Im Widerspruch zur Welt
Mit ihrer Inszenierung von "Elektra" in dem kleinen Theater von Meiningen hat die Regisseurin Andrea Moses überregionale Aufmerksamkeit erregt. Die 36-Jährige sieht sich und ihre Arbeit im Widerspruch zu den gesellschaftlichen Verhältnissen und kann mit dem Begriff von "schöner Oper" nichts anfangen.
"Ich glaube, den schönen Opernabend gibt es gar nicht. Weil die Geschichten sind krude, sind von großem Leid und großem Schmerz bevölkert."
Die Regisseurin Andrea Moses erleidet einen regelrechten Heiterkeitsanfall, als sie von der Forderung des Leipziger Richard-Wagner-Verbandes nach einem, so wörtlich, schmerzfreien Opernabend hört.
"Es gibt die Oper überhaupt nur deswegen, weil man die Gattung erfinden musste, um für das, mit dem wir nicht klarkommen, unsere Gefühlswelt nämlich, überhaupt einen Ausdruck zu finden. Also das ist im Schauspiel viel schwerer herzustellen als in der Oper. Dafür gibt es die Musik. Und wer das leugnet und einen schönen Opernabend haben will, der hat das Wesen der Gattung nicht verstanden."
Im Operngeschäft ist die gelernte Schauspielerin und Schauspielregisseurin Andrea Moses noch ein Neuling. Der inzwischen gefeuerte Meininger Intendant hatte ihr zunächst Franz Lehárs Operette "Der Graf von Luxemburg" angeboten und ließ sie nach dem großen Erfolg ihrer sozialpolitisch angeschärften Version gleich mit "Salome" und "Elektra" an seinem Haus weitermachen.
Auch diese monströsen Einakter kamen bei Publikum und Kritik hervorragend an. Mit ihrer "Elektra" wurde sie unter anderem für den Deutschen Theaterpreis "Faust" nominiert. In beiden Straussopern sang die herausragende Sopranistin Bettina Kamp die Titelpartien.
"Das war ein Geschenk, die Frau. Mit der werde ich auch weiter arbeiten, und so etwas braucht man. Eine Frau, die Widersprüche denken kann und die Widersprüche auch erspielen kann. Die sozusagen nicht nur, meine Figur ist das und das, und das ist seit hundert Jahren so und mal gucken, wie das Arrangement diesmal ist, sondern eine Frau, die sich auch als Elektra über die Bühne schleift, rennt, zieht, klettert und alles mögliche macht, was erst mal bei einer Elektra nicht der Fall ist."
Die gebürtige Dresdnerin Andrea Moses hat an der Ost-Berliner Schauspielschule Ernst Busch studiert und wird ab der kommenden Spielzeit Chefregisseurin am Anhaltischen Theater Dessau. Dann ist sie für das Repertoire und das Ensemble in Schauspiel und Oper an dem mit 1100 Plätzen überdimensionierten Theater zuständig.
"Dessau ist für mich ein zurück in die eigene Biografie, eine Auseinandersetzung mit dem Osten Deutschlands, mit der Generation meiner Eltern und die Möglichkeit, noch mal ganz andere Fragen zu stellen, die man anderswo nicht stellen braucht, weil es dort keine Antworten geben wird. Und ich glaube, es ist 20 Jahre nach der Wende durchaus Zeit für viele Fragen."
Andrea Moses steckte gerade in den Abiturvorbereitungen, als 1989 die Wende kam. Sie ist alt genug, um die DDR-Sozialisation noch bewusst mitgekriegt und reflektiert zu haben und jung genug, um die Chancen des wiedervereinigten Landes zu ergreifen.
Zuletzt hat sie in Oberhausen Bertolt Brechts "Mutter" inszeniert. Ein sozialistisches Lehrstück, das in ihren Händen unversehens zum aktuellen Kommentar zur Finanzkrise wurde. Tief im westliche Rheinland wurden ihr aber auch die Mentalitätsunterschiede wieder deutlich.
