In Metz entsteht ein zweites Centre Pompidou

Von Kathrin Hondl · 17.05.2009
Eine kulturpolitische Premiere in Frankreich wirft ihre Schatten voraus: Das berühmte Pariser Kulturzentrum wird mit dem Centre Pompidou-Metz einen Ableger in der Provinz eröffnen. Das Gebäude ist zwar noch eine Baustelle, doch das Mutterhaus gibt schon jetzt einen Vorgeschmack darauf, was da demnächst kommen wird.
Der Weg zum Centre Pompidou-Metz führt durch Matsch und Pfützen. Noch ist es nur mit Gummistiefeln, Helm und Sicherheitsweste zu besichtigen. Gründungsdirektor Laurent Le Bon begrüßt seine Gäste auf einer Baustelle:

"Willkommen im Centre Pompidou-Metz. In einem Jahr ungefähr hoffen wir, hier durch eine Tür reinzugehen und das Gebäude einzuweihen."

Das genaue Eröffnungsdatum steht allerdings noch in den Sternen und insofern passt es, dass das Centre Pompidou für seine Vorabpräsentation in Metz den Titel "Constellation" gewählt hat. Sternbild also. So wie Trailer im Kino schon Monate vorher Filme bewerben, wirbt das Centre Pompidou also jetzt in Metz und Umgebung für sein künftiges Programm. Und das besteht im Wesentlichen darin, in Metz Werke zu zeigen aus der Sammlung des Centre Pompidou, einer der weltweit wichtigsten und größten Sammlungen moderner und zeitgenössischer Kunst.

"Unsere Sammlung umfasst 70. 000 Werke, von denen wir in Paris nur 1000 zeigen können. Wir werden aber speziell für Metz konzipierte Ausstellungen machen."

Wer nun die Stirn runzelt und sich fragt, ob das Centre Pompidou in Metz womöglich zweitrangige Magazin-Bestände oder andere Pariser Ladenhüter zeigen will, wird schon am Bahnhof eines Besseren belehrt. Ein monumentales Werk von Jean Tinguely steht da wirkungsvoll platziert in der "salle de la chope", dem ehemaligen Restaurantsaal des 1908 erbauten Bahnhofs: "L'enfer, un petit début" heisst Tinguelys riesige Höllenmaschine, zusammengesetzt aus über dreißig mobilen Skulpturen aus Schrottteilen, Blech, Draht, Fundstücken aller Art.

Ein paar hundert Meter weiter, in einem Kirchengebäude in der Innenstadt, surrt der Projektor von Anthony McCalls legendärer Filmskulptur "Line describing a cone" aus dem Jahr 1973: Das allmähliche Entstehen eines Kreises wird in einem vernebelten Raum an die Wand projiziert, der Lichtkegel des Projektors verdichtet sich im Nebel zu einer plastischen Form.

Doch nicht nur solche kunsthistorischen Klassiker hat das Centre Pompidou nach Metz gebracht. In einer anderen Kirche, der "Eglise des Trinitaires" ist eine wunderbare Skulptur von Anish Kapoor zu sehen, die das Centre Pompidou erst letzten Herbst gekauft hat. Eine purpurfarbene sphärenartige Plastik, in der sich die Betrachter ganz eigentümlich spiegeln.

Auch in alteingesessenen Museen, Kunstzentren und Galerien von Metz und Umgebung hat das Centre Pompidou Ausstellungen koproduziert. So zeigt zum Beispiel "Faux Mouvement", ein kleiner privater Kunstverein eine Installation des jungen französischen Künstlers Vincent Lamouroux, die im Herbst im Pariser Centre Pompidou zu sehen sein wird.

Wie die meisten in Metz hofft Maryse Jeanguyot nun auf einen "Bilbao-Effekt", von dem auch ihr kleiner Kunstverein profitieren wird: Dass das Centre Pompidou-Metz als neuer Kulturleuchtturm - wie das Guggenheim-Museum in Bilbao - das Image der Stadt aufpolieren und neue Besucher anlocken wird. Laurent Le Bon setzt da besonders auf die deutschen Nachbarn:

"Wir hoffen, dass unsere deutschen Freunde das Hauptpublikum des Centre Pompidou-Metz sein werden, neben den Lothringern. Wir haben uns in Karlsruhe, Saarbrücken und Trier vorgestellt und gemerkt: Die Deutschen haben Lust, zu uns zu kommen ..."

... und hatten sich - wie alle anderen auch - auf eine Museumseröffnung bereits in diesem Frühjahr gefreut.

Von der Grundsteinlegung bis zur voraussichtlichen Fertigstellung des Baus diesen Herbst seien schließlich nur drei Jahre vergangen, betont Laurent Le Bon. Er bereitet jetzt die große Eröffnungsausstellung vor - "Meisterwerke?" soll sie heißen - Meisterwerke mit einem Fragezeichen:

"Es geht um die Frage, ob dieser Begriff noch sinnvoll ist. Was verstehen Sie unter einem Meisterwerk? Gibt es im Centre Pompidou Meisterwerke? Wird es morgen noch Meisterwerke geben? Ich werde verkannte oder vergessene Meisterwerke zeigen, an zerstörte Meisterwerke erinnern."