In den Wirren des Krieges
Der Liebe und erotischen Verwicklungen widmet sich die britische Schriftstellerin HD in "Madrigal". Da gibt es den untreuen Ehemann, den wankelmütigen Geliebten und den Krieg, der alle Herzensangelegenheiten erschwert. All das versetzt die Protagonistin in einen Zustand großer Ratlosigkeit.
HD ist eine der großen Autorinnen der literarischen Moderne, die es nie zum großen Ruhm brachte, deren Rang aber immer unbezweifelt war. Der kleine Verlag Urs Engeler hat sich jetzt des Werks dieser Schriftstellerin (1886-1961) angenommen.
Im vergangenen Jahr erschien ein später Gedichtband, in dem es nicht zuletzt um die Liebe zu einem sehr viel jüngeren Mann geht ("Heimliche Deutung"). Jetzt ist ein Roman herausgekommen, in dem sich HD an ihre Jugendjahre voller erotischer Verwicklungen erinnert.
Mit einem Stoßseufzer beginnt dieser Roman:
"Ach diese Zeiten und ihre Moral."
Und weiter heißt es:
"Es war die Zeit der 'Ismen'. Und des Balletts."
Die Geschichte spielt während des zweiten Weltkriegs in England. Es geht um das Leben von Intellektuellen, das Überleben unter Schriftstellern, Malern, Musikern, vor allem aber geht es um Liebe und Sex. Die Ich-Erzählerin ist ratlos angesichts der Verwerfungen und Veränderungen, die auf sie einstürzen.
Ihr Mann ist als Soldat in Frankreich stationiert, sie wartet auf ihn, und wenn er endlich kommt, dann ist er ein Fremder, ein junger Offizier auf Heimaturlaub, der nichts mehr gemein zu haben scheint mit dem Dichter, den sie einst heiratete.
Genau und eindrucksvoll werden hier die Auswirkungen des Krieges auf das Ehebett beschrieben. Der Mann rechnet mit dem Tod, das lässt ihn rücksichtslos werden. Es gibt eine andere Frau. Er sagt: "Ich liebe Dich, aber ich begehre die andere." Und sie akzeptiert und wartet ab.
Sie will verstehen und schaut zu, schreibt auf, was sie sieht und fühlt, misstraut den Leidenschaften und den Versprechungen. Sie verliebt sich in einen anderen Schriftsteller, der in seinen Briefen von großen Entwürfen schreibt, in seinen Romanen gewaltige erotische Theorien entwickelt, in Wirklichkeit aber vor der kleinsten Berührung zurückschreckt. Vielleicht liebt er doch nur seine blonde deutsche Ehefrau. In dem Roman "Madrigal" stimmt die Autorin HD ein vielstimmiges, ein verwirrendes Liebeslied an.
"HD" - so ist diese wichtige Autorin der literarischen Moderne in die Geschichte eingegangen. Eigentlich hieß sie Hilda Doolittle, aber Ezra Pound, der große Dichter, der für eine kurze Jugendzeit ihr Verlobter und für eine lange Lebenszeit ihr Freund war, hatte ihr die Abkürzung mit auf den literarischen Weg gegeben. HD hat mit "Madrigal", diesem großen Erinnerungsroman an eine Zeit des Umbruchs, das geschrieben, was man einen Schlüsselroman nennt.
Kenner der literarischen Szene wissen, dass die Ich-Erzählerin mit der Autorin viele biografische Gemeinsamkeiten teilt, wer für ihren untreuen Mann das Vorbild abgab und dass sich hinter dem dominanten charismatischen Schriftsteller, der eine stattliche deutsche Ehefrau hat, die für ihn Mann und Kinder verließ, D.H. Lawrence verbirgt.
Das Spiel mit den realen Vorbildern hat zweifellos einen Reiz, aber letztlich ist es für die Geschichte nicht wirklich wichtig. Auch wenn man keines dieser Vorbilder kennt oder je von ihnen gehört hat, zieht einen die Ratlosigkeit, die Empfindungsgenauigkeit und Beobachtungsschärfe dieser jungen Frau in den Bann, die sich - wie alle ihre Freunde - nicht vorstellen kann, wie und dass es weitergehen soll nach all diesen Liebesverwerfungen - und nach dem Krieg, der als Folie des Schreckens über alle Erfahrungen und Begegnungen gespannt ist.
