"In der Urkirche war es so, wie wir es machen ..."
In Deutschland gibt es rund 30.000 Alt-Katholiken. Doch anders als der Name vermuten lässt, wirken sie in vielen Dingen etwas zeitgemäßer als die römischen Katholiken.
Sonntagvormittag in Berlin-Wilmersdorf. In einer hellen Erdgeschosswohnung, die zum Gotteshaus umgebaut ist, haben sich etwa 25 Gläubige zur Feier der Heiligen Messe versammelt. Ihre Stimmen klingen fest und selbstbewusst. Hier singen die Abtrünnigen – Katholiken, die der römischen Kirche den Rücken gekehrt haben, wie die Journalistin Cirstin Lengemann:
"Seit ich übergetreten bin, fühle ich mich frei. Und fühle ich mich sehr wohl. Und ich hab das Gefühl, dass ich das, was ich denke auch leben kann. Und dass ich einer Kirche bin, in der Ausgrenzung nicht stattfindet. Es gibt also zum Beispiel keine Ausgrenzung mit jemandem, der ist geschieden und möchte noch einmal heiraten. Also wir konnten uns den Segen geben lassen in diesem Fall, trotz der Scheidung meines Mannes."
"Es ist schon so, dass Leute wechseln, die einen großen Leidensdruck haben. Also entweder in Bezug auf Glaubensfragen, oder wenn sie sich eben auch scheiden lassen und einen neuen Partner haben, oder eben auch Homosexuelle. Also Leute, die sich dann da nicht mehr zu Hause fühlen und angefeindet fühlen, die überlegen sich, wo anders hinzugehen."
Auch Britta Schramm, Lehrerin an einer evangelischen Grundschule, will sich schon lange nicht mehr aus Rom vorschreiben lassen, was sie zu glauben hat. Damit steht sie, laut Pfarrer Johannes Urbisch, nicht allein:
"Man weiß es aus Untersuchungen, dass 70 Prozent der römischen Katholiken die Unfehlbarkeit des Papstes ablehnen – sie sind also eigentlich alt-katholisch."
Alt-katholisch – ultra-katholisch – erzkonservativ? Ganz im Gegenteil. Mit ihrem Namen bringen die Alt-Katholiken ihr Anknüpfen an die ursprüngliche katholische Kirche zum Ausdruck – und ihre Ablehnung der "neuen" Dogmen des ersten vatikanischen Konzils von 1870. Diese erhoben die oberste richterliche Gewalt des Papstes und seine Unfehlbarkeit zu verbindlichen Glaubenssätzen. Wer das nicht mittrug, wurde exkommuniziert.
"Wir vertreten im gewissen Sinn den dezentralen Katholizismus. Katholisch sein – aber nicht so hierarchisch strukturiert, wie das in der römischen Kirche ist – der Papst ist derjenige, der über alles entscheidet – wir verstehen uns als dezentralistisch und meinen, dass alle miteinander entscheiden, von unten ... in der Ur-Kirche war es so, wie wir es machen, im Wesentlichen."
Gemeindeglieder sind ab 16 stimmberechtigt, Pfarrer können verheiratet sein. Es gibt Laienpriester. Frauen haben die gleichen Rechte. Dieses demokratische Verständnis schlägt sich an einer wichtigen Stelle auch in der Liturgie nieder. Beim Gesang zum Abschluss des eucharistischen Gebetes, wenn der Pfarrer Schale, Hostie und Kelch hebt:
Gesang in der Messe: "Durch ihn und mit ihm und in ihm, wird dir dargebracht, Gott allmächtiger Vater in der Gemeinschaft des heiligen Geistes, alle Herrlichkeit und Ehre, jetzt und in Ewigkeit. Amen"
Urbisch: "In der römischen Kirche wird's auch gesungen. Aber da singt nur der Priester. Weil nach dem römisch katholischen Verständnis das die Aufgabe des Priesters ist, die Wandlung zu vollziehen. Und bei uns ist das mehr eine Aktion des Volkes Gottes, dem der Priester an dieser Stelle eben vorsteht."
Die Feierlichkeit und die Riten – sie sind katholisch, sprechen den Menschen auch in seinen Emotionen an. Die Wertschätzung des mündigen Gläubigen, der Respekt vor seinem Gewissen und die basisdemokratische Organisation erinnern in vielem an die evangelische Kirche. So ist der Gläubige auch von der Pflicht zur Beichte entbunden und frei, mit allen Christen das Abendmahl zu feiern. Für Pfarrer Urbisch und Cirstin Lengemann ein wichtiger Bestandteil ihres Glaubens.
"Diese Barrierefreiheit zwischen verschiedenen christlichen Gemeinschaften, die finde ich schon sehr schön. Also ich kann einfach völlig frei in eine protestantische Kirche gehen, ich kann mit Adventisten zusammen beten, wenn ich das möchte. ich kann zu den Orthodoxen gehen. Man lernt voneinander doch unterschiedliche Arten spirituellen Erlebens und das ist toll."
Urbisch: "Wir sind sehr tolerant ... Weil wir alle uns bewusst sind, dass unsere Vorstellungen von Gott und von der Wirklichkeit Gottes nur sehr unvollständig sein können."
