Immobilien-Verrentung

Betongold fürs Alter

06:45 Minuten
Illustration: Einfamilienhaus als Ladenkasse.
Durch die Preissteigerung bei Immobilien ist auch ein kleines Haus heute oft viel Geld wert - davon können die Eigentümer im Alter profitieren. © imago / Ikon Images / Thomas Kuhlenbeck
Von Jörn Straehler-Pohl · 04.04.2022
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Teilverkauf, Leibrenten-Modelle oder Umkehr-Hypothek: Wer im Alter aus seinem Eigenheim Geld machen will, ohne dort ausziehen zu müssen, hat mehrere Möglichkeiten. Doch man sollte sich vorher gut beraten lassen, sagen Verbraucherschützer.
Eine Altbauwohnung wie aus dem Bilderbuch: liebevoll saniert, geschmackvoll mit alten Möbeln eingerichtet. In einem Hamburger Stadtteil wie aus dem Bilderbuch: auf der Uhlenhorst, in der Nähe der Alster. Hier wohnt Rainer Schnell. Dem 72-Jährigen gehört die Wohnung. Noch. Der Rentner und frühere IT-Unternehmer will sie verkaufen, weil er Geld braucht.
„Ich bin zwar nicht arm, auch nicht an Bargeld", sagt er. "Aber ab und zu habe ich den Bedarf, größere Dinge zu machen. Zu verreisen, meine Hobbys zu pflegen und so weiter. Und das kann ich zwar jetzt auch, aber ich muss dann doch ab und zu das Geld von links nach rechts schieben, um zu sehen, was ich davon ausgeben kann.“
Trotz des geplanten Komplettverkaufs – ausziehen will Rainer Schnell nicht, sondern als Mieter möglichst lange hier wohnen bleiben.
„Ich habe ja die Wohnung mehr oder weniger selbst mit aufgebaut – das war ein kompletter Sanierungsfall, als die damals gekauft wurde – und habe da auch viel Geld und viel Schweiß und Herzblut investiert, habe die wachsen sehen und hab mich hier in der Nachbarschaft eingelebt. Für mich gibts keinen Grund, hier auszuziehen. Im Gegenteil.“

Ein Finanzprodukt, das im Trend liegt

Mit der eigenen Wohnung die Rente aufbessern, ohne dafür ausziehen zu müssen: Mit seinen Plänen liegt Rainer Schnell im Trend. Offizielle Zahlen gibt es nicht. Aber allein die vielen Anbieter von Immobilien-Verrentungen zeigen, wie groß die Nachfrage offenbar ist und wie groß der Markt für diese Finanzprodukte. Es gibt zum Beispiel verschiedene Leibrenten-Modelle, es gibt das Modell der Umkehr-Hypothek, und es gibt den Teilverkauf.
„Wir bieten älteren Immobilien-Eigentümern an, einen Teil ihrer Immobilie an uns zu veräußern und danach darin wohnen zu bleiben, als gebe es uns nicht“, sagt Christoph Neuhaus, einer der beiden Gründer des Hamburger Unternehmens „Wertfaktor“. Er hat nach eigenen Angaben als erster Unternehmer das Modell Teilverkauf entwickelt und auf den deutschen Immobilienmarkt gebracht.
Der Vorteil für den Eigentümer: Er bekommt Geld zur freien Verfügung und bleibt Herr im eigenen Haus, zahlt dafür aber einen Preis: „Für den Teil, den wir ankaufen, bekommen wir ein monatliches Nutzungsentgelt, daran verdienen wir Geld, und wir sind gesetzt als Makler für den späteren Gesamtverkauf und auch daran verdienen wir Geld.“