Rezensiert von Manuela Reichart
HD: Madrigal
Aus dem amerikanischen Englisch von Anja Lazarowicz
Urs Engeler Editor, Basel/Weil am Rhein, 2008
224 Seiten, 19,00 Euro
Im vergangenen Jahr erschien ein später Gedichtband, in dem es nicht zuletzt um die Liebe zu einem sehr viel jüngeren Mann geht ("Heimliche Deutung"). Jetzt ist ein Roman herausgekommen, in dem sich HD an ihre Jugendjahre voller erotischer Verwicklungen erinnert.
Mit einem Stoßseufzer beginnt dieser Roman:
"Ach diese Zeiten und ihre Moral."
Und weiter heißt es:
"Es war die Zeit der 'Ismen'. Und des Balletts."
Die Geschichte spielt während des zweiten Weltkriegs in England. Es geht um das Leben von Intellektuellen, das Überleben unter Schriftstellern, Malern, Musikern, vor allem aber geht es um Liebe und Sex. Die Ich-Erzählerin ist ratlos angesichts der Verwerfungen und Veränderungen, die auf sie einstürzen.
Ihr Mann ist als Soldat in Frankreich stationiert, sie wartet auf ihn, und wenn er endlich kommt, dann ist er ein Fremder, ein junger Offizier auf Heimaturlaub, der nichts mehr gemein zu haben scheint mit dem Dichter, den sie einst heiratete.
Genau und eindrucksvoll werden hier die Auswirkungen des Krieges auf das Ehebett beschrieben. Der Mann rechnet mit dem Tod, das lässt ihn rücksichtslos werden. Es gibt eine andere Frau. Er sagt: "Ich liebe Dich, aber ich begehre die andere." Und sie akzeptiert und wartet ab.
Sie will verstehen und schaut zu, schreibt auf, was sie sieht und fühlt, misstraut den Leidenschaften und den Versprechungen. Sie verliebt sich in einen anderen Schriftsteller, der in seinen Briefen von großen Entwürfen schreibt, in seinen Romanen gewaltige erotische Theorien entwickelt, in Wirklichkeit aber vor der kleinsten Berührung zurückschreckt. Vielleicht liebt er doch nur seine blonde deutsche Ehefrau. In dem Roman "Madrigal" stimmt die Autorin HD ein vielstimmiges, ein verwirrendes Liebeslied an.
"HD" - so ist diese wichtige Autorin der literarischen Moderne in die Geschichte eingegangen. Eigentlich hieß sie Hilda Doolittle, aber Ezra Pound, der große Dichter, der für eine kurze Jugendzeit ihr Verlobter und für eine lange Lebenszeit ihr Freund war, hatte ihr die Abkürzung mit auf den literarischen Weg gegeben. HD hat mit "Madrigal", diesem großen Erinnerungsroman an eine Zeit des Umbruchs, das geschrieben, was man einen Schlüsselroman nennt.
Kenner der literarischen Szene wissen, dass die Ich-Erzählerin mit der Autorin viele biografische Gemeinsamkeiten teilt, wer für ihren untreuen Mann das Vorbild abgab und dass sich hinter dem dominanten charismatischen Schriftsteller, der eine stattliche deutsche Ehefrau hat, die für ihn Mann und Kinder verließ, D.H. Lawrence verbirgt.
Das Spiel mit den realen Vorbildern hat zweifellos einen Reiz, aber letztlich ist es für die Geschichte nicht wirklich wichtig. Auch wenn man keines dieser Vorbilder kennt oder je von ihnen gehört hat, zieht einen die Ratlosigkeit, die Empfindungsgenauigkeit und Beobachtungsschärfe dieser jungen Frau in den Bann, die sich - wie alle ihre Freunde - nicht vorstellen kann, wie und dass es weitergehen soll nach all diesen Liebesverwerfungen - und nach dem Krieg, der als Folie des Schreckens über alle Erfahrungen und Begegnungen gespannt ist.
Rezensiert von Manuela Reichart
HD: Madrigal
Aus dem amerikanischen Englisch von Anja Lazarowicz
Urs Engeler Editor, Basel/Weil am Rhein, 2008
224 Seiten, 19,00 Euro