"Im Vatikan kommst du als Frau nur mit dem Staubsauger nach oben"

Uta Ranke-Heinemann im Gespräch mit Matthias Hanselmann · 21.02.2013
Die Deutsche Bischofskonferenz möchte ein Diakonat für Frauen einrichten, um ihnen den Zugang zu Leitungspositionen zu erleichtern. Die Theologin Uta Ranke-Heinemann glaubt aber nicht an einen echten Fortschritt: Der Vatikan sei "der reine Junggesellenverein, wo nur die Jungfrau Maria Zutritt hat".
Matthias Hanselmann: Auf der diesjährigen Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Trier, die heute zu Ende geht, sagte der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode, dass in Zukunft mehr Frauen in Leitungspositionen der katholischen Kirche kommen sollten. Des Weiteren schlug Kardinal Walter Kasper ein neues Diakonat für Frauen vor, die dann im Namen der Kirche pastorale, liturgische und Segenshandlungen vornehmen könnten. Aber wohlgemerkt, ohne dass sie vorher ordiniert werden müssten. Von der Priesterweihe sollen Frauen also auch weiterhin ausgeschlossen sein, daran wird nicht gerüttelt.

Uta Ranke-Heinemann ist Theologin und kirchenkritische Buchautorin, war 1970 die erste Professorin im Fach katholische Theologie, im Jahr 1987 allerdings wurde ihr die Lehrbefugnis dafür wieder entzogen, weil sie offen bekannte, dass sie nicht an die Jungfrauengeburt glauben kann. Ihr Buch "Eunuchen für das Himmelreich" ist gerade in einer erweiterten und aktualisierten Auflage erschienen mit dem Untertitel "Katholische Kirche und Sexualität – von Jesus bis Benedikt XVI.". Und jetzt ist Frau Ranke-Heinemann für uns am Telefon. Willkommen in unserer Sendung!

Uta Ranke-Heinemann: Hallo!

Hanselmann: Die Rolle der Frau in der katholischen Kirche wurde also gerade zum Thema der Bischofskonferenz gemacht. Ist das an sich schon ein Schritt in die richtige Richtung?

Ranke-Heinemann: Nein, überhaupt nicht. Ich meine, das steht ja schon in der Bibel, es ist nicht gut, dass der Mann allein sei, es gibt viele Sachen, die der Mann einfach … die ihm also zu unbedeutend sind, und die lässt er von Frauen erledigen. Und nichts anderes passiert hier: Diakonissen sind sie nicht geworden, Diakonissen gab es früher, aber sie wurden wegen ihrer monatlichen Verunreinigung - also die Menstruation, die Verunreinigung durch das weibliche Blut spielte damals in der Antike eine große Rolle. Dadurch haben sie das Diakonat, was sie auch jetzt noch nicht bekommen, nie bekommen. Diakonissen ist nicht der richtige Ausdruck.

Hanselmann: Da reden wir vielleicht gleich noch etwas ausführlicher darüber. In den deutschen Bistümern sind 13 Prozent der oberen Leitungsämter ohne Ordinariat mit Frauen besetzt, auf der mittleren Ebene sind es 19 Prozent. Nach Angaben der Bischofskonferenz lag der Frauenanteil vor acht Jahren in diesen Positionen bei fünf beziehungsweise 13 Prozent. Frau Ranke-Heinemann, die Kurve geht doch also nach oben – ein Fortschritt?

Ranke-Heinemann: Hören Sie mal, was Sie da für Zahlen nennen - ich meine, das ist doch Irrsinn. Gucken wir doch mal wirklich nach oben: Im Vatikan kommst du als Frau nur mit einem Staubsauger nach oben, und, ja, gibt es Kardinälinnen, gibt es Bischöfinnen? Also es ist doch der reine Junggesellenverein, wo nur die Jungfrau Maria Zutritt hat.

Hanselmann: Also die Zahlen habe ja nicht ich mir ausgedacht, die sind ja von der Bischofskonferenz.

Ranke-Heinemann: Nein - ich rede ja auch nicht gegen Sie, Herr Hanselmann, sondern Sie mussten eben den Unsinn der Bischöfe, der jetzt als Fortschritt verkauft wird, mussten Sie eben oder durften Sie lesen. Ja.

Hanselmann: Nun gut, wir sind 19 Prozent auf der mittleren Ebene, aber …

Ranke-Heinemann: Ach, was heißt denn hier mittlere?

Hanselmann: Die Frage ist ja, was haben die Frauen in diesen Leitungsämtern zu sagen?

Ranke-Heinemann: Die haben keine Leitungsämter, das ist alles … was sind das denn für Leitungsämter? Oder wenn du wirklich eine Missio canonica bekommst – hatte ich ja auch, also Lehrbefugnis –, kaum fängst du an zu denken und sagst so was, dass du also, da du selber Kinder bekommen hast, hast du das auch gemerkt, dass die nicht vom Heiligen Geist sind, du nimmst deinen Verstand wahr und sagst, dass eine solche Jungfrauengeburt eben nur für Märchengläubige gültig ist …

Hanselmann: Und schon ist die Missio canonica wieder weg.

Ranke-Heinemann: Natürlich, da ist sie bei mir jedenfalls weg gewesen.

Hanselmann: Es gab die Idee – wir müssen darüber noch mal reden –, es war ein Vorschlag, ein Diakonat für Frauen einzurichten. Diese dürften dann segnen, sie dürfen wohl auch Gottesdienste halten und Ähnliches, allerdings ohne Ordination. Sind sie dann so was wie Priesterinnen zweiter oder dritter Klasse?

