Immer tiefer

Von Almuth Knigge, Christina Selzer und Susanne Schrammar · 23.10.2008
Der Mensch gräbt sich immer tiefer in die Erde, weil er immer höher hinaus will. An der Elbe, an der Ems, an der Weser und andernorts, die Aufzählung ließe sich problemlos fortsetzen. Welche Gründe machen die Vertiefer für ihre Projekte geltend? Was sagen die Gegner? Und welche Folgen sind absehbar? Drei Fragen, drei Flüsse, drei Bundesländer.
Beispiel Elbe
Von Almuth Knigge

Hamburg. Der größte Seehafen Deutschlands, einer der zehn größten Containerhäfen der Welt. Dennoch befürchtet die Wirtschaft, dass die Hansestadt bald unattraktiv für den internationalen Seefrachtverkehr werden könnte. Schon jetzt können die größten Containerschiffe bei Ebbe nicht mehr vollbeladen in den Hafen einlaufen. Deshalb soll die Elbe erneut "Tiefer gelegt werden". Und zwar um einen weiteren Meter bis 2009 zwischen Altenwerder und dem Großen Vogelsand an der Flussmündung. Begründung: Die Fahrrinne der Elbe ist bei Niedrigwasser zurzeit an vielen Stellen nur etwa 13,5 Meter tief. Das reicht für die modernen, rund 350 Meter langen Containerriesen nicht aus. Die Grünen haben im Koalitionsvertrag das Projekt abgenickt eigentlich könnte es losgehen. Doch der Protest ist unerwartet stark – nicht nur Umweltschützer, sondern auch die Nachbarländer Schleswig-Holstein und Niedersachsen machen mobil. Almuth Knigge fasst zusammen.

Ganze 52 Strophen fielen Eckermann, dem Goethegetreuen, ein, bevor er den Schlusspunkt unter sein Loblied auf den "stolzen prächt’gen Strom" setzte. Dem Fluss, so befand Eckermann, fehle es an nichts mit seinem "mannigfalt'gen frischen Wasserleben". Jedenfalls damals nicht, vor 170 Jahren.

Nun, im Laufe der letzten 200 Jahre ist der Strom insgesamt acht Mal verbreitert und vertieft worden, zuletzt vor zehn Jahren. Die neunte "Fahrrinnenanpassung" steht kurz bevor. Umfang – 360 Millionen Euro, so der jetzige Stand.

Osterwald: "Bei der weiteren Vertiefung und Verbreiterung von Unter- und Außenelbe geht es darum, die seewärtige Zufahrt von der Nordsee zum international wichtigen Container-Hafen Hamburg weiter zu verbessern und deshalb wird dieser Verkehrsweg von der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes auf Antrag der Freien und Hansestadt Hamburg noch mal für eine weitere Anpassung an die Containerschifffahrt vertieft und verbreitert."

Jörg Osterwald ist Wasserbauingenieur und der Leiter des Projektbüros Fahrrinnenanpassung in Hamburg. Er hält, wie Politik und Wirtschaft in der Hansestadt auch, das Projekt Elbvertiefung für unverzichtbar. Nur wenn die Containerriesen der neuen Generation mit einem Tiefgang von rund 14 Meter den Hamburger Hafen vollbeladen anlaufen können, sei der Hafen konkurrenzfähig. Bei Niedrigwasser können sie den Hafen nicht mehr vollbeladen erreichen, so sein Argument, und das Warten vor der Mündung auf die nächste Flut kostet den Reeder zu viel Geld. Umweltschützer wie Manfred Braasch vom BUND warnen vor dem Ausbaggern des Flusses.

