Imperialismus des 21. Jahrhundert

Die chinesische Schuldenfalle

Ehrenformation chinesischer Soldaten in Peking
Zurschaustellung der eigenen Stärke: Chinesische Soldaten bei einer Parade in Peking © imago / UPI Photo
Von Georg von Wallwitz · 20.03.2018
China etabliert sich zunehmend als Führungsmacht in der Welt. Ein strategisches Werkzeug dafür: kurzfristige Kredite für langfristig angelegte Infrastrukturmaßnahmen. Eine listige Schuldenfalle, in die andere Staaten zunehmend tappen, meint der Analyst Georg von Wallwitz.
Als die Briten 1997 Hongkong zurück übereigneten, wurde dies in China als der Schlussstrich unter einem "Jahrhundert der Erniedrigung" durch die Europäischen Kolonialmächte gefeiert. Gut 20 Jahre ist dies nun her und man kann sagen, dass China seine Lektion gut gelernt hat. Es etabliert sich jetzt selbst als Führungsmacht und wird dabei den alten Kolonialherren immer ähnlicher.
Das Vorgehen ist dabei etwa das Folgende: China finanziert im Rahmen seines Zukunftsprojektes "Neue Seidenstraße" für bis zu 8.000 Milliarden Dollar Infrastruktur in Schwellenländern. Dieses Geld kommt aber nicht in Form von Hilfe zur Selbsthilfe oder als Schenkung, sondern oft als kurzfristiges Darlehen. Und das hat gravierende Folgen: Als Sicherheit für die Rückzahlung dieser Kredite bekommt China ein Pfandrecht auf die Reichtümer des entsprechenden Landes – seien es Rohstoffe oder die gerade entstandene Infrastruktur.

Lauter gute Geschäfte für die Chinesen

Nun sind Infrastrukturprojekte langfristige Angelegenheiten und sie passen nicht zu kurzfristigen Krediten. Und so wundert es nicht, dass die Finanzierung mitunter schief geht. Beispielsweise baute Sri Lanka an seiner strategisch wichtigen Südküste für etwa sechs Milliarden Dollar einen modernen Tiefseehafen. Das ging nur mit Hilfe chinesischer Baufirmen und chinesischem Geld.
Da diese Gegend zu den wirtschaftlich schwächeren gehörte, war der Hafen kaum ausgelastet. Die Schulden konnte Sri Lanka bald nicht mehr bedienen. Und so geschah es Ende letzten Jahres, dass der Inselstaat den Hafen mit samt angrenzendem Industriegebiet an einen chinesischen Staatskonzern verpachten musste.
Im Gegenzug wurde eine Milliarde Dollar der Schulden gestrichen. Die Pachtfrist beträgt, wie einst im Falle Hongkongs, 99 Jahre. Und fünf Milliarden Dollar Schulden sind geblieben. Ein gutes Geschäft für die Chinesen.

Erst kommen die Händler, dann die Soldaten

Kenia geht es ähnlich wie Sri Lanka: Auch der Hafen von Mombasa, das Tor nach Ostafrika, könnte bald unter chinesischer Kontrolle stehen. Und es bleibt mittlerweile auch nicht bei zivilen Projekten. Djibouti, strategisch wichtig am Horn von Afrika gelegen, ist ebenfalls stark im Reich der Mitte verschuldet. Vor kurzem hat die dortige Regierung eingewilligt, China eine Militärbasis zu verpachten.
Neben Djibouti haben Tadschikistan, Kirgistan, Laos, die Malediven und die Mongolei Schulden bei China, die ein Drittel ihrer jährlichen Wirtschaftsleistung überschreiten. Auch diesen Ländern droht die chinesische Schuldenfalle.
Erst kommen die Händler, dann die Soldaten. China setzt sich an den strategisch wichtigen Punkten fest, um den globalisierten Handel besser zu kontrollieren. Joschka Fischer nennt die Entwicklung Chinas ein "leninistisches Modell auf digitaler Grundlage".
Da dieses Modell wenig Sympathien hervorruft, bindet die aufsteigende Macht des 21. Jahrhunderts strategisch interessante Länder via Scheckbuch an sich. Die dadurch entstehende Abhängigkeit ist groß. Sie erinnert an die Machtfülle von Kolonialmächten in vergangenen Jahrhunderten.
Die Gelegenheit für Chinas Machtausbau ist äußerst günstig, denn Europäer und Amerikaner sind mit sich selbst beschäftigt, jeweils auf ihre eigene Weise. Geostrategisches Denken ist heute weder Washingtons noch Brüssels Stärke. In Peking freut man sich darüber. Willkommen im Zeitalter des Neoimperialismus chinesischer Prägung.
Georg von Wallwitz
Georg von Wallwitz© Katharina von Wallwitz

Georg von Wallwitz, geboren 1968 in München, studierte Mathematik und Philosophie. Nach der Promotion und einem wissenschaftlichen Jahr an der Universität Princeton, USA wurde er Fondsmanager, zunächst angestellt bei einer Münchner Privatbank, dann ab 2004 selbständig als Teilhaber der "Eyb & Wallwitz Vermögensmanagement". Über die Finanzwelt schreibt er als Analyst ein regelmäßiges "Börsenblatt für die gebildeten Stände". Letzte Buchveröffentlichung: "Mr. Smith und das Paradies: Die Erfindung des Wohlstands" (Berenberg Verlag 2013).

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