"Im Weltraum gibt es keine Gefühle"

Gesehen von Peter Claus · 23.11.2011
Der 26-jährige Regisseur Andreas Öhman hat ein erstaunlich souveränes Kino-Debüt abgeliefert: Mit schöner Leichtigkeit erzählt er von einem jungen Mann mit Asperger-Syndrom, einer Form des Autismus. Öhman balanciert dabei zwischen Nachdenklichkeit und Humor, der jedoch nie ins Kalauern abgleitet.
Behinderte als Komödien-Stars sind en vogue. Da gab es schon einiges Gelungene zu sehen, aber auch Missliches. Also: Erstmal ist Skepsis angesagt. Doch der Spielfilm des 26-jährigen Regisseurs Andreas Öhman verscheucht die Skepsis schnell.

Im Zentrum der Handlung steht Simon, ein junger Mann mit Asperger-Syndrom, einer Form des Autismus. Der 18-Jährige tut sich äußerst schwer damit, sich gegenüber anderen Menschen zu öffnen, gar regelmäßige soziale Kontakte aufzubauen. Nur zu seinem Bruder Sam hat er so etwas wie ein Vertrauensverhältnis. Bei dem zieht er denn auch plötzlich ein, als er es im Elternhaus einfach nicht mehr aushält. Sam möchte gern helfen – doch sein eigenes Leben gerät nun aus den Fugen. Die Verantwortung für Simon ist einfach zu viel für ihn, erst recht für seine Freundin. Die Liebe des Paares hält der Belastung nicht stand.

Sam bricht zusammen – und das beschert natürlich auch Simon, der eine streng geordnete Welt braucht, verdammt viele Probleme. Da fällt er auf der Straße unverhofft einer chaotischen jungen Frau, Jennifer, in die Arme. Oder sie ihm? Simon fragt sich, ob sie nicht ideal als neue Freundin für den Bruder ist. So, meint der Teenager, könne doch alles ganz leicht wieder ins Lot gerückt werden. Doch klar, nun wird's erst recht turbulent.

Die Szenen wirken oft geradezu impressionistisch, wie hingetupft. Das ist von schöner Leichtigkeit, ohne dass es seicht wird. Die Figur des Simon wird nicht nur schauspielerisch exzellent porträtiert. Seine Einschränkungen durch das Asperger-Syndrom, er kann beispielsweise nur etwas essen, das rund ist, werden durch grafische Elemente immer wieder geschickt markiert.

Die sehr besondere Wahrnehmung dessen, was Durchschnittsmenschen als gewöhnlichen Alltag empfinden, wird dadurch überaus einleuchtend und pointiert vermittelt. Da gibt es viel Witz. Der auch aus der Handlung erwächst, etwa wenn Simon sich aus einer Mülltonne ein Raumschiff bastelt. Da wird's dann auch mal herrlich-skurril philosophisch, wenn der Außenseiter, der sich selbst als solcher empfindet, das Leben der anderen spiegelt.

Der Film balanciert geschickt zwischen Nachdenklichkeit und durchaus knalligem Humor, der jedoch nie ins Kalauern abgleitet. Über allem liegt eine Frage, die jede und jeden betrifft, egal ob nun behindert oder nicht: Wie kriege ich meine eigenen Gefühle in den Griff?

Vorschnelle Antworten werden nicht verteilt. Aber es gibt viele Momente in diesem Film, die einen als Zuschauer noch dam Kinobesuch lustvoll nach Antworten für sich selbst suchen lasen. Ein höchst erstaunlich souveränes Kino-Debüt!

Schweden 2010; Regie: Andreas Öhman; Hauptdarsteller: Bill Skarsgard, Martin Wallström, Cecilia Forss

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