Immunprobleme in der Schwerelosigkeit
Der französische Airbus A 300 Zero G ist ein fliegendes Labor. An Bord: zwei Versuche der Universität Magdeburg. Mit ihnen will Oliver Ullrich herausfinden, warum das menschliche Immunsystem dazu neigt, in der Schwerelosigkeit seinen Dienst aufzugeben.
Oliver Ullrich ist Anatomieprofessor in Zürich und Professor für Weltraumbiotechnologie in Magdeburg. Seit den ersten Apollo-Missionen sind schwere Infektionen der Astronauten bekannt: Atemwegserkrankungen, Hautpilze, schwer heilende Wunden, Harnwegsinfektionen.
"Als persönlich besonders gefährlich betrachte ich für Astronauten eine schleichende Gefahr, die vom Hirn droht. Es gibt normalerweise in unserem Körper eine ganze Reihe von Viren, die in unserem zentralen Nervensystem, im Hirn, überleben. Sie werden unter Kontrolle gehalten. Wenn das Immunsystem dauerhaft aussteigt, dann kommt es zu einem Wiedererwachen dieser gefährlichen Viren."
Steil fliegt der Airbus in den Himmel, dann stürzt er in die Tiefe - das Flugzeug beschreibt eine Parabel. Während des Falls wird für 22 Sekunden die Schwerkraft aufgehoben. Immer wieder tauschen Oliver Ullrich und seine Crew die Zellbehälter im Versuchsmodul aus. Wenn die Schwerelosigkeit einsetzt, werden die Zellen aktiviert. Danach werden die Prozesse mit einer Fixierlösung gestoppt. Der Wissenschaftler untersucht verschiedene Immunzellen: T-Lymphozyten, Makrophagen, Microgliazellen. In seinem zweiten Versuch beobachtet er die Produktion von Sauerstoffradikalen. Und kann sofort nach der Landung das Ergebnis am Laptop sehen. Oliver Ullrich, seine Projektpartnerin Kathrin Huber und Doktorandin Astrid Horn sitzen verzückt vor dem Bildschirm, betrachten eine gezackte Kurve, die nach oben steigt und immer wieder unterbrochen ist.
"Schau mal, du kannst die Parabeln abzählen. Wir sehen hier, dass unsere Zellen massiv auf den Wegfall der Schwerkraft reagieren und zwar innerhalb von wenigen Sekunden."
Mit einem so deutlichen Ergebnis hat Kathrin Huber nicht gerechnet. Auch Oliver Ullrich ist euphorisch. Mit dem Experiment hat er den Schwerkraftsensor in den Zellen nachgewiesen. Auch mit dem anderen Experiment findet er Grundlegendes.
"Die T-Lymphozyten, die steuernden Zellen des Immunsystems, verlieren ihre Aktivität. Und wir haben herausgefunden, dass auf Zellebene in Schwerelosigkeit bestimmte Moleküle angeschaltet werden, die die Zellteilung blockieren. Wir haben herausgefunden, dass in einem ganz wichtigen Typ des Immunsystems, den Fresszellen - die brauchen wir, damit Angreifer getötet und verspeist werden können -, dass dort diese Funktion in der Schwerelosigkeit gestört ist. Bereits nach Schwerelosigkeit geht das los. Und wir wollen jetzt natürlich wissen: sind diese Veränderungen nur kurzfristig, oder bleibt das so?"
Um das herauszufinden, braucht der Immunologe Versuche auf TEXUS. Die Forschungsrakete des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt soll in Nordschweden in eine Höhe von 250 Kilometer geschossen werden. Ingenieure von EADS Astrium haben die Technik für die Versuche entwickelt. In ein Modul, kleiner als eine Autobatterie, werden Spritzen mit Immunzellen gebaut. Sie werden während des Flugs automatisch aktiviert und wieder gestoppt. Am Tag des Starts Ende März dieses Jahres beginnt das Vorbereitungsteam um Mitternacht mit der Aufbereitung der Zellen. Die Akteure im Kontrollzentrum sind spürbar nervös. Gebannte Blicke ruhen auf dem Bildschirm mit der geöffneten Luke des Abschussturms. Eine Minute nach sechs Uhr morgens schießt die Rakete aus dem Turm. Ingenieure und Wissenschaftler verfolgen den Flug auf Monitoren. Fünf Minuten ist die Rakete schwerelos, jetzt laufen die Versuche.
Ein Hubschrauber bringt nach der Landung die Rakete zurück. Die Zellen werden präpariert für den Transport. In der Heimat werden sie derzeit untersucht. Oliver Ullrich erwartet bis zum Herbst wichtige Daten. Sie sind Basis für Versuche, die er auf der Internationalen Raumstation durchführen wird:
"Diese Fresszellen werden dann unter Schwerelosigkeitsbedingungen auf der ISS untersucht, ob sie genau diese Fress- und Tötungsstörung haben, die wir bei kurzzeitiger Schwerelosigkeit gefunden haben. Dann gibt es noch ein anderes Experiment auf der ISS. Und mit dem Projekt möchten wir herausfinden: Können unsere Zellen des Immunsystems lernen, mit der Schwerelosigkeit zu leben, oder ist es ein hoffnungsloses Unterfangen?"
