Impfgegner und Corona

Woher kommt die Skepsis gegenüber der Schutzimpfung?

06:33 Minuten
Eine Spritze liegt in einem Kölner Impfzentrum in einer Plastikschale bereit (Themenbild, Symbolbild)
Spritze in einem Impfzentrum: Die Impfungen gegen Covid-19 sind bisher schleppend angelaufen. © picture alliance / Geisler-Fotopress / Christoph Hardt
Von Sven Kästner · 11.03.2021
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Die Politik verspricht, dass bald viele Menschen in Deutschland gegen das neue Coronavirus immunisiert werden können. Aber manche trauen den Impfstoffen nicht, andere wittern hinter der Pandemie generell eine große Verschwörung. Woran liegt das?
"Dann erzähle ich Ihnen noch mal ein bisschen, was bei der Impfung mit AstraZeneca zu erwarten ist", sagt Bettina Landeck. Impfzentrum Schönefeld an der südlichen Berliner Stadtgrenze. Hausärztin Bettina Landeck erläutert gerade einer Frau, wie der Impfstoff wirkt.
Dann setzt sie die Nadel an. "Ganz entspannt den Arm runter. Genau, super. Jetzt pikt und drückt es einmal. Lässt sich aushalten, oder?", fragt sie. Nach wenigen Sekunden ist das Serum verabreicht.

"Ich wollte mich von Anfang an impfen lassen"

Elke Engelbert, die Patientin, ist erleichtert: "Ich wollte mich von Anfang an impfen lassen, weil mein Mann sehr schwer lungenkrank ist und ich krebskrank war. Und wir dadurch in diese Risikogruppe zwei gehören."
"Die Menschen, die in ein Impfzentrum kommen, sind bereits gut vorinformiert. Das heißt, da bestehen tatsächlich kaum mehr Unsicherheiten mehr", sagt Bettina Landeck. "Weil das Informationsmaterial, was vorab verschickt wird und den Menschen zugänglich gemacht wird, sehr fundiert ist und sehr umfangreich."
Wer der Impfung dagegen generell misstraut, vereinbart erst gar keinen Termin. Noch vor einigen Wochen zweifelte jeder zweite Deutsche, ob er sich gegen Covid-19 impfen lassen sollte. Das zeigen verschiedene Studien.

Forschung zu fehlender Impfbereitschaft

An der Uni Heidelberg hat der Politologe Reimut Zohlnhöfer untersucht, woher die Skepsis kommt.
"Die Impfbereitschaft zu Corona hängt offensichtlich auch ein Stück weit von dem gesellschaftlichen Klima allgemein ab", erklärt er. "Der Einschätzung der Einzelnen, wie gut die Coronapolitik läuft. Wie vertrauenswürdig die zentralen Akteure sind, die die Coronapolitik bestimmen - und das sind ja vor allen Dingen natürlich die Bundes- und die Landesregierungen, aber eben auch die Wissenschaft. Und die Vermittler dieser Politik, insbesondere die Medien."
Zohlnhöfer hat mit Kollegen aus anderen Fachgebieten schon vor der Pandemie ein Forschungsprojekt zur politischen Selbstermächtigung begonnen. Es geht darum, wie aus Unzufriedenheit mit Institutionen und gesellschaftlichen Hierarchien Protest entsteht. Zum Thema Impfen haben die Forschenden im Juli und Dezember 2020 jeweils 1300 Menschen befragt.
"Zumindest in der zweiten Umfrage finden wir einen nicht zu starken, aber immerhin einen Effekt von AfD-Wahl. Also AfD-Wähler und -Wählerinnen scheinen weniger bereit zu sein, sich impfen zu lassen", sagt der Politologe. "Das ist gleichfalls ein Zeichen der Unzufriedenheit wahrscheinlich mit der aktuellen Politik."