Braasch: "Bei der letzten Elbvertiefung 1999 sind rund 13 bis 14 Millionen qm3 Sediment bewegt worden, diesmal sollen es 38 Millionen qm3 werden, das heißt, der Eingriff ist fast dreimal so hoch. Wir rechnen von Seiten des BUND damit, dass sich die Sauerstoffwerte verschlechtern werden, dass bestimmte Fischarten unter der höheren Strömungsgeschwindigkeit leiden, dass auch die Flachwasserbereiche, das sind die hochproduktiven Bereiche, wo Jungfische und auch Kleinstlebewesen aufwachsen, dass diese Flachwasserbereiche noch weiter abnehmen, und dass auch der Sedimenttransport in den Hamburger Hafen zunimmt und hier eine Verschlickung droht."

Die Anwohner machen sich indes weniger Sorgen um die Vogelbrut und den Fischlaich als mehr um die Sicherheit ihrer Deiche. Wird die Elbe vertieft, dann dringen bei Sturmfluten noch größere Wassermengen in die Flüsse ein, so die Befürchtung. In der Region haben sich Anrainer, Umweltschützer, Kommunalpolitiker, Fischer und Obstbauern zusammengetan. Mit einer Fackelkette demonstrierten sie gegen das Vorhaben.

Umfrage:
"Also erstmal saufen wir hier ab, und das muss nicht sein."
"Ich muss irgendwas was tun, und wenn das auch nur Fackeln anzünden ist. Nur damit noch größere Schiffe irgendwo hinkommen können, das finde ich nicht okay."
"Das man aus rein kommerziellen Gründen uns hier in Gefahr bringt und das tut man eindeutig. Und das wird alles runtergeredet. Wenigstens möchte ich darauf hinweisen mit all den anderen hier, dass wir hier ganz gerne weiterleben wollen und nicht ertrinken wollen."

Jörg Osterwald kennt all die Bedenken. 5200 Einwände gab es im Planfeststellungsverfahren gegen das Projekt. Die Planer sehen neben dem wirtschaftlichen Bedarf aber auch einen ökologischen Nutzen in der Elbvertiefung, Allein durch den Transport über das Wasser werde der CO2-Ausstoß um ein vielfaches verringert, außerdem würde durch ein sogenanntes tideenergiedämpfendes Konzept der Querschnitt der Elbe kaum verändert.

Osterwald: "Und das heißt, dass wir die Wasserstände nicht erhöhen in dem Maße und das wir auch die Strömung nicht erhöhen in dem Maße und somit die schlechten Wirkungen eines Eingriffs minimieren. Und wenn wir das schaffen, Wasserstand und Strömung und alles, was davon abhängt, dann wird auch die Ökologie nur wenig beeinflusst, denn wo sich nichts ändert in der Strömungsgeschwindigkeit, in den Wasserständen, da gibt es auch keine Folgereaktionen in der Natur."

Für Umweltschützer, wie Manfred Braasch, ist das wie Äpfel mit Birnen vergleichen. Klimaschutz dürfe nicht gegen Gewässerschutz ausgespielt werden. Ein nationales Seehafenkonzept, das wäre die Lösung.

Braasch: "Derzeit findet hier folgendes statt. Die Unterelbe soll vertieft werden, die Weser soll vertieft werden für Bremerhaven und auch am Standort Wilhelmshaven wird ein ganz neuer Hafen gebaut, der die ganz großen Containerschiffe abfertigen soll. Und wenn man jetzt sagt, es gibt zukünftig mehr von diesen ganz großen Containerschiffen, wir aber in Norddeutschland eine Arbeitsteilung organisieren, dass wirklich die Containerschiffe, die voll abgeladen mit 14 Meter Tiefgang nach Deutschland unterwegs sind, dann kann man die problemlos in Wilhelmshaven löschen, so ist das eigentlich eine sehr geschickte Lösung, bei der man nicht die Flüsse vertiefen muss."

Die nachgebesserten Unterlagen liegen seit ein paar Tagen - noch bis Ende November - in den zuständigen Behörden nun erneut aus. Die Bedenken der Umweltschützer sind gleichwohl nicht beseitigt. Und Störche, die im seichten Wasser Frösche fangen, wie Eckermann sich wehmütig erinnert, wird es wohl in Zukunft kaum noch geben.


