In die Tiefe gehen
Klein, weiß und sehr genügsam sind die Tiere, die im Grundwasser leben. Der Biologe Hans-Jürgen Hahn erforscht diese dunkle Welt und findet heraus, was die Verhältnisse unten über die Zustände oben verraten. Wie der Wissenschaftler dazu kam, in die Tiefe zu gehen? Eine Geschichte über Neugier und Hartnäckigkeit.
Hans-Jürgen Hahn macht sich am frühen Morgen auf den Weg - zu seinen Probestellen im Wald. Die Landschaft, durch die er fährt, kennt der Biologe in- und auswendig. Hier ist er aufgewachsen.
"Links im Westen ist der Pfälzer Wald, die größte geschlossene Waldlandschaft in Deutschland überhaupt, mit 1800 Quadratkilometer, fast unbesiedelt ... eine reine Buntsandsteinlandschaft ... deswegen sehr unfruchtbar. Sehr wasserreich, der Buntsandstein saugt sich voll wie ein Schwamm wenn's regnet, ... , das heißt alles, was an Niederschlag fällt, geht tatsächlich ins Grundwasser, trägt zur Grundwasserneubildung bei."
Das Grundwasser ist das Forschungsgebiet des 46-Jährigen – seit mehr als zehn Jahren. Als Privatdozent hat er an der Universität Koblenz-Landau seine eigene Arbeitsgruppe aufgebaut. Sie ist die einzige in Deutschland, die sich mit Tieren im Grundwasser beschäftigt. Genau das - das unbesetzte Terrain, hat den rundlichen Mann mit der Brille, den freundlichen, hell-blauen Augen, den blonden Haaren und den Geheimratsecken von Anfang an gereizt.
"Es macht Spaß, ein Thema, das noch keiner besetzt hat, selbst anzugehen, wo alles, was man anfasst, neu ist. Das ist superspannend ..."
Neues macht ihm keine Angst, im Gegenteil. Er erobert sich das, was ihn neugierig macht. Das Interesse an allem, was lebt, hat ihm der Vater vererbt. Der war Botaniker an der Wein-Forschungsanstalt in Neustadt an der Weinstraße und nahm den Sohn auf viele seiner Wanderungen durch die Pfälzer Landschaft mit. Zu jeder Pflanze wusste der Vater eine Geschichte zu erzählen und steckte den Jungen mit seiner Begeisterung an.
"Für mich war als kleiner Bub schon klar, ich will nur Biologe werden, wie der Papa. Keine Pflanzen, die waren mir zu langweilig, aber die Tiere, die mussten's dann schon sein."
Nach dem Abitur war das Biologiestudium an der Uni Gießen deshalb bloß logische Konsequenz. Hahn genießt das Studium, erarbeitet sich die Vielfalt des Tierreichs. Für Diplomarbeit und Dissertation untersucht Hahn Bäche, erst ihre Quellen im Pfälzerwald - dann die Bachläufe. Ihn interessieren nicht nur die einzelnen Tierarten, er will Zusammenhänge verstehen.
"Ich hab geguckt, was da für Tierchen vorkommen, hab geguckt auch, wie die Bachsedimente und ihre Ökologie die umgebende Landschaft widerspiegeln."
Es braucht viel Fleißarbeit für eine Erkenntnis. Tausende von Proben wertet Hahn geduldig aus. Nur – was an Tieren im Bach vorkam und die Landschaft rundherum wollten nicht zusammenpassen. Ein Rätsel, dessen Lösung oberirdisch nicht zu finden war. Hahn ahnte
"wenn Du verstehen willst, was hier los ist, muss du wirklich ins Grundwasser rein."
In die Tiefe gehen also.
Ein lichter Laubwald in der Rheinebene, mittendurch fließt ein kleiner Bach. Die Messstellen, die Hahn an diesem Tag untersuchen will, liegen nahe am Ufer. Es sind graue, armdicke Plastikrohre, senkrecht im Waldboden versenkt und von oben sicher verriegelt mit Deckel und Schloss. Hahn und seine Mitarbeiter beproben sie seit neun Jahren - regelmäßig.
"Jede dieser Messstellen, obwohl die kaum 50 Meter auseinanderliegen, zeichnet sich durch einen ganz eigenen Charakter aus, wir haben kleinräumig eine große Vielfalt, selbst wenn man sich den Wald anschaut, der auf den ersten Blick ganz gleich aussieht ..."
Die Handgriffe zur Probennahme sind Hahn vertraut, obwohl er inzwischen die meiste Zeit am Schreibtisch verbringt, die wissenschaftliche Arbeit im Gelände erledigen seine Doktoranden und Diplomanden. Der Dozent vermisst die Fahrten in den Wald. Papierkram, Verwaltung und die Lehrtätigkeit lassen ihm nicht viel Raum dafür.
