Immerhin durchgehalten

Von Markus Rimmele |
Da kämpft einer um sein politisches Überleben, mit erheblichem Aufgebot. Thomas Flierl hat zur Vorstellung seiner Bilanz geladen, flankiert von seinen beiden Staatssekretären trägt er sie mündlich vor, ohne den Verweis auf das Internet zu vergessen. Da sei die ausführliche Version in schriftlicher Form ab sofort nachzulesen. Kurz zusammengefasst versucht Flierl zu sagen: Die Lage war höchst misslich, doch ich habe das Beste daraus gemacht.
"Wenn Sie sich zurückversetzen an den Beginn der Legislaturperiode, ging es darum, mit einer Ausgangslage konfrontiert zu werden, einer Haushaltsnotlage. Und die unmittelbare Reaktion darauf war natürlich dass eine große Anzahl von Schließungsszenarien vor der Tür stand: Unser Ansatz war, intelligente Lösungen zu finden, einerseits die Substanz zu erhalten, die Institutionen zu modernisieren, neue Handlungsfelder zu eröffnen und vor allem ressortübergreifende Projektarbeit zu entwickeln."

Ein Erfolg zumindest ist Thomas Flierl nicht zu nehmen. Er hat die gesamte Legislaturperiode durchgehalten. Das ist bemerkenswert. Das Amt des Kultursenators gilt als der Schleudersitz der Berliner Politik. Auch Flierl ist der mit Abstand umstrittenste Senator der Stadt. Daher hat er wohl auch die Eigenwerbung nötig, drei Wochen vor den Berliner Wahlen.

Es waren bewegte Jahre mit wichtigen Weichenstellungen im Kultur- und Wissenschaftsbereich. Neue Hochschulverträge, die Fusion der Universitätsmedizin, die Rettung der Kunsthochschulen, der Hauptstadtkulturvertrag. Thomas Flierl hält sich zu Gute, sein Ressort weitgehend vor massiven Einsparungen bewahrt zu haben. Und das, obwohl ihm der Finanzsenator ständig drohend mit dem Rotstift im Nacken saß. Von der Abwicklung der Berliner Symphoniker abgesehen, konnten radikale Einschnitte vermieden werden. Die Theater sind noch alle da, die Universitäten auch und vor allem die drei Opernhäuser der Stadt. Die Gründung der Opernstiftung hält Flierl für eine seiner größten Leistungen.

"Es geht eben nicht nur um Erhalt der drei Opernhäuser, sondern es geht auch um die Modernisierung der Institutionen. Es ging um deren Entschuldung der Betriebe. Und wir haben mit der Strukturinnovation, der Verselbstständigung des Ballets und mit der in Aussicht genommenen Schaffung einer Zentralwerkstatt wichtige Neuerungen eingebracht, die über den bloßen Erhalt hinweggehen."

Anerkennung erlangte Flierl auch über die Parteigrenzen hinweg mit seinem jüngst vorgestellten Mauergedenkkonzept. Doch genau auf diesem Gebiet wird der Politiker der Linkspartei zur Reizfigur für viele in der Stadt. Wegen seiner Vergangenheit als Mitarbeiter im Kulturministerium der DDR sei er eine permanente Provokation der SED-Opfer, heißt es da schon mal aus den Reihen der CDU. Unglücklich agierte Flierl, als er bei einer Diskussionsveranstaltung ehemalige Stasi-Offiziere nicht in die Schranken wies. Ein immer wiederkehrender Vorwurf ist außerdem, Flierl bevorzuge bei der Posten- und Geldvergabe den Osten. Und schließlich gilt er als Zauderer und abgehobener Intellektueller, der für einen Politiker zu unverständlich sei.

Flierl kämpft auf allen Fronten, denn es sieht nicht gut aus für ihn. Wenn es nicht mehr für Rot-rot reicht am 17. September, ohnehin. Aber auch sonst. In seiner eigenen Partei ist er umstritten, zudem gilt sein Verhältnis zum Regierenden Bürgermeister als schwierig. In der SPD wird sogar laut darüber nachgedacht, Flierls Ressort nach der Wahl kurzerhand aufzulösen, die Wissenschaft der Wirtschaft und die Kultur der Senatskanzlei zuzuschlagen.

"Ich meine, dass für eine Metropole wie Berlin und Hauptstadt, deutsche Hauptstadt die Vorstellung, dass der Kulturbereich der Senatskanzlei zugeordnet ist, quasi der Repräsentationsabteilung des Regierenden Bürgermeisters für absolut provinziell. Ich glaube, dass nur in der Gewährleistung des Eigensinns von Kunst und Wissenschaft wir diese Bereiche auch für diese Stadt, für diese Region, für die Menschen produktiv machen. Und deswegen brauchen sie auch eine eigenständige Vertretung."

Allerdings nicht zwingend mit Thomas Flierl an der Spitze.