Beispiel Weser
Von Christina Selzer

Auch in Bremen soll bald gebaggert werden, die Fahrrinne der Weser vertieft werden. Und wie an Elbe und Ems gibt es auch an der Weser Befürworter und Gegner. Umweltschützer, Anwohner und Landwirte wollen den Fluss so lassen wie er ist. In den vergangenen Jahren hat es schon einige Vertiefungen gegeben, und seitdem hat sich der Fluss als Ökosystem nicht unbedingt nur positiv entwickelt. Die Argumente der Befürworter sind vorrangig wirtschaftlicher Natur: Der Boom der See- und Binnenhäfen schaffe Arbeitsplätze und mache eine weitere Vertiefung der Weser notwendig. Aber Umweltschützer von BUND und WWF halten den Eingriff allerdings für fatal.
Christina Selzer hat die Argumente von Gegnern und Befürwortern festgehalten.


Bei Bremerhaven soll die Außenweser in der Mündung um einen Meter vertieft werden. So soll der Hafen auch für Containerschiffe mit einem Tiefgang von fast 14 Metern erreichbar sein. Die Schiffe werden immer größer, der Containerumschlag nimmt zu. Das wird sich noch fortsetzen, davon ist Ulrich Günther vom Wasser- und Schifffahrtsamt in Bremerhaven überzeugt.

Günther: "Weil Größe ist wirtschaftlich. Es ist für die Firmen wirtschaftlicher, wenn sie ein großes Schiff einsetzen statt zwei kleine, gerade in diesem Linienverkehr."

Ulrich Günther muss von Amts wegen dafür sein. Schließlich ist er Projektleiter der Weservertiefung. Für ihn steht fest: Es gibt keine Alternative, um beim harten Wettbewerb mithalten zu können:

Günther: "Die Containerverkehre fahren im Liniendienst. Für die ist Zeit Geld. Das heißt, sie müssen rechtzeitig und unabhängig von den Wasserständen, ob nun Ebbe oder Flut, den Containerterminal in Bremerhaven erreichen können, um ihre Verkehre abwickeln zu können."

Martin Rode vom BUND nennt das Vorhaben eine ökologische Katastrophe. Für ihn ist es auch wirtschaftlich nicht nachvollziehbar, weil zugleich die Elbe in Richtung Hamburg vertieft und in Wilhelmshaven ein neuer Tiefwasserhafen, der Jade-Weser-Port gebaut wird. Außerdem habe der neue Containerhafen in Bremerhaven bereits in drei Jahren keine Kapazitäten mehr.

Rode: "Es ist auch davon auszugehen, dass er in allen Teilen in Kürze ausgelastet sein wird. Deshalb planen Bremen und Niedersachsen ja in Wilhelmshaven auch einen sogenannten Tiefwasserhafen zu bauen. Der heißt Tiefwasserhafen, weil er für supergroße Containerschiffe jederzeit zugänglich ist. In dieser Situation macht es überhaupt keinen Sinn, für einen Hafen, der sowieso schon voll ist und wo eine Alternative mit tiefem Zugang in Kürze zur Verfügung steht, nun auch noch die Außenweser weiter zu vertiefen und die entsprechenden ökologischen Schäden hervorzurufen."

Der Vorschlag der Umweltschützer: Die ganz großen Schiffe sollen die Häfen in Wilhelmshaven und Hamburg ansteuern, die kleineren sollen nach Bremerhaven. Statt sich gegenseitig Konkurrenz zu machen, sollten die Hafenbetreiber zusammenarbeiten, fordert Rode.
Schöne Idee, aber leider nicht machbar, behauptet Ralf Heinrich vom Wirtschaftsverband Weser. Bis zum Jahr 2015 wird der Umschlag in Bremerhaven sich verdoppeln, dies heißt auf neun Millionen Container steigen, so die Prognosen der Hafenbetreiber. Ralf Heinrich.

