In der Wertefalle?
Na bitte. Wem bei Gerhard Schröder zum Stichwort Medien nur noch das Dreieck von Schelte, Manipulation und Macht einfällt, wird gerade eines Besseren belehrt. Zur Kanzlerdämmerung gibt es nämlich noch einen Preis, sogar den Medienpreis 2005. Verliehen vom Verein der Auslandspresse. Für, so die Begründung, Schröders stets offene Haltung.
Ob’s den, der sich von Amt und Würden verabschieden muss, überhaupt noch freut? Ob er einen Deut zurücknimmt von seiner Schimpfkanonade noch in der Wahlnacht, wonach Medienmacht und Medienmanipulation versucht hätten, die Regierenden runterzuputzen, um die schwarze Angela dagegen in den Polit-Himmel zu heben?
Ach, die Umstände sind längst hinweggegangen über das Aufstellen solcher Kanonen. Jetzt erleben wir, wie jüngere und jüngste Säue durchs Dorf getrieben werden. Es kam wie es kommen musste: Die Karawane zieht weiter.
Doch eines ist klar: Das Verhältnis zwischen Politik und Medien ist nicht das Beste. Zwischen Politbarometer und den Zirkusarenen à la Christiansen & Co. tut sich ein weites Feld mit lauter Verwerfungen auf. Und nur schwer sind dort jene Tugenden zu erblicken, die zum Verhältnis gehören sollten: Transparenz und Einblick auf Seiten der Politik. Und auf der Medienseite sorgfältige Beobachtung und Recherche, ausreichende Distanz und klare kritische Wertung.
Noch weit vor der Wahl bekundeten gut 200 Bundestagsabgeordnete fast einhellig laut einer Umfrage: Die Art, wie Journalisten über Politik berichteten, sei Hauptursache für den Vertrauensverlust zwischen Politik und Öffentlichkeit. Sicher, es gebe auch eigene überzogene Versprechungen und Affären und Skandale. Doch das Hauptübel seien die unfähigen Schreiberlinge und Rundfunkfuzzis. Die alles aufbauschten, die besten Absichten nicht verstünden, die gute Arbeit ins schlechte Licht rückten. Die Journalistengewerkschaft schlug sofort zurück: Diese Schelte sei mehr als fadenscheinig, ganz nach dem Motto: Der Bote wird für die schlechten Nachrichten geprügelt.
Nun, eine Umfrage ist eine Umfrage, Punkt. Das sagt schon fast alles. Aber natürlich sind auch nicht alle Journalisten große Aufklärer mit Heiligenschein. Viele suchen im aufgeblasenen Mediengetümmel der Berliner Republik einfach Aufmerksamkeit pur, wollen Schlagzeilen verkaufen, müssen Quote machen. Doch das alleine kann keine Stimmung in die eine oder andere Richtung machen. Da geht’s schon um die richtigen Taten.
Auf der anderen Seite gilt: Viele Politiker wollen Journalisten für ihre Zwecke einspannen und instrumentalisieren. Eine Gemeinschaft auf Gegenseitigkeit: Der eine braucht Öffentlichkeit, der andere Informationen. „Wer umarmt wen?“, fragte mal ein Fernsehfilm. Die Antwort war eindeutig: Beide umarmen sich, selbst wenn sie sich nicht mögen. Das schafft, bei aller bissigen Kommentierung und bei aller Medienschelte, eine Menge an Kumpanei. Die natürlich nach außen möglichst verschwiegen wird: Da herrschen eher die markigen Sprüche. Von wegen Kritik. Von wegen Manipulation.
Das alles war in Bonn noch ziemlich niedlich anzusehen: rheinische Idylle. In Berlin, auf der ganz großen Bühne, ist das alles explodiert, haben sich Kanäle und Mikrophone zigfach vermehrt. „Die Meute“, hieß ein scharf beobachtender Fernsehfilm zum Thema. Im Untertitel hätte es auch heißen können: Der Opportunismus. Denn auch das gehört zur gesteigerten Konkurrenz: am besten sein Mäntelchen stets im Wind zu haben, damit es nicht wegflattert, während die Kollegen sich im Mehrheitstrend wärmen. Im Wahlkampf war’s am medialen Auf und Ab des Steuerexperten Kirchhoff bestens zu studieren.
