"In achtzig Tagen um die Welt"

Rezensiert von Carolin Fischer |
Einer der bis heute populärsten französischen Autoren des 19. Jahrhunderts ist den meisten Literaturgeschichten zwar nur eine Randnotiz wert, wie gut indes Jules Vernes Romane beim Publikum ankommen, beweisen nicht zuletzt ihre vielen Verfilmungen.
Wir alle erinnern uns an Omar Sharif als Kapitän Nemo, doch hatte bereits James Mason diese Rolle 1954 in "20.000 Meilen unter dem Meer", dem ersten Realfilm von Disney übernommen, der prompt mit zwei Oscars für Ausstattung und Spezialeffekte ausgezeichnet wurde. Sogar fünf Oscars gewann zwei Jahre später die großartige Fassung von "In 80 Tagen um die Welt" mit David Niven in der Rolle des Phileas Fogg, der sein halbes Vermögen darauf verwettet, dass er es schaffen wird, in 80 Tagen die Erde zu umrunden und nach genau 115.200 Minuten pünktlich zum Whist in seinen vornehmen Londoner Club zurückzukehren. Begleitet von seinem Diener Passepartout gelingt ihm das Abenteuer in den verschiedensten Transportmitteln – in Eisenbahnen und Schiffen, aber auch unkonventionell auf einem Elefanten oder im Hundeschlitten – doch wird er bei seiner Heimkehr nach England als vermeintlicher Bankräuber verhaftet. Alles scheint verloren, doch dank des gewonnen Tages bei der Überquerung der Datumsgrenze gewinnt Phileas Fogg auch seine Wette.

Dieser Plot ist heute zwar einerseits veraltet, wo es sogar einer Einhandseglerin gelungen ist, den Erdball schneller als Sir Fogg zu umkreisen, andererseits bietet er eine Vielzahl von Abenteuern und ein buntes Kaleidoskop von Schauplätzen, die seit der Stummfilmära Produzenten, Regisseure und Schauspieler verlockt. So treten nicht weniger als 43 Stars – unter ihnen Frank Sinatra, Marlene Dietrich, Fernandel, Peter Lorre und Buster Keaton – in dem preisgekrönten Streifen von 1956 auf, was zweifellos zu seiner Würdigung als bester Film jenes Jahres beigetragen hat.

Um die Action und den Humor des Romans opulent in Szene zu setzen, haben sich im vergangenen Jahr Jackie Chan und Steve Coogan zusammengetan, um Phileas Fogg und Passepartout erneut Gestalt zu verleihen. Wer ihre Abenteuer aber dennoch nachlesen möchte, dem bietet der Patmos Verlag in der Reihe Winkler-Weltliteratur 130 Jahre nach dem Erscheinen des Originals in einer Neuübersetzung von Sabine Hübner die Gelegenheit dazu.

Erfreulich an dieser Ausgabe ist auch der Abdruck der zahlreichen zeitgenössischen Illustrationen sowie der ausführlichen Zeittafel von Volker Dehs. Seine zum 100. Todestag des Autors neu aufgelegte Biographie gibt ausführlich Auskunft über Leben und Werk Jules Vernes. Der Abschnitt über Vernes nur von geringem Erfolg gekrönten Versuche am Theater mag manchem etwas lang erscheinen, doch gelingt es Dehs, das Klima im Paris um 1850 plastisch zu schildern, so dass wir nachvollziehen können, wie die Weltausstellungen und die radikale Modernisierung der Stadt unter dem Baron Haussmann einen prägenden Einfluss auf den Schriftsteller ausübten.

Spät, erst 1863 nach mehr als zehn Jahren literarischer Versuche, landet Jules Verne mit "Fünf Wochen im Ballon" ein Überraschungserfolg. Seine Verleger Hetzel fordert den Schöpfer des "Naturwissenschaftlichen Romans" auf, weitere Werke dieses Typs zu Schreiben, und Jules Vernes liefert ihm gegen ein festes Monatsgehalt ein bis zwei Romane pro Jahr, also ein gewaltiges Oeuvre, bis er am 24. März 1905 in Amiens stirbt. Zwei Jahre zuvor war es gelungen, die Erde in weniger als 55 Tagen zu umrunden.

Jules Verne: In 80 Tagen um die Welt
Aus dem Französischen übers. von Fritz R. Glunk
Bindlach, 2004
320 Seiten