"In die Offensive gehen"

Moderation: Vladimir Balzer |
Eine neue "Washington Post" wollten die Herausgeber nach der Wende aus der "Berliner Zeitung" machen. Es sollte eine Hauptstadtzeitung mit überregionalem Anspruch werden, die exemplarisch das Zusammenwachsen von Ost und West vorführen sollte – auch in der Redaktion selbst. Nun haben zwei leitende Redakteure ihre Stasi-Tätigkeit eingeräumt und sich von ihren Funktionen entbinden lassen.
In einem Artikel der "Berliner Zeitung" am Dienstag kündigt Chefredakteur Josef Diepenbrock eine lückenlose Aufklärung an. Man werde nun "jeden einzelnen Journalisten dieser Redaktion überprüfen und auch möglichst die Akten der Birthler-Behörde sichten". Die Untersuchung, eine "externe, unabhängige Analyse der journalistischen Arbeit", wie Depenbrock betont, wird von Wissenschaftlern der Freien Universität Berlin und der Universtität Viadrina in Frankfurt/Oder durchgeführt werden.

Deutschlandradio Kultur sprach mit dem Politikwissenschaftler Klaus Schröder von der FU Berlin, Chef des Forschungsverbunds "SED-Staat". Lesen Sie hier einen Auszug aus dem Gespräch:

Balzer: Die "Berliner Zeitung" plant offenbar von Ihnen, also vom Forschungsverbund, die Stasi-Vergangenheit ihrer Redakteure beleuchten zu lassen. Wie könnte das aussehen?

Schröder: Das ist sehr kompliziert, weil die Mitarbeiter der "Berliner Zeitung" ihr Einverständnis geben müssen. Ansonsten darf kein privates Unternehmen Mitarbeiter überprüfen lassen. Das betrifft inzwischen auch den öffentlichen Dienst. Also insofern gibt es erstmal die Hürde, dass diejenigen, die betroffen sind, mitspielen müssen.

Balzer: Erwarten Sie Zustimmung von den meisten Redakteuren? Was sind Ihre Erfahrungen mit der Überprüfung von Journalisten?

Schröder: Ich gehe davon aus, dass die Mehrzahl, wenn nicht alle – jenseits dieser beiden, die sich offenbart haben – nicht belastet ist. Insofern bleibt der "Berliner Zeitung" gar nichts anderes übrig, als in die Offensive zu gehen, um die Glaubwürdigkeit wiederherzustellen.


Sie können das vollständige Gespräch mindestens bis zum 1.9.08 als MP3-Audio in unserem Audio-on-Demand-Player nachhören.