Heinrich: "Der Jade-Weser-Port, der ja erst 2011 frühesten in Betrieb geht, wird überhaupt nicht die Kapazitäten haben, die erforderlich sind, um das zukünftige Verkehrswachstum aufzubauen."

Die Folgen, die die Weservertiefung für die Umwelt haben wird, sind vom Schifffahrtsamt anhand eines Modells am Computer berechnet worden. Die Simulation basiert auf den Erfahrungen früherer Vertiefungen. Viel zu ungenau sei das, klagt Rode vom BUND. Was allerdings jetzt schon klar ist: Das Brackwasser wird salzhaltiger und die Strömung stärker.

Rode: "Das bedeutet, dass der Fluss beginnt sich selbst einzutiefen, insbesondere in der Unterweser, und in den Seitenräumen die Strömungsgeschwindigkeiten nachlassen und dort die flachen Zonen immer weiter verschlicken und damit letztlich verloren gehen. Und gerade diese flachen Seitenbereiche, die sogenannten Flachwasserzonen, sind mit die produktivsten Bereiche des Flusses, vor allem als Fischkinderstube und Aufwuchsbereich."

Auch die Landwirte sind gegen einen weiteren Ausbau. Vor allem an der Unterweser zwischen Nordenham und Brake fürchten sie, dass sich die Brackwasserzone verschiebt und salzhaltiges Wasser in die Viehtränken spült. Peter Kornelius ist der Vorsitzendes des Landvolks Wesermarsch:

Kornelius: "Wir haben hier ein sehr empfindliches Ökosystem, dies heißt wir nehmen Wasser aus der Weser hinein in unser Wassergrabensystem, um die Flächen zu wässern. Wenn wir zu viel Wasser haben, dann leiten wir das bei Ebbe wieder in die Nordsee hinaus. Und dieses System gefährdet, wenn der Salzgehalt der Weser zu hoch ist. Und deshalb lehnen wir vom Grundsatz her die Weser-Vertiefung ab."

Jetzt verhandeln die Bauern mit dem Schifffahrtsamt über Kompensationen. Eine, allerdings kostspielige Möglichkeit könnte etwa sein, das Kanalsystem so umzubauen, dass das Tränkewasser nicht weiter versalzt.

Doch die Weservertiefung hat noch andere Gegner. Die Anwohner zum Beispiel befürchten, dass ihre Häuser absacken könnten. Sportsegler warnen vor einer Verschlickung ihrer Häfen. Und die Deichverbände machen sich Sorgen, dass der Flusspegel bei Flut höher wird. Alle diese Einwände werden derzeit von der Wasser- und Schifffahrtsdirektion in Aurich geprüft. Die Befürworter der Weservertiefung sind optimistisch: Sie gehen davon aus, dass schon im kommenden Jahr die Bagger anrollen. Die Gegner stellen sich darauf ein, vor Gericht zu ziehen.


Beispiel Ems
Von Susanne Schrammar

Neben Elbe und Weser gehört die Ems zu den drei größten Tideflüssen. Sie entspringt südlich des Teutoburger Waldes, fließt durch das Münsterland und das Emsland, mündet nach etwa 370 Kilometern westlich von Emden in die Nordsee. Genau diese Verbindung macht die Ems zu einer der wichtigsten Seewasserstraßen Norddeutschlands. Denn bei Papenburg liegt einer der größten Nutzer der Ems: Die Meyer-Werft. Weil die Reederei in den vergangenen Jahrzehnten immer größere Schiffe gebaut hat, wurde der Fluss immer wieder den Anforderungen des Unternehmens angepasst – zum Leidwesen vieler Emslandbewohner. Susanne Schrammar setzt uns ins Bild.