"Also diese Art Wir-Sozialisation ist nicht einfach und nicht besonders schön, nicht nur besonders schön, vor allen Dingen, wenn man viel im Westen unterwegs ist. Man findet sich doch weiterhin im Widerspruch zur Welt und im Widerspruch zu den gesellschaftlichen Verhältnissen und ist immer am inneren Arbeiten und Ringen nach gewissen utopischen Momenten."
Ihre nächste Premiere findet am 28. März 2009 in Weimar statt. Giacomo Puccinis grausames Märchen "Turandot" steht dann auf dem Spielplan. Andrea Moses versteht die Geschichte von der im wörtlichen Sinne männermordenden chinesischen Prinzessin als Fortsetzung von "Salome" und "Elektra". Es geht ihr um das fundamentalistische Denken, das notwendig zum Tod führen muss.
"Was nicht nur in die Volksverhetzung führt und das Spektakel und die Freude an der Hinrichtung von Verführten. Ist ja auch ein großes Thema, wenn wir unsere Medien angucken ist und auch in die Inszenierung eingehen wird. Aber es ist eher diese Art und Weise nicht korrigieren zu können, die die Figuren beherrscht in ihrem Wahn, Macht und Ruhm erobern zu wollen."
Andrea Moses bezeichnet sich selbst als Brecht-Schülerin, als Anhängerin des epischen Theaters. Die intellektuelle Analyse soll zu einer gesellschaftlichen Wirkung führen. Und ebenso wie bei Brecht sind ihre Arbeiten deshalb so stark, weil der intellektuelle Zugang nur die Vorstufe ist zu einem hochemotionalen Theater. Zu einem Theater, das wehtut, einem Theater, das weh tut, das nicht unbedingt schön ist und gerade deshalb noch lange nachwirkt.
"Man muss konfrontieren mit den Abgründen in uns. Ansonsten hat der Künstler keine Funktion, möchte ich behaupten. Dazu gehört ein gewisses Handwerk, eine gewisse Liebe auch, auch zum Zuschauer, aber ich halte das alles für Phrasengedresche. Geht überhaupt nicht, schöne Oper, möchte ich mal sehen."
Die Regisseurin Andrea Moses erleidet einen regelrechten Heiterkeitsanfall, als sie von der Forderung des Leipziger Richard-Wagner-Verbandes nach einem, so wörtlich, schmerzfreien Opernabend hört.
"Es gibt die Oper überhaupt nur deswegen, weil man die Gattung erfinden musste, um für das, mit dem wir nicht klarkommen, unsere Gefühlswelt nämlich, überhaupt einen Ausdruck zu finden. Also das ist im Schauspiel viel schwerer herzustellen als in der Oper. Dafür gibt es die Musik. Und wer das leugnet und einen schönen Opernabend haben will, der hat das Wesen der Gattung nicht verstanden."
Im Operngeschäft ist die gelernte Schauspielerin und Schauspielregisseurin Andrea Moses noch ein Neuling. Der inzwischen gefeuerte Meininger Intendant hatte ihr zunächst Franz Lehárs Operette "Der Graf von Luxemburg" angeboten und ließ sie nach dem großen Erfolg ihrer sozialpolitisch angeschärften Version gleich mit "Salome" und "Elektra" an seinem Haus weitermachen.
Auch diese monströsen Einakter kamen bei Publikum und Kritik hervorragend an. Mit ihrer "Elektra" wurde sie unter anderem für den Deutschen Theaterpreis "Faust" nominiert. In beiden Straussopern sang die herausragende Sopranistin Bettina Kamp die Titelpartien.
