In 15 Stunden zum neuen Leben
Vor einem Jahr haben Ärzte vom Klinikum Memmingen einem Menschen zwei Spenderarme transplantiert. 15 Stunden dauerte die Operation. Inzwischen kann der Landwirt Karl Merk mit seinen neuen Armen und Händen wieder kräftig zupacken.
"Also so zwei Kilogramm kann ich schon heben, so vom Boden weg, das geht schon gut."
Karl Merk, der Landwirt aus dem Allgäu, sitzt gelassen an einem Tisch im Klinikum Memmingen, legt die Hände in den Schoß. Und das gleicht bereits einem Wunder. Vor einem Jahr sorgte er weltweit für Schlagzeilen - als weltweit erster Patient, der zwei neue Spenderarme erhielt.
"Die Türe aufmachen oder Fahrrad fahren...also ich bin auch schon mit dem Bulldog-Traktor gefahren. Also das alles funktioniert."
Über zehn Jahre hatte Karl Merk nach einem schweren Unfall sein Leben ohne Arme bewältigt. Dann folgte jene 15-stündige Operation, deren Ausgang völlig ungewiss war. Denn nie zuvor war es gelungen, zwei Spenderarme zu transplantieren. Heute, ein Jahr später, ziehen die Experten eine positive Bilanz: die Nachbehandlung verläuft nahezu komplikationsfrei. Die Arme sind gut durchblutet, funktionieren immer besser.
Problematisch war allein die Unterdrückung der körpereigenen Immunreaktionen. Dreimal verhinderten die Mediziner mit starken Medikamenten, dass der Körper die Spenderarme nicht wieder abstößt. Professor Andreas Nerlich, Chefarzt der Institute für Pathologie im Klinikum München-Schwabing:
"Man hat dann die Dosierung der Abstoßungsmedikamente erhöht, vor allem Cortison mehr gegeben und hat dann gerade bei der stärkeren Reaktion ein neues Medikament gegeben, das ein Antikörper gegen eine bestimmte Immunzelle ist, das heute bei der Behandlung der Schuppenflechte eingesetzt wurde und bei Transplantationen noch nie eingesetzt worden ist. Darauf ist diese Reaktion zurückgegangen und beherrschbar geblieben."
Und zwar deshalb beherrschbar, weil die Experten die beiden Spender-Arme vor der Operation entsprechend vorbehandelt hatten. Andreas Nerlich:
"Das ist konditioniert worden sozusagen in dem Knochenmark, das man transplantieren musste, das im Knochen drin ist. Da hat man die Immunzellen selektiv erst einmal ausgelöscht oder hat sie sozusagen reduziert, sodass von dieser Seite die Gefahr ganz offensichtlich erfolgreich verhindert werden konnte."
Karl Merk hat die Behandlung mit den sogenannten Immunsupressiva, also der Medikamente, die das Immunsystem unterdrücken, überraschend gut verkraftet. Auch das ist ungewöhnlich. Andere Patienten, die sich in Zukunft ähnlichen Operationen unterziehen, könnten aber wesentlich sensibler reagieren. Mit Hochdruck arbeiten Mediziner weltweit daher an Operationsmethoden, die ohne den Einsatz solcher starken Medikamente auskommen. Professor Christoph Höhnke, Leiter der Plastischen und Ästhetischen Chirurgie am Klinikum Memmingen, leitete das Transplantationsteam:
"Wir sind im internationalen Kontakt. Und es gibt auch andere Methoden, die vielversprechender sind für eine Toleranzentwicklung, dass man ohne Medikamente eine Transplantation durchstehen kann. Da sind sicherlich Knochenmarktransplantation und Stammzellen beteiligt. Daran arbeiten wir international. Wir erarbeiten Standards und hoffen, in dieser Richtung international weiterzukommen. Aber grundsätzlich hätte dies an dieser ersten Operation nichts geändert."