Er hält die frisch gezogene Probe hoch, gegen das Licht.
"Hier ... ich kann's net richtig erkennen, das längliche ... könnte sogar ne Bathynella sein, ... Was man deutlich sieht, es lebt ... das Grundwasser lebt (lacht)"
Im durchsichtigen, kleinen Plastikbecher schwimmt gut sichtbar ein kleines, schneeweißes Krebstier.
"Das ist eigentlich das größte Vergnügen, Proben auszusortieren, Tierproben zu bestimmen, was sitzt da drin."
Erst wenn er die Probe unter dem Mikroskop im Labor gesehen hat, kann er sagen, welche Tierart er gefangen hat. Die Tiere aus der Tiefe sind wichtig für uns Menschen, sagt er.
"Dass wir Grundwasser so trinken können, wie wir's gewöhnt sind, das liegt fast ausschließlich an den Lebensgemeinschaften da unten."
Sie seien unverzichtbar für sauberes Grundwasser, das sich unkompliziert zu gutem Trinkwasser aufbereiten lässt. Das ist Hahns stärkstes Argument, wenn er sich für den Schutz der Grundwassertiere einsetzt. Bisher ist Grundwasser nicht per Gesetz als Lebensraum anerkannt, die Lebensgemeinschaften sind also nicht geschützt. Aus gutem Grund: Denn gesetzlicher Schutz hätte weitreichende Konsequenzen. Eingriffe wie Grundwasser in Baugebieten abzusenken oder mit Brunnen Wasser für die Felderwirtschaft der Bauern zu fördern müssten stark eingeschränkt werden. Hahn kämpft seit Jahren vor den zuständigen Gremien bei Bund und Ländern für wirksame Schutzgesetze. Wenn es sein muss, nicht allein durch seine Forschungsdaten, sondern dadurch
"dass man den Leuten manchmal auf die Nerven geht oder auf die Füße tritt, oder beides."
Die Liebe zur Biologie endet nicht mit dem Feierabend. Im gemeinsamen Zuhause mit Frau und Sohn im Pfälzerwald stehen die Terrarien für Frösche und Eidechsen gleich neben den Aquarien für Fische. Auch den zehnjährigen Sohn hat Hahn infiziert.
"Der fängt alles, und wenn's passt, darf er's auch zu Hause halten. / Der Vater freut sich drüber, weil er das natürlich auch gerne macht ... / Das führt dazu, dass bei uns zu Hause eigentlich immer was rumspringt oder rumsitzt."
"Links im Westen ist der Pfälzer Wald, die größte geschlossene Waldlandschaft in Deutschland überhaupt, mit 1800 Quadratkilometer, fast unbesiedelt ... eine reine Buntsandsteinlandschaft ... deswegen sehr unfruchtbar. Sehr wasserreich, der Buntsandstein saugt sich voll wie ein Schwamm wenn's regnet, ... , das heißt alles, was an Niederschlag fällt, geht tatsächlich ins Grundwasser, trägt zur Grundwasserneubildung bei."
Das Grundwasser ist das Forschungsgebiet des 46-Jährigen – seit mehr als zehn Jahren. Als Privatdozent hat er an der Universität Koblenz-Landau seine eigene Arbeitsgruppe aufgebaut. Sie ist die einzige in Deutschland, die sich mit Tieren im Grundwasser beschäftigt. Genau das - das unbesetzte Terrain, hat den rundlichen Mann mit der Brille, den freundlichen, hell-blauen Augen, den blonden Haaren und den Geheimratsecken von Anfang an gereizt.
"Es macht Spaß, ein Thema, das noch keiner besetzt hat, selbst anzugehen, wo alles, was man anfasst, neu ist. Das ist superspannend ..."
Neues macht ihm keine Angst, im Gegenteil. Er erobert sich das, was ihn neugierig macht. Das Interesse an allem, was lebt, hat ihm der Vater vererbt. Der war Botaniker an der Wein-Forschungsanstalt in Neustadt an der Weinstraße und nahm den Sohn auf viele seiner Wanderungen durch die Pfälzer Landschaft mit. Zu jeder Pflanze wusste der Vater eine Geschichte zu erzählen und steckte den Jungen mit seiner Begeisterung an.
"Für mich war als kleiner Bub schon klar, ich will nur Biologe werden, wie der Papa. Keine Pflanzen, die waren mir zu langweilig, aber die Tiere, die mussten's dann schon sein."