"Das war ein Geschenk, die Frau. Mit der werde ich auch weiter arbeiten, und so etwas braucht man. Eine Frau, die Widersprüche denken kann und die Widersprüche auch erspielen kann. Die sozusagen nicht nur, meine Figur ist das und das, und das ist seit hundert Jahren so und mal gucken, wie das Arrangement diesmal ist, sondern eine Frau, die sich auch als Elektra über die Bühne schleift, rennt, zieht, klettert und alles mögliche macht, was erst mal bei einer Elektra nicht der Fall ist."
Die gebürtige Dresdnerin Andrea Moses hat an der Ost-Berliner Schauspielschule Ernst Busch studiert und wird ab der kommenden Spielzeit Chefregisseurin am Anhaltischen Theater Dessau. Dann ist sie für das Repertoire und das Ensemble in Schauspiel und Oper an dem mit 1100 Plätzen überdimensionierten Theater zuständig.
"Dessau ist für mich ein zurück in die eigene Biografie, eine Auseinandersetzung mit dem Osten Deutschlands, mit der Generation meiner Eltern und die Möglichkeit, noch mal ganz andere Fragen zu stellen, die man anderswo nicht stellen braucht, weil es dort keine Antworten geben wird. Und ich glaube, es ist 20 Jahre nach der Wende durchaus Zeit für viele Fragen."
Andrea Moses steckte gerade in den Abiturvorbereitungen, als 1989 die Wende kam. Sie ist alt genug, um die DDR-Sozialisation noch bewusst mitgekriegt und reflektiert zu haben und jung genug, um die Chancen des wiedervereinigten Landes zu ergreifen.
Zuletzt hat sie in Oberhausen Bertolt Brechts "Mutter" inszeniert. Ein sozialistisches Lehrstück, das in ihren Händen unversehens zum aktuellen Kommentar zur Finanzkrise wurde. Tief im westliche Rheinland wurden ihr aber auch die Mentalitätsunterschiede wieder deutlich.
"Also diese Art Wir-Sozialisation ist nicht einfach und nicht besonders schön, nicht nur besonders schön, vor allen Dingen, wenn man viel im Westen unterwegs ist. Man findet sich doch weiterhin im Widerspruch zur Welt und im Widerspruch zu den gesellschaftlichen Verhältnissen und ist immer am inneren Arbeiten und Ringen nach gewissen utopischen Momenten."
Ihre nächste Premiere findet am 28. März 2009 in Weimar statt. Giacomo Puccinis grausames Märchen "Turandot" steht dann auf dem Spielplan. Andrea Moses versteht die Geschichte von der im wörtlichen Sinne männermordenden chinesischen Prinzessin als Fortsetzung von "Salome" und "Elektra". Es geht ihr um das fundamentalistische Denken, das notwendig zum Tod führen muss.
"Was nicht nur in die Volksverhetzung führt und das Spektakel und die Freude an der Hinrichtung von Verführten. Ist ja auch ein großes Thema, wenn wir unsere Medien angucken ist und auch in die Inszenierung eingehen wird. Aber es ist eher diese Art und Weise nicht korrigieren zu können, die die Figuren beherrscht in ihrem Wahn, Macht und Ruhm erobern zu wollen."
Andrea Moses bezeichnet sich selbst als Brecht-Schülerin, als Anhängerin des epischen Theaters. Die intellektuelle Analyse soll zu einer gesellschaftlichen Wirkung führen. Und ebenso wie bei Brecht sind ihre Arbeiten deshalb so stark, weil der intellektuelle Zugang nur die Vorstufe ist zu einem hochemotionalen Theater. Zu einem Theater, das wehtut, einem Theater, das weh tut, das nicht unbedingt schön ist und gerade deshalb noch lange nachwirkt.
"Man muss konfrontieren mit den Abgründen in uns. Ansonsten hat der Künstler keine Funktion, möchte ich behaupten. Dazu gehört ein gewisses Handwerk, eine gewisse Liebe auch, auch zum Zuschauer, aber ich halte das alles für Phrasengedresche. Geht überhaupt nicht, schöne Oper, möchte ich mal sehen."