Fragt sich nur, warum es so wenig Alt-Katholiken gibt. Etwa 30.000 sind es laut Urbisch in Deutschland. Seine Gemeinde, die immerhin auch Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg einschließt, zählt 370 Mitglieder. Aber sie verzichten eben auf Missionierung, erklärt Britta Schramm, und das sei auch gut so.
"Also man kann sehr gut über das Internet sich informieren ... und Leute, die nicht so gerne alles vorgeschrieben bekommen möchten, die finden halt von allein dahin ..."
"Seit ich übergetreten bin, fühle ich mich frei. Und fühle ich mich sehr wohl. Und ich hab das Gefühl, dass ich das, was ich denke auch leben kann. Und dass ich einer Kirche bin, in der Ausgrenzung nicht stattfindet. Es gibt also zum Beispiel keine Ausgrenzung mit jemandem, der ist geschieden und möchte noch einmal heiraten. Also wir konnten uns den Segen geben lassen in diesem Fall, trotz der Scheidung meines Mannes."
"Es ist schon so, dass Leute wechseln, die einen großen Leidensdruck haben. Also entweder in Bezug auf Glaubensfragen, oder wenn sie sich eben auch scheiden lassen und einen neuen Partner haben, oder eben auch Homosexuelle. Also Leute, die sich dann da nicht mehr zu Hause fühlen und angefeindet fühlen, die überlegen sich, wo anders hinzugehen."
Auch Britta Schramm, Lehrerin an einer evangelischen Grundschule, will sich schon lange nicht mehr aus Rom vorschreiben lassen, was sie zu glauben hat. Damit steht sie, laut Pfarrer Johannes Urbisch, nicht allein:
"Man weiß es aus Untersuchungen, dass 70 Prozent der römischen Katholiken die Unfehlbarkeit des Papstes ablehnen – sie sind also eigentlich alt-katholisch."
Alt-katholisch – ultra-katholisch – erzkonservativ? Ganz im Gegenteil. Mit ihrem Namen bringen die Alt-Katholiken ihr Anknüpfen an die ursprüngliche katholische Kirche zum Ausdruck – und ihre Ablehnung der "neuen" Dogmen des ersten vatikanischen Konzils von 1870. Diese erhoben die oberste richterliche Gewalt des Papstes und seine Unfehlbarkeit zu verbindlichen Glaubenssätzen. Wer das nicht mittrug, wurde exkommuniziert.
"Wir vertreten im gewissen Sinn den dezentralen Katholizismus. Katholisch sein – aber nicht so hierarchisch strukturiert, wie das in der römischen Kirche ist – der Papst ist derjenige, der über alles entscheidet – wir verstehen uns als dezentralistisch und meinen, dass alle miteinander entscheiden, von unten ... in der Ur-Kirche war es so, wie wir es machen, im Wesentlichen."
Gemeindeglieder sind ab 16 stimmberechtigt, Pfarrer können verheiratet sein. Es gibt Laienpriester. Frauen haben die gleichen Rechte. Dieses demokratische Verständnis schlägt sich an einer wichtigen Stelle auch in der Liturgie nieder. Beim Gesang zum Abschluss des eucharistischen Gebetes, wenn der Pfarrer Schale, Hostie und Kelch hebt:
Gesang in der Messe: "Durch ihn und mit ihm und in ihm, wird dir dargebracht, Gott allmächtiger Vater in der Gemeinschaft des heiligen Geistes, alle Herrlichkeit und Ehre, jetzt und in Ewigkeit. Amen"
Urbisch: "In der römischen Kirche wird's auch gesungen. Aber da singt nur der Priester. Weil nach dem römisch katholischen Verständnis das die Aufgabe des Priesters ist, die Wandlung zu vollziehen. Und bei uns ist das mehr eine Aktion des Volkes Gottes, dem der Priester an dieser Stelle eben vorsteht."
Die Feierlichkeit und die Riten – sie sind katholisch, sprechen den Menschen auch in seinen Emotionen an. Die Wertschätzung des mündigen Gläubigen, der Respekt vor seinem Gewissen und die basisdemokratische Organisation erinnern in vielem an die evangelische Kirche. So ist der Gläubige auch von der Pflicht zur Beichte entbunden und frei, mit allen Christen das Abendmahl zu feiern. Für Pfarrer Urbisch und Cirstin Lengemann ein wichtiger Bestandteil ihres Glaubens.
"Diese Barrierefreiheit zwischen verschiedenen christlichen Gemeinschaften, die finde ich schon sehr schön. Also ich kann einfach völlig frei in eine protestantische Kirche gehen, ich kann mit Adventisten zusammen beten, wenn ich das möchte. ich kann zu den Orthodoxen gehen. Man lernt voneinander doch unterschiedliche Arten spirituellen Erlebens und das ist toll."
Urbisch: "Wir sind sehr tolerant ... Weil wir alle uns bewusst sind, dass unsere Vorstellungen von Gott und von der Wirklichkeit Gottes nur sehr unvollständig sein können."
Fragt sich nur, warum es so wenig Alt-Katholiken gibt. Etwa 30.000 sind es laut Urbisch in Deutschland. Seine Gemeinde, die immerhin auch Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg einschließt, zählt 370 Mitglieder. Aber sie verzichten eben auf Missionierung, erklärt Britta Schramm, und das sei auch gut so.
"Also man kann sehr gut über das Internet sich informieren ... und Leute, die nicht so gerne alles vorgeschrieben bekommen möchten, die finden halt von allein dahin ..."