Studium am Islamkolleg

Unsichere Zukunft trotz guter Ausbildung

14:56 Minuten
Ein Raum mit einem Flipboard und mehreren Menschen bei der Eröffnung des Islam-Kollegs in Osnabrück
Das Islam-Kolleg Deutschland wurde 2021 in Osnabrück eröffnet. In anderthalb Jahren wird der erste Ausbildungsjahrgang fertig sein. © picture alliance/dpa
Von Ita Niehaus · 25.01.2022
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Seit rund einem halben Jahr können sich Studenten zum Imam und Seelsorger am Islamkolleg Deutschland ausbilden lassen. Das Studium ist praxisnah und kommt gut an. Die Finanzierung künftiger Stellen in den Gemeinden ist allerdings immer noch nicht geklärt.
Predigtlehre am Islamkolleg Deutschland. Der katholische Theologe und Rhetoriktrainer Christian Jäger steht vor einer Gruppe von muslimischen Geistlichen in einem Seminarraum in der Deutschen Islam Akademie in Berlin.
Es ist eine von mehreren Hybridveranstaltungen, die bundesweit stattfinden. Jäger möchte heute vor allem eines deutlich machen: Inhalte und Aufbau einer Predigt sind zwar wichtig. Noch viel wichtiger aber ist es, souverän und authentisch aufzutreten und so die Gemeindemitglieder menschlich zu überzeugen.
Rhetoriktrainer gibt es viele. Murat Karacan, Referent für Predigtlehre am Osnabrücker Islamkolleg Deutschland, kurz IKD, hat sich bewusst für den katholischen Theologen Christian Jäger entschieden. Oft coacht Jäger Führungskräfte, manchmal Geistliche. Immer wieder hat er auch interreligiös gearbeitet.

Kultur der Diversität

"Viele christliche Priester sind in ihrem Denken, in ihrem Habitus, sehr engstirnig geschult worden. Und bei vielen Imamen, die eingeflogen wurden, hatte ich einen ähnlichen Eindruck. Da gibt es Diskussionsvorbehalte, kulturelle Gräben, die man nicht überspringt. Und hier ist das überhaupt nicht der Fall: Diese Damen und Herren sind alle deutsch sozialisiert, im guten Sinne der Kultur der Diversität, die wir hier haben."
Zum Beispiel Ender Cetin. Der 45 Jahre alte Imam, als Sohn türkischer Gastarbeiter in Berlin geboren und aufgewachsen, arbeitet im Jugendstrafvollzug und in interreligiösen Schulprojekten.
Als Jugendlicher hat sich Cetin gewünscht, einen Imam in seiner Moscheegemeinde zu haben, der nicht aus der Türkei, sondern aus Deutschland kommt und ihn versteht. Ein Grund, warum der muslimische Theologe nun an der Ausbildung am Islamkolleg teilnimmt.
Zwei Jahre dauert die Ausbildung zum muslimischen Geistlichen - sie ist praxisorientiert, verbandsübergreifend und berufs- und studienbegleitend. Die Blockveranstaltungen finden immer in verschiedenen Städten statt. Hinzukommen Lerngruppen und Exkursionen, außerdem ist eine zehntägige Summer School in Bosnien-Herzegowina geplant.
Zwanzig Teilnehmerinnen und Teilnehmer absolvieren zurzeit die Ausbildung zum muslimischen Geistlichen am IKD. Hinzukommen noch einige Imame und Gemeinde-Mitarbeiter, die professioneller als Seelsorger in den Moscheegemeinden und auch im interreligiösen Dialog werden wollen.

Vielfalt des Islams in der Praxis

Die Teilnehmer kommen aus unterschiedlichen Ländern, vertreten verschiedene Strömungen des Islam. Diese innermuslimische Vielfalt zu erleben, damit umzugehen, gehört zum Ausbildungskonzept.
Die Finanzierung des Islamkollegs Deutschland ist für die nächsten fünf Jahre gesichert. IKD-Direktor Bülent Ucar und sein Team haben in den ersten Monaten auch viel Zeit und Energie in organisatorische Fragen gesteckt.
Der Theologe Bülent Ucar steht der Bibliothek des Islam-Kollegs.
Der Theologe Bülent Ucar ist der wissenschaftliche Direktor des Islam-Kollegs.© picture alliance/dpa
Lehrpläne weiterentwickeln, die unterschiedlichen Standorte auf die Beine stellen - es ist wieder einmal Pionierarbeit. Bülent Ucar kennt das schon vom Aufbau des Instituts für Islamische Theologie in Osnabrück. Das IKD sei auf einem guten Weg, sagt der muslimische Wissenschaftler.
"Wir wünschen uns natürlich deutlich mehr Unterstützung an der Basis. Aber immerhin, für den Start ist es sehr gut, wenn rund 500 Moscheegemeinden uns unterstützen. Wir sind zuversichtlich, was die weitere Entwicklung anbelangt. Es gehen zahlreiche Anfragen ein, Personen, die sich bei uns ausbilden lassen möchten."    

Frust wegen fehlender Berufsperspektiven

In der vergangenen Woche hat nun auch die einjährige berufsbegleitende Ausbildung von muslimischen Seelsorgerinnen und Seelsorgern am Islamkolleg begonnen. Ein weiterer wichtiger Schritt Richtung Professionalisierung.
Der Bedarf an muslimischen Seelsorgern in den Gemeinden, Krankenhäusern und Gefängnissen ist groß. Doch die Berufsperspektiven sind immer noch ungewiss, ebenso wie die der in Deutschland ausgebildeten Imame, kritisiert Bülent Ucar:
"Das führt zu Frust. Wir brauchen ganz klare Förderangebote, ansonsten werden sich die deutschen Moscheen weiterhin am Ausland orientieren. Dessen müssen sich alle Akteurinnen und Akteure bewusst sein."
Keine einfache Situation also für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Einige arbeiten neben der Ausbildung in Projekten mit. Andere sind, wie Mehmet Akif Dökmetas, auf Honorarbasis beschäftigt. Zehn Stunden in der Woche ist er als Imam und Gefängnisseelsorger in der Jugendanstalt Hameln tätig.
"Die Anstalt engagiert sich, das Vertrauen ist da, die Arbeit ist da. Alle machen mit, es macht Spaß, wir kommen gut zurecht, auch mit den Kollegen. Alles hat schon mit dem Finanziellen zu tun, das ist das einzige Problem."

Bekenntnisse und Sonntagsreden

In knapp anderthalb Jahren werden die ersten Absolventen ihre Ausbildung am Islamkolleg abgeschlossen haben. Es bleibt also nicht mehr viel Zeit, um gemeinsam Lösungen zu finden, wie die deutschen muslimischen Geistlichen finanziert werden sollen. IKD-Direktor Bülent Ucar:
"Mit Bekenntnissen und Sonntagsreden alleine ist es nicht getan. Die neue Bundesregierung wird sich daran messen lassen müssen, wie und in welcher Höhe sie tatsächlich muslimische Gemeinden in Deutschland fördert, unterstützt. Und zwar adäquat zu christlichen und jüdischen Gemeinden, gemäß dem Anteil der Muslime hier in Deutschland."

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