Im Zeichen kulturellen Wiederaufbaus

In einer Stadt wie Dresden, deren kulturelles Leben von der Übermacht großer, jahrhundertealter Traditionen bestimmt ist, nimmt sich das 50-jährige Jubiläum der Galeriekonzerte bescheiden aus. Gemessen an der Schnelllebigkeit unserer Zeit, den Brüchen und Diskontinuitäten, von denen sie geprägt ist, haben wir es dennoch mit einem denkwürdigen Jubiläum zu tun.
Der Anlass, diese Reihe am 6. Dezember 1958 ins Leben zu rufen, war durchaus historisch: ein Hoffnungszeichen nämlich, dass in die noch von Ruinen und Trümmerfeldern gezeichnete Elbmetropole ein Stück kultureller Normalität zurückkehren möge. Die Galeriekonzerte, anfangs vom
Deutschlandsender ausgestrahlt und gemeinsam mit den Staatlichen Kunstsammlungen veranstaltet, begleiteten medial, was auf diesem Wege erreicht worden war: die Rückkehr großer Bestände von Dresdner Gemälden aus der Sowjetunion und der Wiederaufbau der Sempergalerie.
Ihren würdigen Auftakt erlebte die Konzertreihe mit dem berühmten Dresdner Kreuzchor unter Rudolf Mauersberger, bei dem Werke von Palestrina, Monteverdi, Lasso und Schütz geboten wurden.
Auch das Festkonzert mit Zeitgenossen dieser Meister, wird – gleichsam als Brücke zu den Anfängen – von einem renommierten Chor gestaltet: vom Sächsischen Vocalensemble unter Matthias Jung.


Rottenhammer, Johann
(München 1564–1625 Augsburg)
Die Ruhe auf der Flucht nach Ägypten. Um 1597.
Eichenholz, 26,5 x 20,5 cm.
Gal.-Nr. 1970

Dargestellt ist die Ruhe der Heiligen Familie auf der Flucht nach Ägypten: Maria und Joseph waren auf Geheiß eines Engels mit dem Christuskind aus Bethlehem geflohen, um den Nachstellungen des Königs Herodes zu entgehen. Diese im Evangelium des Matthäus (2, 13–18), nur kurz erwähnte Begebenheit ist von den Apokryphen breit ausgeschmückt worden und war seit dem Mittelalter ein beliebtes Thema für Maler.
Unser Bild, das in Dresden zuerst im Inventar 1722–1728, A 374, nachgewiesen werden kann, scheint kaum eine Ruhe auf gefahrvoller Flucht darzustellen, sondern es zeigt vielmehr eine behagliche Idylle vor romantischer Ruinenkulisse. Die Anwesenheit der Engel hebt die Szene bedeutsam aus dem Alltäglichen und erschafft das Bild einer harmonisch in sich ruhenden Welt. Emailartig leuchten die warmen Farben. Die Figuren haben keine Heiligenscheine. Nur der kleine Kinderengel in der Mitte neben Maria zeigt einen wenigstens in der Vorzeichnung vorhandenen Nimbus.
Rottenhammer hat die Ruhe der Heiligen Familie mehrmals dargestellt: Varianten befinden sich u.a. in Moskau, Schwerin und Kassel. Das 1597 datierte Schweriner Gemälde gibt einen Anhalt für die zeitliche Einordnung der ganzen Gruppe: Auch das undatierte Dresdener Bild dürfte in der ersten Zeit von Rottenhammers Aufenthalt in Venedig (seit 1596) entstanden sein.
Die kurvig diagonale Komposition ist vom venezianischen Manierismus beeinflusst, die daseinsbejahende Fülle der Darstellung aber weist auf das Barock. In der linken unteren Ecke sind die Figuren konzentriert, die sich hell vom dunklen Grund abheben. Aus der von einem Lichtstrahl aufgerissenen Baumkrone streuen Kinderengel Blumen. Von rechts schieben sich die Ruinen antik wirkender Gebäude ins Bild, die teilweise in den anstehenden Fels hineingearbeitet sind. Aus einer großen Wölbung führt Joseph den Esel.
Johann Rottenhammer hatte in München gelernt, war aber 1589 über Venedig nach Rom gegangen, wo er mit Paul Bril und Jan Brueghel zusammengearbeitet hat. In den Jahren von 1596 bis 1606 hielt er sich in Venedig auf, wo Adam Elsheimer in seinem Atelier gearbeitet hat. Er ging 1606 zurück nach Deutschland, wandte sich nach Augsburg, war 1609 bis 1613 in Bückeburg, dann wieder in Augsburg tätig. In Venedig hat er besonders die Werke von Tintoretto und Veronese studiert, behielt jedoch seine Technik des Malens auf kleinen Kupfer- oder Holztafeln bei.
Harald Marx



337. Galeriekonzert
Festkonzert zum 50-jährigen Bestehen der Reihe
Gemäldegalerie Dresden
Aufzeichnung vom 6.12.2008

"Freut euch und jubiliert"
Vokalmusik des 17. und 18. Jahrhunderts
zu Advent und Weihnachten aus dem alten Sachsen

Werke von Jacobus Gallus, Samuel Seidel, Johann Eccard,
Sethus Calvisius, Christoph Demantius, Gottfried August Homilius,
Michael Praetorius und Heinrich Schütz

Sächsisches Vocalensemble
Leitung: Matthias Jung

Prof. Harald Marx erläutert das Bild "Die Ruhe auf der Flucht nach Ägypten"
von Johann Rottenhammer