Krude Gerüchte und Unsicherheit

"Praxis Dr. Staudt, Wendt, guten Tag!" Das Wartezimmer der Berliner Hausärztin Beatrice Staudt ist fast leer. In Zeiten strenger Abstandsregeln infiziert sich kaum jemand mit Grippe oder Erkältungskrankheiten. Die Allgemeinmedizinerin sagt, dass sich die meisten ihrer Patientinnen und Patienten gegen Corona impfen lassen wollen. Aber zuweilen stößt sie auf krude Gerüchte.
"Wir haben zum Teil aus dem nahen Bekanntenkreis junge Frauen, die sagen: Ich möchte nicht unfruchtbar werden durch die Impfung zum Beispiel", erzählt sie. "Manche sagen auch: Ich möchte nicht der Erste sein. Ich weiß nicht, was passiert mit einem mRNA-Impfstoff. Was ist da, das ist ein neuer Impfstoff? Ich möchte lieber einen älteren Impfstoff haben."
Beatrice Staudt will sich Zeit nehmen, um aufzuklären. Auch deshalb wird sie sich ab April am Impfprogramm in den Arztpraxen beteiligen.
"Mit Sicherheit kann man Impfskeptiker hier noch mal überzeugen", sagt sie. "Auch wenn die zum Beispiel wieder weggehen, weil sie es sich überlegen wollen - und dann noch mal kommen. Das kann man sicherlich hier leisten."

Angst vor Kontrollverlust fördert Verschwörungsglauben

Wer allerdings Staat und Politik generell misstraut, wird sich auch vom Hausarzt nicht überzeugen lassen. Die Coronapandemie mit ihren komplexen Zusammenhängen, dazu das Virus als unsichtbarer Feind – all das fördert den Glauben an Verschwörungstheorien.
Peter Kirsch vom Zentralinstitut für seelische Gesundheit der Uni Heidelberg erkennt darin die Angst vor Kontrollverlust.
"Es wurde ja viel davon gesprochen, dass wir nur auf Sicht fahren können", sagt er. "Das bedeutet de facto: Eigentlich können wir nicht kontrollieren, was uns in nächster Zeit passiert. Und ein ganz ähnliches Motiv haben wir im Prinzip ja auch bei einer Impfung. Wo ich auch keine Kontrolle darüber habe, was in meinen Körper kommt. Und wo ich Angst davor habe, dass mir Dinge passieren, die ich nicht kontrollieren kann."

Soziales Lernen statt Zwang

Zwang hilft gegen solche Ängste wenig. Trotzdem kocht das Thema Impfpflicht immer wieder hoch. Katharina Paul hält dies für eine schlechte Idee. Die Politikwissenschaftlerin analysiert an der Uni Wien die Impfsysteme verschiedener europäischer Länder.
"Kurzfristig können natürlich Impfpflichten die Impfraten steigern", sagt sie. "Langfristig würde man riskieren, dass das Vertrauen in das Impfsystem vielleicht eher sinkt oder das Vertrauen in die Politik sinkt."
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler empfehlen deshalb, lieber auf das Modell des sozialen Lernens zu setzen: Je mehr Menschen sich ohne Schaden impfen lassen, desto mehr überzeugt dies Zweifelnde.
Katharina Paul verweist auf die aktuelle Entwicklung: "Ich glaube, dass wir recht lang befürchtet haben - vor allem im Sommer und Herbst letzten Jahres - dass die Impfbereitschaft so gering sein würde. Und jetzt zeigt sich doch in den meisten Ländern, dass es nicht so ist, und die Akzeptanz steigt."
Ärztin Bettina Landeck im Impfzentrum Schönefeld erlebt das auch so: "Die Impfbereitschaft hat zugenommen. Wir sehen das zum einen an den Terminen, die in den Impfzentren vergeben worden sind. Die am Anfang zögerlich nur wahrgenommen worden sind. Und ich sehe es auch in meiner hausärztlichen Tätigkeit."
Vor der Impfkabine steht schon der nächste Interessent. Zuvor bekommt Patientin Elke Engelbert noch ihre Impfbescheinigung. Schon bald wird sie immun sein gegen Covid-19.
"So, das wichtigste Ereignis des heutigen Tages haben Sie hinter sich gebracht", sagt die Ärztin. "Dann bedanke ich mich", freut sich Elke Engelbrecht.
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