Die Emsdeiche in der Nähe von Westoverledingen in Ostfriesland vor knapp einem Monat. Unzählige Menschen verfolgen staunend, wie das größte jemals in Deutschland gebaute Kreuzfahrtschiff langsam die Ems herabfährt. Knapp 2900 Passagiere finden Platz auf der Celebrity Solstice. Der Luxusliner ist länger als drei Fußballfelder und so mancher Schaulustiger stellt sich wohl gerade vor, wie es sein mag, im schiffseigenen Kasino Roulette zu spielen. Nicht so Elfriede Oorlog. Der Anblick des Riesenkreuzfahrtschiffes macht die 68-Jährige wütend. Ein Grund dafür findet sich in ihrem Schlafzimmer, 200 Meter Luftlinie vom Emsdeich entfernt.

Oorlog: "Seit vier, fünf Jahren fängt diese Wand an zu reißen. Ich hab diese Risse wohl auch schon vorsichtig mit Gips zugeschmiert. Vor allen Dingen jetzt Anfang des Jahre seit der letzten Baggerung ist es alles wieder aufgegangen."

Das 220 Jahre alte Bauernhaus vibriert alle paar Monate. Immer kurz bevor das nächste Kreuzfahrtschiff der Papenburger Meyer Werft nach Emden überführt werden soll, kommen die Baggerschiffe. Um die vielen Tonnen Schlick rauszuholen, die sich seit den Vertiefungen immer wieder im Flussbett ansammeln. Viermal ist die Ems vertieft worden, das erste Mal 1984. Damals hat auch Elfriede Oorlog "De Dyklopers" – die Deichläufer – gegründet, einen Verein zur Rettung der Ems.

Oorlog: "Heute ist die Ems ja nur noch eine graubraune Brühe, die hin- und hergejagt wird, die Tidewelle hat sich ja verdreifacht im Laufe der Baggerungen und Fische wird es kaum noch in der Ems geben. Früher war die Ems der fischreichste Fluss – da war das Wasser so klar, wenn man darin stand, konnte man die Zehen sehen."

Schwimmen wäre in der heutigen Ems lebensgefährlich, denn weil der Fluss immer wieder begradigt und vertieft wurde, presst sich die Flut beinahe ohne Widerstand hinein. Doch die Ems muss das aushalten, denn als Bundeswasserstraße hat sie vor allem den Zwecken der Wirtschaft zu dienen. Mit Unterstützung der niedersächsischen Landesregierungen hat das Bundesverkehrsministerium bislang alle Anträge der Kommunen auf Ausbau bewilligt. Um die 2500 Arbeitsplätze der Meyer-Werft im Emsland nicht zu gefährden, sagt Wilfried Rodiek von der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nordwest, die dem Verkehrsminister untersteht.

Rodiek: "Die Meyer-Werft hat einfach eine überragende Bedeutung als Wirtschaftsunternehmen, wenn man bedenkt, dass diese Schiffe doch eine hohe Wertschöpfung auslösen und einen hohen Beschäftigungseffekt, nicht nur in Papenburg, sondern ins ganze Bundesgebiet hinein ausüben."

Allein für jede Schiffsüberführung müssen eine Million Kubikmeter angesammelter Schlick aus der Ems gebaggert werden, Kosten ca. 10 bis 15 Millionen Euro. Doch das Baggern allein genügt nicht mehr, um die immer größer werdenden Luxusdampfer überführen zu können. Aus Küstenschutzgründen, aber auch um Schiffe mit einem Tiefgang von 8,50 Meter fahren zu lassen, ist 2002 nahe Emden das Emssperrwerk gebaut worden. Sieben Mal ist es seitdem zum Hochwasserschutz geschlossen wurden, doppelt so häufig wurde der Fluss zur Schiffsüberführung gestaut. Das letzte Mal für die Celebrity Solstice. Herma Heyen vom Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten und Naturschutz:

Heyen: "Zunächst mal haben wir das Emssperrwerk geschlossen und eine Tide eingefangen, aber dann fehlte an den natürlichen Gegebenheiten etwa ein Meter Wassertiefe. Dann haben die Pumpen etwa 30 Stunden gearbeitet, um den Wasserspiegel zu erhöhen und das Kreuzfahrtschiff hatte dann genug Wasser unterm Kiel, um sicher flussabwärts fahren zu können."

