Immer irgendwo dazwischen
Auf die Frage, woher er denn eigentlich komme, hat Dinaw Mengestu keine wirkliche Antwort. Er ist in Äthiopien geboren, in den USA aufgewachsen, und heute lebt er in Paris. Er ist ein Heimatloser, ein Suchender - und das ist gut so: Denn Dinaw Mengestu schreibt verdammt gute Bücher.
"Ich neige dazu, beim Schreiben immer einen bestimmten Song zu hören, fünf oder sechs Stunden am Tag, sechs, sieben Monate lang. Ein bisschen zwanghaft ist das, ja."
Ein Lied für ein Buch. Das ist fast so, als würde sich Dinaw Mengestu ein musikalisches Zuhause suchen. In dieses eine Musikstück taucht er ein, immer und immer wieder.
"Der Computer zählt ja mit, wie oft man einen Song abspielt, und bei einem waren es am Ende des Buches 1800 Mal. Ich hörte ihn überall, bei der Arbeit, zuhause und in Cafés, wenn ich an dem Buch schrieb. Man braucht eben Musik, um sich in eine besondere Stimmung zu bringen. Bei diesem Buch war es "Maps" von den Yeah yeah yeahs. Ein sehr schönes Lied!"
Musik als eine Art Zuhause. Das macht irgendwie Sinn, wenn man sich die Lebensgeschichte dieses schlanken Mannes anschaut, dessen schwarze, krause Locken energisch vom Kopf abstehen, und der so schön unbekümmert lacht.
Dinaw Mengestu ist 1978 in Addis Abbeba geboren. Sein Vater floh aus politischen Gründen aus Äthiopien in die USA und holte die Familie nach, als Dinaw Mengestu zwei Jahre alt war. Sie wohnten in einer Vorstadt von Chicago, der Vater gründete einen Lieferservice. Die Kinder führten eine Art Doppelleben, wie Dinaw Mengestu sagt, ein Leben zwischen dem äthiopisch geprägten Elternhaus und dem Leben amerikanischer Teenager.
"Meine Eltern versuchten, meiner Schwester und mir zu vermitteln, dass wir keine Amerikaner sind. Sie haben uns unseren äthiopischen Hintergrund immer vor Augen geführt. Das zeigte sich auch in kleinen Dingen, wie man mit seinen Eltern sprechen soll, zum Beispiel, und dass man aufsteht, wenn die Großmutter den Raum betritt."
Die Eltern schicken Dinaw Mengestu auf die besten Schulen, der Sohn soll alle Möglichkeiten haben, soll einmal Politiker werden, der vielleicht eines Tages das Heimatland Äthiopien verändern könnte. Aber als Teenager hasst Dinaw Mengestu diese Schule, auf die vor allem reiche, weiße Familien ihre Kinder schicken. Als er 16, 17 Jahre alt ist, hängt er lieber mit "Gangstern" herum, wie er sie nennt, einer Gruppe von Latinos und Schwarzen. Sie trinken, probieren Drogen. Eines Abends fahren sie nach Chicago.
"Diese Kids waren gut darin, Ärger zu machen, schlimme Jungs. Eines Abends waren sie noch, ich sag es mal vorsichtig, rauflustiger als sonst und machten sich einen Spaß daraus, Touristen, na, zu erschrecken. Da hat es mich plötzlich angewidert. Ich begriff, dass ich mich von den Jungs trennen musste, weil mein Leben in eine falsche Richtung lief. Ich brach den Kontakt ab."
Fortan verbringt der damals 17-Jährige viel Zeit allein. Liest viel. Lernt. Schließt das College ab und besucht die Columbia University in New York. Um Geld zu verdienen, bringt er Kindern aus der Bronx Englische Literatur bei. Nebenher schreibt dieser sympathische, nachdenkliche Mann Kurzgeschichten und Reportagen, und nachts arbeitet er an seinem ersten Roman. Heimlich. Keiner sollte erfahren, dass er Schriftsteller werden will.
"Das Schreiben war etwas sehr Persönliches für mich. Außerdem wollte ich mich nicht zu einem der 100.000 Anderen zählen, die in New York leben und sagen, sie wollen Schriftsteller werden."
Persönlich vielleicht auch deshalb, weil seine Bücher immer auch etwas Biografisches haben. Im ersten Roman "Zum Wiedersehen der Sterne" wie auch im zweiten "Die Melodie der Luft" geht es um das Leben im Exil. "Die Melodie der Luft" erzählt die Geschichte des Sohnes afrikanischer Einwanderer, der versucht, die Liebe und das Leben seiner Eltern zu verstehen; beide sind gescheitert. Deshalb macht sich der Romanheld Jonas auf eine Reise durch die USA, und zwar genau auf die Reise, die auch seine Eltern vor seiner Geburt machten.
"Er stellt sich vor, wie es ihnen hätte besser ergehen können. Er will sie voll und ganz verstehen können, will sie realer machen, auch komplizierter, als sie waren, und ihnen in seiner Vorstellung mehr Anmut geben, als sie tatsächlich hatten, mehr Glück und Frieden."
Kritiker loben Dinaw Mengestus humorvolle, unprätentiöse Art, über das Leben vieler Exilanten zwischen Hölle und Hoffnung zu schreiben, die, einmal ausgehebelt aus ihrer Heimat, niemals mehr irgendwo richtig ankommen. Und wieder fließen die Grenzen zwischen Realität und Fiktion. Denn richtig angekommen ist der 32-Jährige, der mit einer Französin verheiratet ist, bis heute nicht.