Es ist ja ohnehin allzu oft ein ewiges Hin und Her, ein mediales Geschäft, das an Kurzatmigkeit leidet, am nicht vorhandenen Gedächtnis und am vermeintlichen Zwang zur absoluten Aktualität. Die oft nichts anderes ist als eine rasende Reizspirale ums aufgeblasene Nichts. Technisch geht ja alles: Direktschaltungen, Vor-Ort-Aufsager, Sofort-Interviews. Vor kurzem, immerhin, gaben sich Journalisten auch selbstkritisch. Und räumten ein: Entschleunigung wäre nicht schlecht. Einfach mal eine halbe Stunde länger nachdenken, was zu transportieren sich lohnt und wie politische Prozesse sinnvoll darzustellen wären, handwerklich gut gebaut und in den angemessenen Proportionen.
Denn richtig ist: Die tatsächliche Politik lässt sich nicht in den immergleichen Zirkusarenen von Christiansen und Co. darstellen. Es wären schärfere Blicke nötig, es wären mehr Personen in Augenschein zu nehmen als die Standardauswahl, es wäre feiner zu differenzieren und tiefer zu bohren, um die Oberfläche der Phrasen zu durchdringen. Politiker wiederum müssten begreifen, dass Journalisten keine Sprachrohre sein dürfen. So wie wiederum die Medienleute zu verinnerlichen hätten, dass ihr Geschäft sich beschränken muss: vor allem sorgfältige Beschreibung, klare Einordnung, kritische Kommentierung. Weil sonst ihre berühmte vierte Macht nichts anderes wäre als – Eitelkeit, Leerlauf und Anmaßung.
Uwe Kammann ist Geschäftsführer des Adolf Grimme Instituts in Marl. Zuvor hatte er seit 1985 die Fachpublikation „epd medien“ geleitet. Nach einem Studium der Germanistik und Romanistik arbeitete Kammann zunächst als Redakteur bei der Rheinischen Post in Düsseldorf. 1978 wechselte er zum Evangelischen Pressedienst. Zahlreiche Veröffentlichungen in Tages- und Wochenpresse (u. a. „Die Zeit"), Vorträge und Moderationen bei Fachkongressen. Buchveröffentlichungen (u. a.): „Die Schirmherren. 12 politische TV-Moderatoren“; „Fernsehen in der Umbruchphase“, in: „Die Kultur unseres Jahrhunderts“; „Landschaft mit Spiralnebel – Fernsehen in Deutschland“, in: „ABC des Fernsehens“. Ausgezeichnet mit dem Deutschen Preis für Medienpublizistik und dem Hans-Bausch- Mediapreis.
Ach, die Umstände sind längst hinweggegangen über das Aufstellen solcher Kanonen. Jetzt erleben wir, wie jüngere und jüngste Säue durchs Dorf getrieben werden. Es kam wie es kommen musste: Die Karawane zieht weiter.
Doch eines ist klar: Das Verhältnis zwischen Politik und Medien ist nicht das Beste. Zwischen Politbarometer und den Zirkusarenen à la Christiansen & Co. tut sich ein weites Feld mit lauter Verwerfungen auf. Und nur schwer sind dort jene Tugenden zu erblicken, die zum Verhältnis gehören sollten: Transparenz und Einblick auf Seiten der Politik. Und auf der Medienseite sorgfältige Beobachtung und Recherche, ausreichende Distanz und klare kritische Wertung.
Noch weit vor der Wahl bekundeten gut 200 Bundestagsabgeordnete fast einhellig laut einer Umfrage: Die Art, wie Journalisten über Politik berichteten, sei Hauptursache für den Vertrauensverlust zwischen Politik und Öffentlichkeit. Sicher, es gebe auch eigene überzogene Versprechungen und Affären und Skandale. Doch das Hauptübel seien die unfähigen Schreiberlinge und Rundfunkfuzzis. Die alles aufbauschten, die besten Absichten nicht verstünden, die gute Arbeit ins schlechte Licht rückten. Die Journalistengewerkschaft schlug sofort zurück: Diese Schelte sei mehr als fadenscheinig, ganz nach dem Motto: Der Bote wird für die schlechten Nachrichten geprügelt.
