperren. Tagsüber darf man sich nur allein auf den Weg zu einem Geldautomaten, Supermarkt oder einer Apotheke machen.
So geht meine Mutter auch nur noch selten überhaupt raus: "Die Kontrollen nehmen langsam zu. Die Leute auf den Straßen werden auch nervöser. Was auch unangenehm ist, dass die Leute vor uns Angst haben. Wir sind jetzt seit über vier Wochen in Südamerika, dennoch haben die Peruaner das Gefühl, wir sind die Gefährlichen. Und das merkt man, wenn man über die Straße geht und die Peruaner einen Bogen um einen machen und sehr, sehr, sehr zurückhaltend sind."
Eine weiße ältere Frau in einem blumigen Sommerkleid läuft mit Mundschutz durch den Patio ihres Hotels.
Gefangen im Paradies: Für viele Deutsche wird der Urlaub gerade ungewollt und unabsehbar verlängert© Bernd Dürholt
Die in Peru um sich greifende Angst trotz noch verhältnismäßig geringer Infektionszahlen, wirkt auf meine Eltern beengend. Mein Vater kann allerdings auch das harsche Vorgehen verstehen. "Ein Gesundheitssystem wie in Peru kann eine Epidemie nicht einmal ansatzweise wie wir in Europa bewältigen."

Warten auf Hilfe der Botschaft

Durchaus weniger verständnisvoll ist er bei der Bewertung der Bemühungen deutscher Behörden, Rückholflüge aus Peru zu organisieren.
Zuerst war Peru noch auf der Prioritätenliste des Auswärtigen Amts und meine Eltern dachten sich "Ach super, Rückholaktion" und "Ey, wir sind hier bald weg" – heiß beneidet von Briten, Italienern, Spaniern, deren Botschaft überhaupt keine Hilfe angeboten hat.
Sie haben sich auf eine Rückholliste eingetragen und warteten auf einen Bescheid. Nach acht Tagen wurde jedoch nur ein Flug aus dem für sie nunmehr unerreichbaren Lima angeboten. Immer noch sitzen sie – so wie schätzungsweise zwei- bis viertausend andere Deutsche – in Peru fest.
"Ein skurriler internationaler Wettbewerb der Unfähigkeit und Machtlosigkeit", so nennt es mein Vater zynisch.

Gelebte Leidensgemeinschaft

Was den beiden jetzt Halt gibt, ist die Gemeinschaft mit ihren Leidensgenossen im Hotel: "Es gibt immer wieder Gesprächsrunden, es gibt Spieleabende", berichtet meine Mutter. "Und seit ein paar Tagen bietet die Krankenschwester aus London hier einmal am Tag eine Yogastunde an, was für viele von uns ein ziemliches Event ist. Alle machen mit."
Die Yoga-Stunden helfen, den Tag zu strukturieren und das Warten zu ertragen. Andererseits führen sich meine Eltern auf ihren kurzen Spaziergängen durch Cusco und im Austausch mit den Mitarbeitenden des Hotels auch täglich vor Augen, wie privilegiert sie in dieser globalen Krise sind.
"Dass wir hier in diesem Hotel sitzen, wir haben genug zu essen, wir kriegen zu Hause sogar unseren Lohn fortgezahlt, weil wir in Quarantäne sind – und sehen die Leute hier, die ganz anders die Auswirkungen zu spüren kriegen. Man ist trotzdem verzweifelt und hat Angst und auf der anderen Seite, weiß man, wie gut es einem geht."