"In Cancun das Boot auf Geschwindigkeit bringen"

Eduardo Rojas im Gespräch mit Gabi Wuttke · 04.12.2010
Der Vizedirektor des Waldressorts der UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO), Eduardo Rojas, zeigt sich optimistisch mit Blick auf den Klimagipfel im mexikanischen Cancun. Auch beim Thema Waldschutz gehe er von Erfolgen aus.
Gabi Wuttke: Den Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren, um die Erderwärmung zu stoppen – mit vollem Mund backt die Politik nur kleine Brötchen. Auch auf dem UN-Umweltgipfel in Cancun dürfen wir nicht auf ein Sahnetörtchen hoffen. Wenden wir uns deshalb dem Machbaren zu: Fortschritten beim Schutz eines der wichtigsten Speicher von Kohlendioxyd, den Bäumen. Eduardo Rojas ist der stellvertretende Direktor für Forstwirtschaft bei der FAO, der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen. Heute ist er noch in Rom, aber morgen wird er in Cancun für seine Sache das Wort ergreifen. Guten Morgen, Herr Rojas!

Eduardo Rojas: Einen schönen guten Morgen!

Wuttke: Hoffen Sie, oder sind Sie überzeugt, dass es in Cancun Fortschritte beim Schutz der Wälder geben wird?

Rojas: In diesem Bereich rechnen wir auf Fortschritte, denn die vorausgehenden Verhandlungen waren sehr positiv. Und es ist fast das Einzige, wo es ein großes Einvernehmen zwischen den Ländern gibt, zwischen den verschiedenen Regionen und Entwicklungsstadien, sowohl entwickelten wie Entwicklungsländern. Über das Instrument des sogenannten REDD plus, reduction, also Verringerung von der Entwaldung und Walddegradation. Über dieses Instrument besteht ein großes Einvernehmen und höchstwahrscheinlich wird es auch in Cancun verabschiedet. Das Risiko besteht darin, dass dieses Instrument die gesamte Vereinbarung des Kyoto-Protokolls II braucht, das heißt, wenn es nicht ein Gesamteinvernehmen gibt, dann kann dieses Instrument nicht voll eingreifen.

Wuttke: Vielleicht könnten Sie uns erst mal schildern, was dieses Instrument genau beinhaltet?

Rojas: REDD versucht den Ländern, den tropischen Entwicklungsländern, dafür Ressourcen anzubieten, dass sie ihre Entwaldung herunterfahren und gegebenenfalls sogar wieder rückgängig machen durch Aufforstung. Das heißt, Mittel aus den entwickelten Ländern werden zu den Entwicklungsländern gehen in einer Dimension um die 30 Milliarden Dollar pro Jahr, ist geschätzt worden, damit sie die Tropenländer halten können.

Wuttke: Und sind denn im Prinzip die wichtigsten Länder bei diesem Versuch mit an Bord?

Rojas: Ja, sowohl die entwickelten Länder – da war Norwegen der Vorreiter, aber viele andere sind dabei, auch Institutionen wie die Weltbank und der Rest des Unionssystems –, wie auch die Entwicklungsländer. Wir haben im Moment 70 Länder in diesen Prozess einbezogen, und darin besteht eigentlich kein großes Problem. Wie gesagt, wir müssen natürlich dieses System innerhalb des gesamten Klimaschutzmechanismus einbetten. Da ist leider im jetzigen Kyoto-Protokoll der Wald überhaupt ganz draußen. Und deshalb ist das Thema entscheidend wichtig.

Man sollte auch darauf hinweisen, dass REDD nicht nur den Wald als einen bedeutenden Kohlenstoffspeicher damit schützt, sondern gleichzeitig REDD versucht, wichtige Umweltfunktionen des Waldes, wie der Bodenschutz, die Wasserregulierung, zu gewährleisten, und gleichzeitig das in einer Form zu machen, dass die ansässige Bevölkerung davon profitieren kann.

Wuttke: Die Staaten sind an so vielen Punkten miteinander zerstritten und können sich nicht wirklich nach vorne bewegen, das ist ja auch der Tenor meiner Anmoderation gewesen. Worauf kann die Forstwirtschaft setzen, um jetzt zu sagen, seht her, wir können eigentlich was machen, wir können was schaffen, wenn ihr mitzieht?