"Ich bin Amerikaner, ich bin aus Äthiopien, ich lebe in Paris, aber ich bin kein Franzose. Man wird eine Mischung aus all dem. Ich benenne einen Ort, aber ich sage nicht, woher ich komme."
Buchkritik: Dinaw Mengestu - Zum Wiedersehen der Sterne
Ein Lied für ein Buch. Das ist fast so, als würde sich Dinaw Mengestu ein musikalisches Zuhause suchen. In dieses eine Musikstück taucht er ein, immer und immer wieder.
"Der Computer zählt ja mit, wie oft man einen Song abspielt, und bei einem waren es am Ende des Buches 1800 Mal. Ich hörte ihn überall, bei der Arbeit, zuhause und in Cafés, wenn ich an dem Buch schrieb. Man braucht eben Musik, um sich in eine besondere Stimmung zu bringen. Bei diesem Buch war es "Maps" von den Yeah yeah yeahs. Ein sehr schönes Lied!"
Musik als eine Art Zuhause. Das macht irgendwie Sinn, wenn man sich die Lebensgeschichte dieses schlanken Mannes anschaut, dessen schwarze, krause Locken energisch vom Kopf abstehen, und der so schön unbekümmert lacht.
Dinaw Mengestu ist 1978 in Addis Abbeba geboren. Sein Vater floh aus politischen Gründen aus Äthiopien in die USA und holte die Familie nach, als Dinaw Mengestu zwei Jahre alt war. Sie wohnten in einer Vorstadt von Chicago, der Vater gründete einen Lieferservice. Die Kinder führten eine Art Doppelleben, wie Dinaw Mengestu sagt, ein Leben zwischen dem äthiopisch geprägten Elternhaus und dem Leben amerikanischer Teenager.
"Meine Eltern versuchten, meiner Schwester und mir zu vermitteln, dass wir keine Amerikaner sind. Sie haben uns unseren äthiopischen Hintergrund immer vor Augen geführt. Das zeigte sich auch in kleinen Dingen, wie man mit seinen Eltern sprechen soll, zum Beispiel, und dass man aufsteht, wenn die Großmutter den Raum betritt."
Die Eltern schicken Dinaw Mengestu auf die besten Schulen, der Sohn soll alle Möglichkeiten haben, soll einmal Politiker werden, der vielleicht eines Tages das Heimatland Äthiopien verändern könnte. Aber als Teenager hasst Dinaw Mengestu diese Schule, auf die vor allem reiche, weiße Familien ihre Kinder schicken. Als er 16, 17 Jahre alt ist, hängt er lieber mit "Gangstern" herum, wie er sie nennt, einer Gruppe von Latinos und Schwarzen. Sie trinken, probieren Drogen. Eines Abends fahren sie nach Chicago.
"Diese Kids waren gut darin, Ärger zu machen, schlimme Jungs. Eines Abends waren sie noch, ich sag es mal vorsichtig, rauflustiger als sonst und machten sich einen Spaß daraus, Touristen, na, zu erschrecken. Da hat es mich plötzlich angewidert. Ich begriff, dass ich mich von den Jungs trennen musste, weil mein Leben in eine falsche Richtung lief. Ich brach den Kontakt ab."
Fortan verbringt der damals 17-Jährige viel Zeit allein. Liest viel. Lernt. Schließt das College ab und besucht die Columbia University in New York. Um Geld zu verdienen, bringt er Kindern aus der Bronx Englische Literatur bei. Nebenher schreibt dieser sympathische, nachdenkliche Mann Kurzgeschichten und Reportagen, und nachts arbeitet er an seinem ersten Roman. Heimlich. Keiner sollte erfahren, dass er Schriftsteller werden will.
"Das Schreiben war etwas sehr Persönliches für mich. Außerdem wollte ich mich nicht zu einem der 100.000 Anderen zählen, die in New York leben und sagen, sie wollen Schriftsteller werden."
Persönlich vielleicht auch deshalb, weil seine Bücher immer auch etwas Biografisches haben. Im ersten Roman "Zum Wiedersehen der Sterne" wie auch im zweiten "Die Melodie der Luft" geht es um das Leben im Exil. "Die Melodie der Luft" erzählt die Geschichte des Sohnes afrikanischer Einwanderer, der versucht, die Liebe und das Leben seiner Eltern zu verstehen; beide sind gescheitert. Deshalb macht sich der Romanheld Jonas auf eine Reise durch die USA, und zwar genau auf die Reise, die auch seine Eltern vor seiner Geburt machten.
"Er stellt sich vor, wie es ihnen hätte besser ergehen können. Er will sie voll und ganz verstehen können, will sie realer machen, auch komplizierter, als sie waren, und ihnen in seiner Vorstellung mehr Anmut geben, als sie tatsächlich hatten, mehr Glück und Frieden."
Kritiker loben Dinaw Mengestus humorvolle, unprätentiöse Art, über das Leben vieler Exilanten zwischen Hölle und Hoffnung zu schreiben, die, einmal ausgehebelt aus ihrer Heimat, niemals mehr irgendwo richtig ankommen. Und wieder fließen die Grenzen zwischen Realität und Fiktion. Denn richtig angekommen ist der 32-Jährige, der mit einer Französin verheiratet ist, bis heute nicht.
"Ich bin Amerikaner, ich bin aus Äthiopien, ich lebe in Paris, aber ich bin kein Franzose. Man wird eine Mischung aus all dem. Ich benenne einen Ort, aber ich sage nicht, woher ich komme."
Buchkritik: Dinaw Mengestu - Zum Wiedersehen der Sterne