Imkerei

Diebstahl von Bienenvölkern nimmt zu

Eine Biene sitzt auf einer gelben Blüte.
Jede Biene hat auch einen Stammbaum, der in ein Zuchtbuch eingetragen wird. Die Königinnen sind gekennzeichnet. © imago stock&people/Blickwinkel
Von Jürgen Stratmann  · 04.04.2017
Gerade im Frühling werden zunehmend Bienen gestohlen. Komplette Bienenstöcke werden bei Nacht und Nebel abtransportiert. Sie wiederzufinden, ist nahezu aussichtslos. Gibt es einen Zusammenhang zwischen Bienendiebstahl und Bienensterben? Ein besonders perfider Fall am Stadtrand Berlins.
Wer, wie viele, womit sie kamen? Weiß man nicht! nur ungefähr: wann! – es war nach Mitternacht! Die Tatzeit lässt sich eingrenzen, denn:
Erwin Biller: "Ein Volk stand auf´ner elektronischen Waage, da wird stündlich Gewicht ermittelt und übertragen – das heißt: um 1 Uhr nachts war noch alles okay, um 2 Uhr fehlten 26 kg!"
Es kann kein Einzeltäter gewesen sein: Die Anlage ist geschützt durch einen 2 Meter hohen Zaun!
"Da muss auf jeder Seite mindestens ein kräftiger Mann sein, die Dinger wiegen ja um die 30 Kilo! Sie haben erst mal Bewegungsmelder und Scheinwerfer komplett abgebaut!"
Da waren Täter mit beträchtlicher krimineller Energie am Werk, die auch den Tatzeitpunkt genau ausbaldowert hatten, denn:
"Die Beuten, wie wir die Bienenbehausungen nennen, bestehen ja aus mehreren Teilen: einem Boden und die sogenannten Zargen – die Bienen standen noch auf ihren Winterböden, aber es waren neue Böden zurechtgemacht, um das auszutauschen! Die haben dann die Kästen von den alten Böden ´runtergenommen, auf die neuen gesetzt und mit den neuen abtransportiert! Das waren Fachleute, eindeutig!"
Eine Situation wie in Edgar Wallace-Filmen, in denen immer galt: Ladys and Gentleman, der Mörder ist einer von uns! Davon ist auch Erwin Biller überzeugt, Imker auf dem Lehrbienenstand Marienfelde am Stadtrand von Berlin, idyllisch gelegen unter blühenden Obstbäumen am Rande eines kleinen Naturschutzgebiets.
Hier können sich Familien, Schulklassen, Bienen-Interessierte an sich die Welt der Bienen erklären lassen – aber Erwin Biller guckt sich die Besucher heute anders an, als vor der Tat:
"Das müssen Leute gewesen sein , die sich hier genau auskennen – aber es können jeden Samstag hier Leute hinkommen, und sich genau alles erklären lassen. Aber das waren Profis, ´n Laie macht so was nicht!"
Ein Laie kann so etwas auch gar nicht, erklärt Peter Maske, Präsident der Bundesverbands der Imker – und ehemaliger Polizist, der zwar einräumt:
"Gut, es gibt sicherlich Auftragstäter, die für Geld alles machen, aber ich weiß, dass kürzlich an einem Bienenstand ein Umstand eingetreten ist: da sind nämlich die Bienenkästen auseinander gefallen – und der Täter ist bestimmt mehrfach gestochen worden, der hat nämlich die Kästen liegen lassen – und das war kein Imker!"

Kaum 150 Euro für ein Bienenvolk

Es besteht für ahnungslose Bienenräuber, für Auftragstäter also ein hohes Risiko – bei bescheidenen Verdienst-Aussichten, denn vielmehr als 150 Euro bekommt man nicht mal regulär für ein Volk, die Entlohnung für Handlanger wird darunter liegen, es ist also unwahrscheinlich, dass Laien sich an die stechenden Biester herantrauen.
Ein wahrscheinlicherer Grund für die Zunahme an Bienendiebstählen in den letzten Jahren: Wenn die Winterausfälle hoch sind und den Imkern im Frühjahr massenhaft Völker fehlen, gibt es schlicht kaum Völker zu kaufen!
Maske: "Leider gibt es unter Imker auch solche, die dann wohl glauben, man könnte bei andern Imkerkollegen die Lücken wieder schließen – indem man sie klaut! Das ist besonders verwerflich!"
Wie gesagt, die Diebstahlrate hat zugenommen, im Mariendorfer Lehrbienenstand hat man sich darum entschlossen.
Biller: "Wir werden Alarmsysteme einbauen, kostet alles Geld – aber: muss gemacht werden!"
Das ist der Punkt: Erwin Biller arbeitet ehrenamtlich in der Naturschutzbildungseinrichtung, die meisten Bienenhalter sind Hobby-Imker, die bisher auf kostspielige Sicherheitstechnik verzichten konnten, denn, so der Ex-Polizist und Imkerpräsident Peter Maske:
"Jeder Imker könnte – die Möglichkeiten gibt es bereits – durch Digitalmaßnahmen, wo man dann auch auffinden kann, wo die Bienen hingebracht worden sind, sein Hab und Gut schützen! Auf Messen wird immer wieder auf diese Technik hingewiesen, man muss halt gucken, ob es sich rechnet, man hat zumindest eine Chance, eher als durch polizeiliche Ermittlungen!"
Dabei scheinen die Voraussetzungen, entwendete Völker wiederzufinden, auch jetzt schon gar nicht so schlecht zu sein – auch ohne aufwendige Technik, sagt Imker Erwin Biller:
"Die Königinnen sind gekennzeichnet, wir wissen, welche Nummern verschwunden sind – hier: Entsprechendes Farbkennzeichen, für jedes Geburtsjahr eine andere Farbe, und sie sind nummeriert, weil die im Zuchtbuch eingetragen sind, die haben ja auch ´n Stammbaum, wie bei den Hundeleuten auch!"
Und die Polizei? So ärgerlich die Unsitte für Betroffene auch sei –
"Ich war Polizeibeamter, ich kenn die Kriminalstatistik, und da ist der Diebstahl von Bienenvölkern – der ist schon gestiegen! – aber insgesamt bei der Kriminalstatistik eine unbedeutende Größe!"
Mit hohem Aufwand könnte man die Täter wohl überführen. Nur: Polizisten und Imker haben auch anders zu tun – darum sagt Biller:
"Ich hab nicht die Hoffnung, dass wir die Bienen wiederfinden."

Auch Bienen müssen sich zu benehmen wissen

Aber was, wenn die Bienen sich selbst verteidigen würden? In Südamerika kreuzte man in den 50er-Jahren aggressive afrikanische Bienen mit braven europäischen – das Ergebnis: Honigbienen, die sich bei jeder Bedrohung im kompletten Schwarm auf Aggressoren stürzen.
Könnte das nicht auch nächtliche Räuber abschrecken?
Biller: "Die sogenannten Killerbienen! Nein, das geht gar nicht! Wir haben hier Kindergruppen, wir müssen darauf achten, dass wir Top-Bienen haben, die sich zu benehmen wissen."
Aber was, wenn die Diebstähle weiter zunehmen? Mit gutem Benehmen kommt man da sicher nicht weiter ...
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