Im Idealfall eine Win-win-Situation

Bei „Wertfaktor“ beträgt das Nutzungsentgelt aktuell 2,9 Prozent der ausgezahlten Summe. Das bedeutet: Wer einen Teil seiner Wohnung für 100.000 Euro an Wertfaktor verkauft, der zahlt pro Jahr 2.900 Euro Nutzungsentgelt an das Unternehmen. Nach zehn Jahren sind das also 29.000 Euro. Und damit mehr als ein Viertel der ausgezahlten Summe. Es ist also wichtig, genau abzuwägen, ob dieses Modell für einen infrage kommt, sagt Alexander Krolzik, Immobilien-Spezialist bei der Hamburger Verbraucherzentrale:
„Sicher ist der Anbieter gerade beim Teilverkauf immer ein Gewinner, das kann man so sagen. Aber auch der Verkäufer kann ein Gewinner sein, wenn das nämlich seine jetzige Lebenssituation verbessert oder vielleicht sogar seine Probleme löst. Im Idealfall ist es eine Win-win-Situation für beide Seiten.“
Unabhängige Beratung sei also wichtig, das gelte nicht nur für den Teilverkauf, sondern auch für alle anderen Modelle. Bei der Leibrente bekommt man zum Beispiel eine monatliche Summe, die sich aus dem Wert der Immobilie und der verbleibenden Lebenserwartung berechnet. Bei der Umkehr-Hypothek dient die Immobilie als Sicherheit für eine monatliche oder einmalige Kreditzahlung.

Schon eine kleine Immobilie ist heute viel wert

Was die Modelle vereint: Sie sind interessant geworden durch die großen Wertsteigerungen der vergangenen Jahre. Selbst Eigentümer kleinerer Immobilien säßen inzwischen auf viel Geld, sagt Alexander Krolzik:
"Das war früher ein bisschen anders. Da hat man das Gefühl gehabt, okay, das ist meine Immobilie, in der ich lebe und die brauche ich auch. Alternativen habe ich nicht. Und jetzt ist es eben ein bisschen anders. Jetzt habe ich einen Wert, der ist so gigantisch groß, dass die Menschen sich das nie haben vorstellen können und viele möchten daran partizipieren und Geld in die Hände bekommen und nicht nur drin wohnen.“
Verbraucherschützer wie Alexander Krolzik kritisieren, dass es noch keine gesetzlichen Regeln für diesen wachsenden Markt der Immobilienverrentung gibt, um die verschiedenen Angebote besser miteinander vergleichen zu können. Regelungsbedarf besteht auch beim Thema Steuern. Beim privaten Immobilienverkauf fallen in der Regel keine Steuern an. Beim Leibrenten-Modell dagegen schon, erklärt der Immobilien-Ökonom Wolfgang Maennig von der Uni Hamburg:
„Wie so oft bei uns muss man sich da steuerlich beraten lassen. Es kann also sein, dass das, was man sich als Extra-Rendite überlegt hat, dass das unter Umständen weg ist, wenn es dann besteuert wird."

Das Nutzungsrecht an der Wohnung bleibt

Doch natürlich geht es bei der Immobilien-Verrentung nicht nur ums Geld – auch darüber sollte man sich klar sein. Nicht selten stecken in einer Wohnung oder einem Haus jahrzehntelange Arbeit und Entbehrungen.
„Ja, das ist mit Sicherheit eine stark emotionale Sache, das hindert sicherlich auch viele Ältere daran, es zu tun", sagt Maennig.
"Aber man muss immer wieder erinnern: Man ist zwar nicht mehr der Eigentümer, man ist dann aber der Nießbrauch-Herr, wenn man das so formulieren will. Das heißt, man hat die vollen Verfügungsrechte insofern, dass man drin wohnen bleiben kann, es kann einen auch keiner rauskündigen und so weiter und so fort.“

Preissteigerungen versprechen hohe Rendite

So pragmatisch sieht das auch der Hamburger Rentner Rainer Schnell. Auch für ihn zählt, dass er nach einem Verkauf als Mieter in seiner Altbauwohnung bleiben kann. Die Angebote der verschiedenen Immobilien-Verrenter haben ihm allerdings nicht gefallen.  Er sucht sich mithilfe eines Maklers jetzt selbst den Käufer.
„Denn es ist ja auch so: Sie bekommen die Wohnung jetzt zu einem recht günstigen Preis. Ich wohne hier zwar, aber sie wollen ja auch gar nicht selbst einziehen. Wenn man von den durchschnittlichen Preissteigerungen in der Immobilienbranche ausgeht, dann machen die eine fette Rendite in den Jahren, die sie die Wohnung hier haben. Und das ist für die meisten, denke ich, der Antrieb, das zu machen.“
Nicht nur den geplanten Verkauf sieht Rainer Schnell pragmatisch. Er sagt, dass er noch eine statistische Lebenszeit von 13-einhalb Jahren hat. Und für die will er genug Geld haben.
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