In Haft für 0,4 Gramm Marihuana

Von Thomas Franke · 12.06.2013
Seit mehr als zehn Jahren möchte Georgien sich der EU und der NATO annähern. Doch es hapert mit Reformen. Auch unabhängige Journalisten haben es in dem Land schwer. In der Hauptstadt Tiflis beginnt nun ein Prozess gegen einen Journalisten, der seit geraumer Zeit wichtigen Leuten im Weg ist.
Es geht um 0,1 Gramm Haschisch und 0,4 Gramm Marihuana. Und das kam so: Irakli Absandze bekam einen Anruf von der Post. Dort sei ein Päckchen für ihn. Er erwartete nichts, ignorierte die Nachricht. Erst nach der dritten Aufforderung in einer Woche ging er dann doch das Päckchen abholen und kam gar nicht mehr dazu, es zu öffnen. Beim Hinausgehen aus der Post wurde Absandze verhaftet. Der Grund: In dem Päckchen waren 0,1 Gramm Haschisch und 0,4 Gramm Marihuana.
Zwei Tage und eine Nacht verbrachte der kritische Journalist in Untersuchungshaft. Solange dauerte es, bis seine Kollegen, Freunde und Auftraggeber von seiner Verhaftung erfuhren. Dann kam er wieder frei, darf das Land jedoch nicht verlassen.

Auf die Frage, wer Interesse daran hat, dass Absandze verstummt, meint sein Anwalt Gagi Mosiashvili:

"Ich kann nichts ausschließen zur Zeit, aber auch nichts beweisen, was so einen Verdacht erhärtet. Deshalb kann ich dazu zurzeit nichts sagen."

Das Päckchen kam aus Frankreich, Absandze kennt den Absender.
Absandze arbeitet für das unabhängige Wochenmagazin Liberali, im Politikressort. Außerdem arbeitet er als Ortskraft für die Deutsche Presseagentur DPA. Er weiß aber auch, dass jemand in seiner Position in einem Land wie Georgien nicht kiffen sollte.

Es ist nicht der erste Versuch, Absandze mundtot zu machen. Im letzten Sommer arbeitete er für den damals unabhängigen Fernsehsender tv9, als ein Kollege ihn ansprach. Er sei beauftragt, mit ihm zu schlafen, das zu filmen, damit er anschließend mit dem Video erpresst werden könne. Absandze bedankte sich, ging zu seinen Vorgesetzten. tv9 erstattete daraufhin Anzeige, genauso wie der Kollege, der das Erpressungsvideo drehen sollte. Das Verfahren läuft.

Alles deutete darauf hin, dass jemand aus dem damaligen Regierungslager dahinter steckte. Im letzten Sommer tobte ein erbitterter Wahlkampf, und Absandze war für die Korrespondenten in den Regionen zuständig. Absandze verantwortete Berichte über Erpressung und Korruption, käufliche Richter und Staatsanwälte. Er sendete, wie die Justiz unter Druck gesetzt wird, wie Oppositionelle in der Provinz mundtot gemacht werden, und natürlich Beiträge über die allgegenwärtige Vetternwirtschaft lokaler Machthaber.

Die Staatsanwaltschaft war im Vorfeld des Prozesses zu keiner Stellungnahme bereit. Absandzes Anwalt geht davon aus, dass der Prozess zwei Tage dauern wird. Die Chancen stehen schlecht, denn viele georgische Richter empfinden Freisprüche als Fehler der Justiz. Die Freispruchquote in Georgien liegt unter einem Prozent.

Yasemin Pamuk beobachtet für die Friedrich Naumann Stiftung seit annähernd drei Jahren die Bemühungen Georgiens, rechtsstaatlich zu werden.

"Hier muss es ein ganz klares Selbstverständnis der Richter geben, hier muss es vielleicht auch eine junge Generation geben, die einen völlig anderen Zugang zu dieser Thematik hat. Und hier müssen auch verschiedene Institutionen innerhalb der Gesellschaft gestärkt werden (…) Und dieses Formen einer unabhängigen Justiz, braucht, glaub ich, sehr lange."

Absandze war vor Prozessbeginn ein Vergleich angeboten worden. Er zahlt eine Summe zwischen 500 und 1000 Euro und die Sache wäre vom Tisch. Der Haken ist, dass Absandze dann vorbestraft wäre. Da er auch im Ethikrat für Journalismus sitzt, ist dieser Vergleich für ihn unannehmbar.

Bei allen Unwägbarkeiten gibt sich sein Anwalt vor Prozessbeginn optimistisch:

"Ich lache bei der Frage nach der Unabhängigkeit der Justiz immer ein wenig unterdrückt. So war es. Und ich hoffe, dass es heute nicht mehr so ist und der Fall Absandze ein erster Beleg dafür ist."