In Deutschland bewundert, in der Heimat verachtet

Von Agnes Bührig · 24.09.2007
Zarah Leander war die kühle Sängerin mit der unvergleichlich tiefen Stimme. 1936 hatte Propagandaminister Joseph Goebbels die Schwedin für die UFA nach Berlin geholt, wo man sie als Film- und Gesangsstar aufbaute. Die Diva bekleidete bald glanzvolle Filmrollen und ließ sich für unvergessliche Schlager wie "Davon geht die Welt nicht unter... " und "Es wird einmal ein Wunder geschehen... " umjubeln. Für Zarah Leander ein zweifelhafter Erfolg, ihre Blindheit gegenüber den Verbrechen der Nazis hat ihr das Publikum in der Heimat bis heute nicht verziehen. Im 100. Geburtsjahr der Diva kommt das Leben Zarah Leanders nun auf die Opernbühne. "Zarah - Star um jeden Preis" müht sich um eine neue Sichtweise auf den Kinostar und die Kraft der Verführung.
Zarah Leander ist aus der Versenkung ins Scheinwerferlicht der Vorderbühne gefahren und gibt ganz die Diva: Gewandet in ein langes dunkellila Abendkleid mit Glitzerbesatz, einen transparenten mit Pelz besetzten Umhang über den Schultern. Mit kleinen Bewegungen, einem verhaltenen, etwas arroganten Lächeln gestaltet Mezzosopranistin Ulrika Tenstam die Rolle. Sie selbst kann sich noch gut an diese Szenen erinnern, die sie als Kind im Fernsehen sah:

"Sie hatte ein gewisses Charisma, so las ich in ihren Memoiren, die ich von meinen Großeltern 1981 bekommen habe, mit einem Bild von ihr in der klassischen Geste, das mir auch gut gefällt. Und da dachte ich: Was willst du, was ich über dich erzählen soll? Und das einzige, was ich sah, war die Energie und das Feuer. Und darauf will ich abzielen."

Es sind ihre tiefe Stimme und die erotische Ausstrahlung, die die Tochter eines Kaufmanns aus dem Provinznest Karlstad am Vänersee in den 30er Jahren bekannt machen. Nach Erfolgen in diversen Singspielen dreht die Schwedin in ihrer nordischen Heimat drei Filme und feiert in Wien mit einer Garbo-Parodie Erfolge. 1936 unterschreibt sie einen Schauspielvertrag bei der UFA und wird in Filmen wie "Zu neuen Ufern" oder "Der Blaufuchs" weltberühmt. 24 Millionen Mal etwa verkauft sich ihr Titel "Der Wind hat mir ein Lied erzählt" aus dem Film "La Habanera". Dieser und andere Schlager dienten Anders Nilsson zum Vorbild für die Musik der Oper. Kopieren wollte er sie jedoch nicht, sagt der schwedische Komponist:

"Die Herausforderung bestand darin, eine populärmusikalische Sprache aus den 30er und 40er Jahren in eine moderne Oper einzubetten. Und das ging sehr gut, ich konnte rein und raus aus diesem Idiom und ich denke, das merkt man schon am Prolog, wenn wir Zarah zum ersten Mal begegnen. Sie hat einen richtigen Showauftritt. Sie steht auf der Bühne, den Chor hinter sich wie in den 40ern und singt ihren ersten Schlager, der kein echter Schlager ist, sondern eine Paraphrase."

Mit den Schlagern aus den UFA-Filmen wird die Leander in den 30er und 40er Jahren in Deutschland zur Millionärin. Doch als sie 1943 in ihre Heimat zurückgeht, hat sich auch in Schweden die bis dahin so wohlwollende Meinung gegen Nazideutschland gewendet. Die Filmdiva muss sich nun Vorwürfe anhören, sie hätte mit Durchhalte-Schlagern wie "Davon geht die Welt nicht unter" oder "Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehn" zur Stärkung der deutschen Truppen beigetragen. Dieser Konflikt ist es, der Regisseur und Librettisten Claes Fellbom interessiert hat:

"Ich hoffe, dass die Leute zumindest ein klein wenig Verständnis für die Verlockung aufbringen, die sie empfand. Es ist sehr leicht für uns im Publikum zu sagen: Wie konnte sie nur! Aber zu der Zeit, als sie das Angebot annahm, war der Glaube an Hitler sehr stark. Das war das Moderne, das Neue und das Gesunde. Sie dachte, sie setzt auf den Sieger. Und gerade wir Schweden sollten uns zurückhalten, denn wir waren sehr braun in dieser Zeit."

Die Verführung nimmt in der Rolle des Propagandaministers Goebbels Gestalt an. Henrik Holmberg mimt ihn überzeugend als modernen Mephisto, der die kühle Schwedin ins Verderben lockt. Dass die Diva direkt mit der Verfolgung der Juden konfrontiert wurde, zeigt die Oper mit der Figur der Jüdin Else Janke, einer früheren Goebbels-Geliebten. Gesungen wird sie von der jungen Nachwuchs-Sopranistin Madelaine Vibom, die hier zur Garderobenfrau des Filmstars wird.

"Am Anfang ist sie sehr jung, hat ein großes Selbstvertrauen. Und dann muss sie sich zurücknehmen. Und ich denke, sie versucht das mit sehr viel Klugheit - irgendwie überlebt sie das Ganze. Und sie behält ihr Selbstvertrauen. Sie ist irgendwie eine Starke. Und ich glaube, am Schluss, überlebt sie und ihr Stolz ist nicht gebrochen - und das finde ich schön."

Regisseur Fellbom will mit seiner insgesamt gelungenen Oper ausdrücklich keinen moralischen Zeigefinger erheben. Ihm geht es nicht nur um die Blindheit der Leander gegenüber Judenverfolgung und Verbrechen, sondern auch um existentielle Probleme in Zeiten der Unterdrückung. Das Libretto hat er gleich auch auf Deutsch geschrieben und hofft jetzt auf eine Aufführung im deutschsprachigen Raum:

"Ich war in Kontakt mit Volksoper Wien. Und die haben gesagt: Also wir können nicht Joseph Goebbels auf die Bühne bringen, das geht nicht. Aber ich denke, jetzt in Deutschland ist es möglich das zu machen. Also nach 'Der Untergang', der Film, ist es geöffnet ein bisschen. Und ich denke, man sollte jetzt bereit sein, Joseph Goebbels auf die Bühne zu bringen."