Im Herbst wird Oliver Ullrich an der ersten chinesisch-deutschen Weltraummission Shenzhou 8 beteiligt sein. Wie die Zellen auf zwei Wochen Schwerelosigkeit reagieren - darauf ist der Wissenschaftler gespannt. Möglicherweise, mutmaßt er, kann ja der Mensch ja gar nicht für lange Zeit - wie etwa eine Marsreise - außerhalb des Erdorbits leben.
"Als persönlich besonders gefährlich betrachte ich für Astronauten eine schleichende Gefahr, die vom Hirn droht. Es gibt normalerweise in unserem Körper eine ganze Reihe von Viren, die in unserem zentralen Nervensystem, im Hirn, überleben. Sie werden unter Kontrolle gehalten. Wenn das Immunsystem dauerhaft aussteigt, dann kommt es zu einem Wiedererwachen dieser gefährlichen Viren."
Steil fliegt der Airbus in den Himmel, dann stürzt er in die Tiefe - das Flugzeug beschreibt eine Parabel. Während des Falls wird für 22 Sekunden die Schwerkraft aufgehoben. Immer wieder tauschen Oliver Ullrich und seine Crew die Zellbehälter im Versuchsmodul aus. Wenn die Schwerelosigkeit einsetzt, werden die Zellen aktiviert. Danach werden die Prozesse mit einer Fixierlösung gestoppt. Der Wissenschaftler untersucht verschiedene Immunzellen: T-Lymphozyten, Makrophagen, Microgliazellen. In seinem zweiten Versuch beobachtet er die Produktion von Sauerstoffradikalen. Und kann sofort nach der Landung das Ergebnis am Laptop sehen. Oliver Ullrich, seine Projektpartnerin Kathrin Huber und Doktorandin Astrid Horn sitzen verzückt vor dem Bildschirm, betrachten eine gezackte Kurve, die nach oben steigt und immer wieder unterbrochen ist.
"Schau mal, du kannst die Parabeln abzählen. Wir sehen hier, dass unsere Zellen massiv auf den Wegfall der Schwerkraft reagieren und zwar innerhalb von wenigen Sekunden."
Mit einem so deutlichen Ergebnis hat Kathrin Huber nicht gerechnet. Auch Oliver Ullrich ist euphorisch. Mit dem Experiment hat er den Schwerkraftsensor in den Zellen nachgewiesen. Auch mit dem anderen Experiment findet er Grundlegendes.
"Die T-Lymphozyten, die steuernden Zellen des Immunsystems, verlieren ihre Aktivität. Und wir haben herausgefunden, dass auf Zellebene in Schwerelosigkeit bestimmte Moleküle angeschaltet werden, die die Zellteilung blockieren. Wir haben herausgefunden, dass in einem ganz wichtigen Typ des Immunsystems, den Fresszellen - die brauchen wir, damit Angreifer getötet und verspeist werden können -, dass dort diese Funktion in der Schwerelosigkeit gestört ist. Bereits nach Schwerelosigkeit geht das los. Und wir wollen jetzt natürlich wissen: sind diese Veränderungen nur kurzfristig, oder bleibt das so?"
Um das herauszufinden, braucht der Immunologe Versuche auf TEXUS. Die Forschungsrakete des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt soll in Nordschweden in eine Höhe von 250 Kilometer geschossen werden. Ingenieure von EADS Astrium haben die Technik für die Versuche entwickelt. In ein Modul, kleiner als eine Autobatterie, werden Spritzen mit Immunzellen gebaut. Sie werden während des Flugs automatisch aktiviert und wieder gestoppt. Am Tag des Starts Ende März dieses Jahres beginnt das Vorbereitungsteam um Mitternacht mit der Aufbereitung der Zellen. Die Akteure im Kontrollzentrum sind spürbar nervös. Gebannte Blicke ruhen auf dem Bildschirm mit der geöffneten Luke des Abschussturms. Eine Minute nach sechs Uhr morgens schießt die Rakete aus dem Turm. Ingenieure und Wissenschaftler verfolgen den Flug auf Monitoren. Fünf Minuten ist die Rakete schwerelos, jetzt laufen die Versuche.
Ein Hubschrauber bringt nach der Landung die Rakete zurück. Die Zellen werden präpariert für den Transport. In der Heimat werden sie derzeit untersucht. Oliver Ullrich erwartet bis zum Herbst wichtige Daten. Sie sind Basis für Versuche, die er auf der Internationalen Raumstation durchführen wird:
"Diese Fresszellen werden dann unter Schwerelosigkeitsbedingungen auf der ISS untersucht, ob sie genau diese Fress- und Tötungsstörung haben, die wir bei kurzzeitiger Schwerelosigkeit gefunden haben. Dann gibt es noch ein anderes Experiment auf der ISS. Und mit dem Projekt möchten wir herausfinden: Können unsere Zellen des Immunsystems lernen, mit der Schwerelosigkeit zu leben, oder ist es ein hoffnungsloses Unterfangen?"
Im Herbst wird Oliver Ullrich an der ersten chinesisch-deutschen Weltraummission Shenzhou 8 beteiligt sein. Wie die Zellen auf zwei Wochen Schwerelosigkeit reagieren - darauf ist der Wissenschaftler gespannt. Möglicherweise, mutmaßt er, kann ja der Mensch ja gar nicht für lange Zeit - wie etwa eine Marsreise - außerhalb des Erdorbits leben.