"In der Bildung liegt die Zukunft"

Thomas Lupp im Gespräch mit Marcus Pindur · 12.01.2011
Nur drei Monate dauerte es, eine beim Erdbeben zerstörte Schule in der Hauptstadt von Haiti wiederaufzubauen - dank der Unterstützung eines Bauunternehmers, der dort seit 20 Jahren tätig ist.
Marcus Pindur: Seit dem Erdbeben vor einem Jahr liegt in der haitianischen Hauptstadt Port-au-Prince noch fast alles darnieder. Eine hessische Privatinitiative hat dagegen Erfolge beim Wiederaufbau dort: Das Bauunternehmen Thomas Lupp aus Nidda hat binnen drei Monaten die Schule Saint Thérèse de l'Enfant Jésus in Port-au-Prince in unmittelbarer Nähe vom Präsidentenpalast wiedererrichtet. Im Februar 2010, also vor knapp einem Jahr, wurde die Initiative "Wir Hessen helfen Haiti" gegründet, und da kamen 100.000 Euro zusammen. Wir sprechen jetzt mit Thomas Lupp, guten Morgen, Herr Lupp!

Thomas Lupp: Guten Morgen!

Pindur: Sie waren auch schon vor dem Erdbeben in Haiti als Bauunternehmer aktiv, Sie haben danach einen Ihrer ehemaligen Bauingenieure dorthin geschickt. Wie steht es um dieses Projekt, und welches Echo haben Sie von Schülern und Lehrern dort?

Lupp: Also wir sind ja im Februar 2011 angetreten, um dieses Projekt "Wir Hessen helfen Haiti" ins Leben zu rufen, haben mittlerweile mehr als 100.000 Euro gesammelt, und haben uns überlegt, wo wir da dieses Geld hinfließen lassen sollen, und dabei ist uns … diese Schule als Projekt von uns definiert worden. Und wir haben dann begonnen, aus der Initiative heraus und unseren Möglichkeiten, die wir im Land haben … Wir waren schon seit 20 Jahren in Haiti, kennen uns deswegen aus, haben gewisse Strukturen und haben uns dann um diese Schule gekümmert insofern, als dass wir Mitarbeiter im Land eingestellt haben, Materialien besorgt haben, und das Ganze dazu geführt hat, dass die Schule pünktlich zum Jahresbeginn fertig geworden ist. Also insofern sind wir ganz stolz auf das, was wir da getan haben, und es hat sogar dazu geführt, dass Lehrer, die schon in Kanada sich verpflichtet hatten, gemerkt haben, Mann, unsere Schule ist fertig, wir gehen wieder zurück. Und seit Schulbeginn letzten Jahres ist da wieder voller Schulbetrieb.

Pindur: Vieles geht ja nicht richtig voran in Haiti, die Verhältnisse waren dort auch schon vor dem Erdbeben schwierig, danach ja noch viel schwieriger. Mit welchen Problemen hatten Sie denn zu kämpfen?

Lupp: Das ist richtig, also die Strukturen in Haiti sind total desolat, man muss wissen, dass durch das Erdbeben eine große Anzahl der Mitarbeiter der Verwaltungen auch ums Leben kam, und damit sind die Verwaltungsstrukturen natürlich im Wesentlichen zum Erliegen gekommen. Ein weiteres Problem ist die politische Situation, wirklich ordentliche Strukturen, wie wir sie hier in Deutschland kennen, gibt es dort nicht, und diese Erfahrungen haben wir aber in den Jahren davor auch schon gemacht, und insofern wissen wir, wie wir damit umgehen, und haben halt Wege gefunden, wie man dann die Dinge umsetzt, die wir umsetzen wollten.

Pindur: Wie müssen wir uns das praktisch vorstellen? Sie haben also einen Mitarbeiter dort hingeschickt, und der hat dann zunächst einmal diese Schule ausfindig gemacht, und wie hat er dann angefangen dort?

Lupp: Genau so ist es. Wir haben dann aufgrund unserer bestehenden Kontakte Mitarbeiter eingestellt, also Leute aus dem Land, die dann den Abbruch der desolaten Gebäudesubstanz vorgenommen haben, alles per Hand, und das wurde dann auf Lastwagen geladen, und dann wurden Materialien organisiert und der Wiederaufbau nach und nach getätigt. Wir haben das organisiert, unser Mitarbeiter vor Ort, der schon vier Jahre im Land gewesen ist, der hat halt entsprechende Kontakte auch dort, hat eben diese Organisation vorgenommen, und was ich betonen möchte, ohne jegliche Verwaltungskosten haben wir das gemacht, also jeder Cent, den die Spender aufgewandt haben, ist auch direkt in Haiti angekommen und für das Projekt eingesetzt worden.

Pindur: Jetzt war die Soforthilfe für die Menschen dort ja einigermaßen erfolgreich, wie man hört, aber ein großes Problem scheint zu sein, dass sich danach eben relativ wenig getan hat. Was können Sie denn aus Ihrem Erfahrungshorizont sagen, woran liegt das, dass es so schleppend vorangeht dort?

Lupp: Einmal ist die politische Situation momentan ganz desolat, es gibt momentan zwei Kandidaten um die Präsidentschaft, das ist einmal der Schwiegersohn des amtierenden Präsidenten, und dann gibt es einen Volkssänger namens Martelly, der als weiterer Kandidat auch vom Volk wohl gewünscht ist. Ich gehe davon aus, der Präsident wird lieber seinen Schwiegersohn einsetzen, und dadurch gibt es mittlerweile erhebliche Unruhen und eigentlich eine erlahmte Verwaltungsstruktur. Insofern ist es sehr schwierig, auch für die vielen Hilfsorganisationen, die da momentan unten sind, wirklich was umzusetzen, weil einfach keine Partnerschaft aus dem Land besteht.

Pindur: Haben Sie denn das Gefühl, dass Ihr Projekt jetzt eine dauerhafte Hilfe sein wird, oder ist die Schule an dem Tag, an dem Sie sich dann zurückziehen, dann dem Verfall wieder anheim gegeben?

Lupp: Nein, also die … Wir haben ja guten Kontakt zu den Betreibern der Schule, also das ist wirklich eine tolle Geschichte. Aus dieser Schule sind auch früher schon sehr, sehr wichtige Leute erwachsen, und wir haben halt die Schule deswegen als Projekt definiert, weil wir sagen: Bildung ist … In der Bildung liegt die Zukunft, und wenn nicht dort wieder Intelligenz gefördert wird, dann hat das Land auch auf lange Sicht Probleme, und mit dem restlichen Geld, was wir jetzt noch zur Verfügung haben und vielleicht noch zusätzlichen Geldern, die möglicherweise noch eingehen – wobei man sagen muss, dass die Bereitschaft zu spenden, mittlerweile etwas nachgelassen hat –, mit diesen Geldern werden wir auch weitere Projekte, die nachhaltig sind, definieren und dort die restlichen Gelder investieren.

Pindur: Was haben Sie da konkret im Auge?

Lupp: Wir haben unter anderem im Auge, möglicherweise … die Schule hat einen angegliederten Kindergarten, dort möglicherweise Gelder zu investieren, und ein anderes Thema ist Wasseraufbereitung auf dem Land. Durch die Cholera-Epidemie ist klar geworden oder ist sichtbar geworden, dass eben gutes Wasser oder Zugang zu gutem Wasser ein ganz wichtiges Thema in Haiti ist.

Pindur: Herr Lupp, vielen Dank für das Gespräch!

Lupp: Bitte sehr!
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