Wichtig erscheint in der Nachbehandlung ebenso eine ausgeklügelte Physiotherapie. Die zwei Spenderarme müssen sich erst einmal an einen neuen Körper "gewöhnen" - das ist das eine. Das andere aber ist: Auch das Gehirn muss ganz langsam damit vertraut gemacht werden, dass es nach zehn Jahren erstmals wieder Arme steuern muss, erklärt die Physiotherapeutin Heidemarie Geier:
"Dadurch, dass er so lange Zeit keine Arme mehr hatte, ist das motorische Zentrum im Gehirn unterfordert gewesen. Und man konnte auch im CT erkennen, dass die Repräsentation der Arme sich zurückgebildet hat im Gehirn, weil es eben nicht mehr gefordert wurde. Und wir sind jetzt dabei, über die Bewusstseinsebene das wiederzuerlangen, was mal da war. Das geht sehr langsam, ist sehr schwierig - und wie gesagt mit hoher Konzentration von Seiten des Patienten verbunden."
Auf diese Anforderungen hin erarbeitete Heidemarie Geier gemeinsam mit ihrem Team ein weltweit einzigartiges Rehabilitationsprogramm. Nahezu acht Stunden täglich absolviert Karl Merk seine Übungen unter fachlicher Anleitung.
"Das eine sind passive Übungen. Das heißt: Die Hand des Patienten wird geführt und er muss mir sagen, wo die Hand hingeführt wird. Also wir haben Tableaus, wo verschiedene Zahlen drauf sind, verschiedene Formen. Und der Patient muss dann sagen, wo diese Hand sich jetzt befindet, auf welcher Zahl, auf welcher Form."
"Das zweite Stadium ist: Der Patient führt uns dorthin. Er führt uns auf die zwei oder auf die drei. Und die dritte Form wäre dann das perfekte, dass er von sich aus die Hand bei geschlossenen Augen überall dorthin führen kann, wo ihm wir das sagen: Die richtige Richtung, der richtige Weg, die Geschwindigkeit und die richtige Muskelanspannung."
Schon jetzt macht Karl Merk hervorragende Fortschritte. Die Ärzte und Physiotherapeuten sind zuversichtlich, dass er in etwa einem Jahr ein nahezu normales Leben führt.
Karl Merk, der Landwirt aus dem Allgäu, sitzt gelassen an einem Tisch im Klinikum Memmingen, legt die Hände in den Schoß. Und das gleicht bereits einem Wunder. Vor einem Jahr sorgte er weltweit für Schlagzeilen - als weltweit erster Patient, der zwei neue Spenderarme erhielt.
"Die Türe aufmachen oder Fahrrad fahren...also ich bin auch schon mit dem Bulldog-Traktor gefahren. Also das alles funktioniert."
Über zehn Jahre hatte Karl Merk nach einem schweren Unfall sein Leben ohne Arme bewältigt. Dann folgte jene 15-stündige Operation, deren Ausgang völlig ungewiss war. Denn nie zuvor war es gelungen, zwei Spenderarme zu transplantieren. Heute, ein Jahr später, ziehen die Experten eine positive Bilanz: die Nachbehandlung verläuft nahezu komplikationsfrei. Die Arme sind gut durchblutet, funktionieren immer besser.
Problematisch war allein die Unterdrückung der körpereigenen Immunreaktionen. Dreimal verhinderten die Mediziner mit starken Medikamenten, dass der Körper die Spenderarme nicht wieder abstößt. Professor Andreas Nerlich, Chefarzt der Institute für Pathologie im Klinikum München-Schwabing:
"Man hat dann die Dosierung der Abstoßungsmedikamente erhöht, vor allem Cortison mehr gegeben und hat dann gerade bei der stärkeren Reaktion ein neues Medikament gegeben, das ein Antikörper gegen eine bestimmte Immunzelle ist, das heute bei der Behandlung der Schuppenflechte eingesetzt wurde und bei Transplantationen noch nie eingesetzt worden ist. Darauf ist diese Reaktion zurückgegangen und beherrschbar geblieben."