Nach dem Abitur war das Biologiestudium an der Uni Gießen deshalb bloß logische Konsequenz. Hahn genießt das Studium, erarbeitet sich die Vielfalt des Tierreichs. Für Diplomarbeit und Dissertation untersucht Hahn Bäche, erst ihre Quellen im Pfälzerwald - dann die Bachläufe. Ihn interessieren nicht nur die einzelnen Tierarten, er will Zusammenhänge verstehen.
"Ich hab geguckt, was da für Tierchen vorkommen, hab geguckt auch, wie die Bachsedimente und ihre Ökologie die umgebende Landschaft widerspiegeln."
Es braucht viel Fleißarbeit für eine Erkenntnis. Tausende von Proben wertet Hahn geduldig aus. Nur – was an Tieren im Bach vorkam und die Landschaft rundherum wollten nicht zusammenpassen. Ein Rätsel, dessen Lösung oberirdisch nicht zu finden war. Hahn ahnte
"wenn Du verstehen willst, was hier los ist, muss du wirklich ins Grundwasser rein."
In die Tiefe gehen also.
Ein lichter Laubwald in der Rheinebene, mittendurch fließt ein kleiner Bach. Die Messstellen, die Hahn an diesem Tag untersuchen will, liegen nahe am Ufer. Es sind graue, armdicke Plastikrohre, senkrecht im Waldboden versenkt und von oben sicher verriegelt mit Deckel und Schloss. Hahn und seine Mitarbeiter beproben sie seit neun Jahren - regelmäßig.
"Jede dieser Messstellen, obwohl die kaum 50 Meter auseinanderliegen, zeichnet sich durch einen ganz eigenen Charakter aus, wir haben kleinräumig eine große Vielfalt, selbst wenn man sich den Wald anschaut, der auf den ersten Blick ganz gleich aussieht ..."
Die Handgriffe zur Probennahme sind Hahn vertraut, obwohl er inzwischen die meiste Zeit am Schreibtisch verbringt, die wissenschaftliche Arbeit im Gelände erledigen seine Doktoranden und Diplomanden. Der Dozent vermisst die Fahrten in den Wald. Papierkram, Verwaltung und die Lehrtätigkeit lassen ihm nicht viel Raum dafür.
Er hält die frisch gezogene Probe hoch, gegen das Licht.
"Hier ... ich kann's net richtig erkennen, das längliche ... könnte sogar ne Bathynella sein, ... Was man deutlich sieht, es lebt ... das Grundwasser lebt (lacht)"
Im durchsichtigen, kleinen Plastikbecher schwimmt gut sichtbar ein kleines, schneeweißes Krebstier.
"Das ist eigentlich das größte Vergnügen, Proben auszusortieren, Tierproben zu bestimmen, was sitzt da drin."
Erst wenn er die Probe unter dem Mikroskop im Labor gesehen hat, kann er sagen, welche Tierart er gefangen hat. Die Tiere aus der Tiefe sind wichtig für uns Menschen, sagt er.
"Dass wir Grundwasser so trinken können, wie wir's gewöhnt sind, das liegt fast ausschließlich an den Lebensgemeinschaften da unten."
Sie seien unverzichtbar für sauberes Grundwasser, das sich unkompliziert zu gutem Trinkwasser aufbereiten lässt. Das ist Hahns stärkstes Argument, wenn er sich für den Schutz der Grundwassertiere einsetzt. Bisher ist Grundwasser nicht per Gesetz als Lebensraum anerkannt, die Lebensgemeinschaften sind also nicht geschützt. Aus gutem Grund: Denn gesetzlicher Schutz hätte weitreichende Konsequenzen. Eingriffe wie Grundwasser in Baugebieten abzusenken oder mit Brunnen Wasser für die Felderwirtschaft der Bauern zu fördern müssten stark eingeschränkt werden. Hahn kämpft seit Jahren vor den zuständigen Gremien bei Bund und Ländern für wirksame Schutzgesetze. Wenn es sein muss, nicht allein durch seine Forschungsdaten, sondern dadurch
"dass man den Leuten manchmal auf die Nerven geht oder auf die Füße tritt, oder beides."
Die Liebe zur Biologie endet nicht mit dem Feierabend. Im gemeinsamen Zuhause mit Frau und Sohn im Pfälzerwald stehen die Terrarien für Frösche und Eidechsen gleich neben den Aquarien für Fische. Auch den zehnjährigen Sohn hat Hahn infiziert.
"Der fängt alles, und wenn's passt, darf er's auch zu Hause halten. / Der Vater freut sich drüber, weil er das natürlich auch gerne macht ... / Das führt dazu, dass bei uns zu Hause eigentlich immer was rumspringt oder rumsitzt."