Behördliches Entgegenkommen, das von Anton Bruhns aus Ditzum auch mit ein bisschen Neid beäugt wird. Seit 32 Jahren ist der Fischer auf der Außenems unterwegs. Weil die wegen des vielen Schlicks kaum noch Flussfische beheimatet, hat sich seine Familie auf die Krabbenfischerei spezialisiert. Doch jetzt soll auch die Außenems um einen weiteren Meter vertieft werden. Das bedeutet, so der 49-Jährige, mehr Schlick und weniger Krabben.

Bruhns: "Wir holen ungefähr noch 30 Prozent unseres Fangs hier aus der Ems in der Krabbenfischerei, aber es werden ja in Zukunft noch weitere Vertiefungsmaßnahmen kommen und da befürchten wir, dass es zu weiteren Ausfällen kommt. Wo gebaggert wird, da haben Sie keinen natürlichen Lebensboden und da können sie auch keine Krabben fangen. Genauso da, wo es wieder verklappt wird, da werden ja auch wieder Gebiete zerstört."

Deshalb haben Anton Bruhns und seine 26 Fischerkollegen aus Ditzum und Greetsiel angedroht, ihre malerischen Hafenorte zu verlassen, wenn nicht der ausgebaggerte Schlick an Land oder außerhalb der Zwölf-Seemeilen-Zone verklappt wird. Eine Horrorvorstellung für die örtlichen Bürgermeister, denn Ditzum und Greetsiel leben von den bunten Fischkuttern als Touristenmagneten, sagt Bruhns.

Bruhns: "Ja, was würde das bedeuten? Dann gehen hier die Lichter aus im Hafen."

Für die Meyer-Werft dürfte das nicht gelten, die Auftragsbücher sind bis 2012 gefüllt. Ein Sprecher des Unternehmens sagt, dass die jetzt mögliche Emstiefe von 8,50 Meter für den Schiffsbauer auch in Zukunft völlig genügen wird. Viel mehr Spielraum ist bei der Ems auch nicht drin – laut Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nordwest ist die Ems in Sachen Vertiefung an ihre Grenzen gestoßen. Bei Umweltverbänden werden solche Aussagen mit Skepsis aufgenommen. Für sie sieht die Ems längst ihrem ökologischen Tod entgegen. Dennoch, fürchtet Ulrich Thüre, stellvertretender NABU-Geschäftsführer in Niedersachsen, wird sich der Fluss auch in Zukunft den Bedürfnissen der Superdampfer anpassen müssen.

Thüre: "Pan-Max-Klasse, Post-Pan-Max-Klasse und vielleicht eines Tages – Entschuldigung, etwas mit einem Lächeln und Schmunzeln formuliert ist - diskutieren wir über Doppelrumpfkreuzfahrtschiffe, dann brauchen wir vielleicht neben der Ems eine zweite, damit Meyer diese Doppelrumpfkatamaran-Großkreuzfahrtschiffe ans seeschifftiefe Fahrwasser bringen kann."
Luftaufnahme des Gebiets, in dem der Tiefwasserhafen JadeWeserPort gebaut werden soll.
Luftaufnahme des Gebiets, in dem der Tiefwasserhafen JadeWeserPort gebaut werden soll.© AP
Ein Kreuzfahrtschiff aus der Meyer-Werft in Papenburg befährt die Ems in der Nähe von Leer
Ein Kreuzfahrtschiff aus der Meyer-Werft in Papenburg befährt die Ems in der Nähe von Leer© AP