Und zwar deshalb beherrschbar, weil die Experten die beiden Spender-Arme vor der Operation entsprechend vorbehandelt hatten. Andreas Nerlich:
"Das ist konditioniert worden sozusagen in dem Knochenmark, das man transplantieren musste, das im Knochen drin ist. Da hat man die Immunzellen selektiv erst einmal ausgelöscht oder hat sie sozusagen reduziert, sodass von dieser Seite die Gefahr ganz offensichtlich erfolgreich verhindert werden konnte."
Karl Merk hat die Behandlung mit den sogenannten Immunsupressiva, also der Medikamente, die das Immunsystem unterdrücken, überraschend gut verkraftet. Auch das ist ungewöhnlich. Andere Patienten, die sich in Zukunft ähnlichen Operationen unterziehen, könnten aber wesentlich sensibler reagieren. Mit Hochdruck arbeiten Mediziner weltweit daher an Operationsmethoden, die ohne den Einsatz solcher starken Medikamente auskommen. Professor Christoph Höhnke, Leiter der Plastischen und Ästhetischen Chirurgie am Klinikum Memmingen, leitete das Transplantationsteam:
"Wir sind im internationalen Kontakt. Und es gibt auch andere Methoden, die vielversprechender sind für eine Toleranzentwicklung, dass man ohne Medikamente eine Transplantation durchstehen kann. Da sind sicherlich Knochenmarktransplantation und Stammzellen beteiligt. Daran arbeiten wir international. Wir erarbeiten Standards und hoffen, in dieser Richtung international weiterzukommen. Aber grundsätzlich hätte dies an dieser ersten Operation nichts geändert."
Wichtig erscheint in der Nachbehandlung ebenso eine ausgeklügelte Physiotherapie. Die zwei Spenderarme müssen sich erst einmal an einen neuen Körper "gewöhnen" - das ist das eine. Das andere aber ist: Auch das Gehirn muss ganz langsam damit vertraut gemacht werden, dass es nach zehn Jahren erstmals wieder Arme steuern muss, erklärt die Physiotherapeutin Heidemarie Geier:
"Dadurch, dass er so lange Zeit keine Arme mehr hatte, ist das motorische Zentrum im Gehirn unterfordert gewesen. Und man konnte auch im CT erkennen, dass die Repräsentation der Arme sich zurückgebildet hat im Gehirn, weil es eben nicht mehr gefordert wurde. Und wir sind jetzt dabei, über die Bewusstseinsebene das wiederzuerlangen, was mal da war. Das geht sehr langsam, ist sehr schwierig - und wie gesagt mit hoher Konzentration von Seiten des Patienten verbunden."
Auf diese Anforderungen hin erarbeitete Heidemarie Geier gemeinsam mit ihrem Team ein weltweit einzigartiges Rehabilitationsprogramm. Nahezu acht Stunden täglich absolviert Karl Merk seine Übungen unter fachlicher Anleitung.
"Das eine sind passive Übungen. Das heißt: Die Hand des Patienten wird geführt und er muss mir sagen, wo die Hand hingeführt wird. Also wir haben Tableaus, wo verschiedene Zahlen drauf sind, verschiedene Formen. Und der Patient muss dann sagen, wo diese Hand sich jetzt befindet, auf welcher Zahl, auf welcher Form."
"Das zweite Stadium ist: Der Patient führt uns dorthin. Er führt uns auf die zwei oder auf die drei. Und die dritte Form wäre dann das perfekte, dass er von sich aus die Hand bei geschlossenen Augen überall dorthin führen kann, wo ihm wir das sagen: Die richtige Richtung, der richtige Weg, die Geschwindigkeit und die richtige Muskelanspannung."
Schon jetzt macht Karl Merk hervorragende Fortschritte. Die Ärzte und Physiotherapeuten sind zuversichtlich, dass er in etwa einem Jahr ein nahezu normales Leben führt.