Nun, eine Umfrage ist eine Umfrage, Punkt. Das sagt schon fast alles. Aber natürlich sind auch nicht alle Journalisten große Aufklärer mit Heiligenschein. Viele suchen im aufgeblasenen Mediengetümmel der Berliner Republik einfach Aufmerksamkeit pur, wollen Schlagzeilen verkaufen, müssen Quote machen. Doch das alleine kann keine Stimmung in die eine oder andere Richtung machen. Da geht’s schon um die richtigen Taten.
Auf der anderen Seite gilt: Viele Politiker wollen Journalisten für ihre Zwecke einspannen und instrumentalisieren. Eine Gemeinschaft auf Gegenseitigkeit: Der eine braucht Öffentlichkeit, der andere Informationen. „Wer umarmt wen?“, fragte mal ein Fernsehfilm. Die Antwort war eindeutig: Beide umarmen sich, selbst wenn sie sich nicht mögen. Das schafft, bei aller bissigen Kommentierung und bei aller Medienschelte, eine Menge an Kumpanei. Die natürlich nach außen möglichst verschwiegen wird: Da herrschen eher die markigen Sprüche. Von wegen Kritik. Von wegen Manipulation.
Das alles war in Bonn noch ziemlich niedlich anzusehen: rheinische Idylle. In Berlin, auf der ganz großen Bühne, ist das alles explodiert, haben sich Kanäle und Mikrophone zigfach vermehrt. „Die Meute“, hieß ein scharf beobachtender Fernsehfilm zum Thema. Im Untertitel hätte es auch heißen können: Der Opportunismus. Denn auch das gehört zur gesteigerten Konkurrenz: am besten sein Mäntelchen stets im Wind zu haben, damit es nicht wegflattert, während die Kollegen sich im Mehrheitstrend wärmen. Im Wahlkampf war’s am medialen Auf und Ab des Steuerexperten Kirchhoff bestens zu studieren.
Es ist ja ohnehin allzu oft ein ewiges Hin und Her, ein mediales Geschäft, das an Kurzatmigkeit leidet, am nicht vorhandenen Gedächtnis und am vermeintlichen Zwang zur absoluten Aktualität. Die oft nichts anderes ist als eine rasende Reizspirale ums aufgeblasene Nichts. Technisch geht ja alles: Direktschaltungen, Vor-Ort-Aufsager, Sofort-Interviews. Vor kurzem, immerhin, gaben sich Journalisten auch selbstkritisch. Und räumten ein: Entschleunigung wäre nicht schlecht. Einfach mal eine halbe Stunde länger nachdenken, was zu transportieren sich lohnt und wie politische Prozesse sinnvoll darzustellen wären, handwerklich gut gebaut und in den angemessenen Proportionen.
Denn richtig ist: Die tatsächliche Politik lässt sich nicht in den immergleichen Zirkusarenen von Christiansen und Co. darstellen. Es wären schärfere Blicke nötig, es wären mehr Personen in Augenschein zu nehmen als die Standardauswahl, es wäre feiner zu differenzieren und tiefer zu bohren, um die Oberfläche der Phrasen zu durchdringen. Politiker wiederum müssten begreifen, dass Journalisten keine Sprachrohre sein dürfen. So wie wiederum die Medienleute zu verinnerlichen hätten, dass ihr Geschäft sich beschränken muss: vor allem sorgfältige Beschreibung, klare Einordnung, kritische Kommentierung. Weil sonst ihre berühmte vierte Macht nichts anderes wäre als – Eitelkeit, Leerlauf und Anmaßung.
Uwe Kammann ist Geschäftsführer des Adolf Grimme Instituts in Marl. Zuvor hatte er seit 1985 die Fachpublikation „epd medien“ geleitet. Nach einem Studium der Germanistik und Romanistik arbeitete Kammann zunächst als Redakteur bei der Rheinischen Post in Düsseldorf. 1978 wechselte er zum Evangelischen Pressedienst. Zahlreiche Veröffentlichungen in Tages- und Wochenpresse (u. a. „Die Zeit"), Vorträge und Moderationen bei Fachkongressen. Buchveröffentlichungen (u. a.): „Die Schirmherren. 12 politische TV-Moderatoren“; „Fernsehen in der Umbruchphase“, in: „Die Kultur unseres Jahrhunderts“; „Landschaft mit Spiralnebel – Fernsehen in Deutschland“, in: „ABC des Fernsehens“. Ausgezeichnet mit dem Deutschen Preis für Medienpublizistik und dem Hans-Bausch- Mediapreis.