Rojas: Es gibt verschiedene Gründe. Das erste ist natürlich die sehr positive Erfahrung der letzten 100 Jahre, vor allem in Europa, wo dort die Wälder sich unheimlich erweitert haben in Ländern wie Irland oder den Niederlanden, fast haben sich die Wälder verzehnfacht, weil praktisch keine Wälder bestanden Anfang des Jahrhunderts. Auch insgesamt unsere Kohlenspeicherkapazität des europäischen Waldes hat sich verdoppelt in 100 Jahren. Wir haben die Expertise gleichzeitig den Boden zu schützen, Wasser zu regulieren, ökonomische, soziale Funktionen des Waldes, Umweltfunktion mit einander zu verbinden.

Diesen Erfahrungsschatz, der jetzt auch in anderen Ländern greift – wir haben Indien, wir haben China, wir haben Vietnam, wir haben sehr gute Ansätze in solchen Ländern, vor allem in Asien –, weiter auszubreiten zu anderen Ländern. Und natürlich die Bedeutung, dass der Wald praktisch heutzutage um 90 Prozent des Kohlenstoffs die Atmosphäre speichert. Das heißt, wenn die Wälder verschwinden würden, würden wir doppelt so viel Kohlenstoff in der Atmosphäre haben. Und diese Möglichkeit zu relativ geringen Kosten mit vielen positiven sozialen, ökonomischen und Umweltbeieffekten bringt heutzutage den Wald in den Zentralbereich der Klimaverhandlungen, wo es wie gesagt keine größeren Konflikte gibt, aber natürlich, diese Einbettung in das gesamte neue Kyoto-Protokoll II ist doch recht kompliziert. Denn natürlich wollen die Entwicklungsländer nicht, dass die entwickelten Länder ihre Pflichten zur Reduzierung des Kohlenstoffausstoßes mit ihren eigenen wachsenden Wäldern abrechnen können. Das heißt, es gibt noch in den Finanzmechanismen durchaus bedeutende Unterschiede.

Wuttke: Das heißt, welche Überzeugungsarbeit wollen Sie in Cancun leisten?

Rojas: Wir versuchen die verschiedenen internationalen Institutionen, die mit dem Wald arbeiten, vor allem das Collaborative Partnership on Forests, was FAO präsidiert, versucht, dass wir ein durchgehendes, stabiles, breites Einvernehmen haben über diese Rolle des Waldes, dass wir nicht Lücken in den Verhandlungen erhalten und dass wir deshalb auch die Vorreiterrolle des Waldes im Klimaschutz im Auge behalten. Wir wollen natürlich auch sehr viel auf Öffentlichkeitsarbeit bringen, denn die Regierungen sind sehr auf die Meinung der Bevölkerung angewiesen.

Und da sehen wir natürlich das kommende internationale Jahr des Waldes, was 2011 sein wird, als eine herausregende Gelegenheit, den Wert des Waldes von allen Betrachtungen – vom Sozialen, Ökonomischen, Kohlenstoff, Wasser und so weiter – klar voranzubringen. Das ist für uns unheimlich wichtig, denn höchstwahrscheinlich schaffen wir es in Cancun, das Boot in Geschwindigkeit zu bringen, damit am Schluss des Jahres 2011 in den nächsten Verhandlungen in Südafrika ein mögliches Kyoto-II-Protokoll beschlossen wird. Und in diesem Sinn ist natürlich eine hauptsächliche Verhandlung innerhalb des internationalen Jahr des Waldes eine sehr gute Gelegenheit, die Bedeutung des Waldes klarzumachen.

Wuttke: Dann kann ich Ihnen dafür nur viel Erfolg wünschen, auch für das schöne Bild, dass das Boot sich langsam in Bewegung setzt, um am Ende nächsten Jahres uns allen vielleicht tatsächlich auch einen Fortschritt auf einem wichtigen Gebiet zu bringen. Cancun, der Klimawandel und die Forstwirtschaft, dazu im Interview der "Ortszeit" von Deutschlandradio Kultur Eduardo Rojas, der stellvertretende Direktor für Forstwirtschaft bei der FAO, der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen. Herr Rojas, besten Dank!

Rojas: Danke Ihnen!
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