Im Zeichen der Antilope

Von Michael Köhler · 13.10.2011
Rund 300 Holzskulpturen und Masken - vereint in einer beeindruckenden Ausstellung: Zum Auftakt ihrer Afrika-Reihe zeigt die Bundeskunsthalle in Bonn Exponate der Dogon-Kultur aus Mali.
"Die Kunst der Dogon ist einer der schönsten und klassischsten afrikanischen Künste und deswegen war das für uns ein toller Einstieg in unsere geplante neue Afrika-Reihe."

Ausstellungsleiter Wolfger Stumpfe hat knapp 300 Holzskulpturen und Masken in einer eindrucksvollen Schau vereinigt. Die Stücke kommen aus Museen und Sammlungen in der ganzen Welt und haben ein Alter bis zu 1000 Jahren.

"Das zusätzlich Besondere an diesem Gebiet ist, dass es UNESCO Weltkultur- und Weltnaturerbe gleichzeitig ist, also eines von den seltenen gemischten Erben."

Die Dogon leben in der Falaise de Bandiagara, einem bis zu 250 Meter hohen Felsplateau. Zur Illustration der Bauweise hat man zahlreiche Lehmreliefs an die Wände montiert, um einen sinnlicheren Eindruck zu bekommen. Das muss man als Tribut an moderne Ausstellungsszenografie hinnehmen, erinnert aber ein bisschen an Kletterwände in Freizeitparks. Faszinierend sind indes die wunderbaren Figuren.

"Ganz viele von diesen Dogon- oder Tellem-Figuren haben hochgestreckte Arme. Und diese Geste wird oft gedeutet als ein Gebet an die Ahnen, oder als die Bitte um Regen, oder eben um diese Verbindung zwischen Himmel und Erde bildhaft darzustellen."

Es handelt sich dabei teilweise um archetypische Figuren: die säugende Mutter, die Wasserträgerin, der Priester, der Krieger, der hockende alte Mann, oder Paardarstellungen. Durchaus abstrakt. Der männliche Oberkörper ist teils kubisch gestaltet, die weiblichen Brüste sind dreieckig. Der Einfluss auf die klassische europäische Moderne ist unübersehbar.

"Diese Kanagah-Maske, vor der wir stehen, das ist mit eine der bekanntesten Masken, die zeigt so ein Doppelkreuz auf dem Kopf des Maskenträgers. Auch hier haben wir so eine Art hochgereckte Hand nach oben. Der mittlere Balken des Kreuzes ist der Weltenbaum, der den Himmel mit der Erde verbindet, dass im Tanz von der Kanagah-Maske der Maskenträger mit der Spitze von seiner Maske auf den Boden schlägt und dann wieder nach oben geht, also diese Verbindung von Himmel und Erde im Tanz noch mal deutlich darstellt."

Auch wenn die teils zwei bis fünf Meter hohen Masken und Figuren in einer europäischen Ausstellungshalle naturgemäß aus ihren praktischen und kultischen Zusammenhängen gerissen sind, bekommt man einen Eindruck von der Verschmelzung von Maske und Träger, Symbol und Mensch.

"Das sind Maske Kanagah. Das ist Hauptphilosophie von den Dogon: Weltdarstellung. Immer ist oben Erde, unten Menschen, und Menschengeist in der Mitte. Und Geschichte ist Antilopengeschichte, wildnisreich. Und auch für die Dogon, Antilope ist eine sehr schöne Tier, ist auch ein Zeichen für Schönheit, für Schönheit und Fitness."

Im Zeichen der Antilope sind viele Masken gearbeitet, aber auch andere Tiere spielen eine Rolle.

"Auf der linken Seite schließen sich dann Rhinozeros-Maske, Hasen-Maske und noch eine weitere Antilopen-Maske an. Also Tiere spielen eine wichtige Rolle."

Die Ausstellung begnügt sich nicht mit der Präsentation musealer Stücke. Sie erinnert an die Weltausstellungen des 19. Jahrhunderts, an die Kongo-Konferenz Bismarcks von 1884 und den Kolonialismus. Wolfger Stumpfe fragt:

"Wie blicken wir auf Afrika? Wie blickt Afrika auf uns zurück?"

Videomaterial mit Interviews der Dogon heute zeigt, dass Fortschritt vor den Dogon nicht Halt macht und sinnvollerweise auch nicht soll. Die Islamisierung und Christianisierung hat etwa den Frauen mehr Anerkennung und Rechte eingetragen. Wandtexte des berühmten Ethnologen Michel Leiris über das "Phantom Afrika" oder andere bereichern die Schau. So etwa die Notizen des Schweizer Ethnopsychoanalytikers Paul Parin von 1963.

"Die Versuche des Europäers, durch die Anhäufung von Geld ein größeres Lebensglück zu erzielen, oder durch gute Taten ein besseres Leben im Jenseits, kommen den Dogon gerade so unlogisch vor, wie uns der Versuch durch einen Zauber Regen zu bewirken."

Vielfach wurden die Dogon als "gute Wilde" mit magischen Kräften verklärt. Der französische Ethnologe Marcel Griaule hatte in den 30er-Jahren großen Anteil daran. Erich von Däniken sprach vom altem kosmologischem Wissen des schwarzen Mannes.

Der Bonner Schau gelingt es nicht nur exzellente, isolierte Museumsstücke zu zeigen, sondern durchaus auch nachdenklich zu stimmen. Paul Parin notierte die Gedanken eines Dorfchefs aus Mali

"Die Weißen denken zu viel, und dann machen sie viele Sachen; und je mehr sie machen, umso mehr denken sie. Und dann verdienen sie viel Geld, und wenn sie viel Geld haben, machen sie sich Sorgen, dass das Geld verloren gehen könnte und sie keins mehr haben. Dann denken sie noch mehr und machen noch mehr Geld und haben nie genug. Dann sind sie nicht mehr ruhig. So kommt es, dass sie nicht glücklich sind."

Service:
Die Ausstellung "Dogon - Weltkulturerbe aus Afrika" ist bis zum 22. Januar 2012 Bundeskunsthalle in Bonn zu sehen.
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