Ranke-Heinemann: Sie sind überhaupt keine Priesterinnen. Segnen? Abraham hat seine Söhne … mich hat sogar mein sterbender Mann einen Tag vor seinem Tod gesegnet. Das heißt, er hat gesagt: "Du bist gesegnet." Also mit anderen Worten, seit wann können nur diese Frauen, die jetzt da von den Bischöfen als hervorgehoben uns gezeigt werden … ? Jeder kann segnen – jede Mutter, jeder Vater, jawohl!

Hanselmann: Der Einfluss der Frauen in der Kirche hängt nicht am Ordinariat, betonte Kardinal Walter Kasper.

Ranke-Heinemann: Ja, ist klar!

Hanselmann: Woran hängt er eigentlich?

Ranke-Heinemann: Ach, wissen Sie, ich kann das ganze Gerede nicht mehr hören, also es ist doch dummes Zeug. Eine derartige Frauenverachtung – gucken Sie mal, früher, vor dem Jahre eins, wurden die Menschen nicht nach Gläubigen und Ungläubigen unterteilt, aber dann wurden sie im Jahr eins zu einer Märchenstunde umgeschaltet, infantilisiert. Und die Menschen werden wieder infantil, sie werden zu – das ist noch zu viel gesagt – sie werden zu Schafen, von Hirten und Oberhirten geleitet, und alle Hirten sind Männer und alle Frauen sind Schafe.

Hanselmann: Ein solches Schaf ist die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer von der CDU, die ist auch im Zentralkomitee der deutschen Katholiken, und sie sagte, es müsse auch auf geistlicher Ebene Veränderungen geben. Das von uns eben besprochene Diakonat sei ein wichtiger Schritt, sagt diese doch intelligente Frau, Frau Ranke-Heinemann, aber die Priesterweihe für Frauen läge noch in weiter Ferne.

Ranke-Heinemann: Es ist nicht das Diakonat, es ist ein für Frauen, für die Schafe sozusagen angeschneidertes Diakonat. Es ist was anderes, die Diakone, die männlichen, haben eine andere Position, sind schon in der Hierarchie eingeordnet, die Frauen nicht. Es ist einfach eine Namens- … wie soll ich es mal sagen? Ein Namensmissbrauch, dass man sagt, ach, man denkt, man nennt das jetzt Diakonissen, dann sind einige damit zufrieden. Ich nicht, denn ich weiß, was Diakonissen waren, weswegen sie weggeschafft wurden, und dass sie es nicht bis jetzt geworden sind.

Hanselmann: Soll das eine Art Beruhigungspille sein für die katholischen Frauen, um sie an die Kirche zu binden und nicht weglaufen zu lassen?

Ranke-Heinemann: Ja, irgend so was wird es wohl sein, dass wir denken, ach, wir müssen da mal ein bisschen schön reden, in den oberen Leitungsfunktionen und so weiter – die beginnt bei mir oben beim Papst, aber die ist ja auch gar nicht gemeint. Leitungsebenen für Frauen, die also die niedrigen Arbeiten verrichten und da leitend sind.

Hanselmann: Glauben Sie denn, dass es jemals Priesterweihe für Frauen geben wird und dann sogar die Möglichkeit für eine Päpstin entsteht?

Ranke-Heinemann: Glaube ich nicht.

Hanselmann: Deutschlandradio Kultur, das "Radiofeuilleton", wir sprechen mit der kirchenkritischen Theologin Uta Ranke-Heinemann über die Rolle der Frau in der katholischen Kirche aus Anlass der katholischen Bischofskonferenz, die heute zu Ende geht.

Frau Ranke-Heinemann, der Kölner Kardinal Joachim Meisner hat heute einen Verlust des Vertrauens in die katholische Kirche beklagt. Dieser Verlust resultiere "aus unserem eigenen Versagen als Kirche", sagte er, die sexuellen Missbräuche und die Abweisungen einer vergewaltigten Frau in zwei unserer katholischen Krankenhäuser. Es schmerze besonders, wenn das Urteil vom Innern der Kirche nach außen geht. Aber er relativierte das Ganze gleich wieder und warf der Gesellschaft eine unverhältnismäßige Reaktion auf diese Missstände in der katholischen Kirche vor: Er beklagte, dass – Zitat – "unser Versagen dramatisiert und multipliziert wird, als ob es nichts anderes mehr bei uns gäbe." Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie so was hören?

Ranke-Heinemann: Da ärgere ich mich. Also die ganzen Missbrauchsfälle können gar nicht, dürfen gar nicht aufgedeckt werden; jetzt der Professor Pfeiffer ist da ja auch gescheitert. Denn Ratzinger hat – damals noch Kardinal, 2001 – ein lateinisches Schreiben, was da bei allen Bischöfen im Tresor liegt, "De delictis gravioribus", "Über schwererwiegende Verbrechen", geschrieben. Und da ist ausdrücklich gesagt, unter Strafe der Exkommunikation sind die Bischöfe verpflichtet, alle Fälle ausschließlich an den Vatikan zu melden. So, und wenn jetzt einer – und dieser Kriminologe Professor Pfeiffer hat ja dann auch aufgehört, weil es ist nicht möglich, es ist nicht möglich, da irgendwie ein Licht rein zu bringen, solange der Papst sein Schreiben "De delictis gravioribus" nicht zurücknimmt, aber das habe ich noch nicht gehört.

Hanselmann: Ein Punkt ist mir noch sehr wichtig: Der Noch-Papst Joseph Ratzinger hat ja immer wieder betont, dass sich die katholischen Kirche auf die alten Werte besinnen solle, sich nicht dem Zeitgeist beugen solle und so weiter. Hat er damit nicht irgendwo auch Recht aus der Sicht der Kirche, ist vielleicht gerade das Beharren auf der Tradition, auf Dogmen, den alten Regeln, ist das vielleicht das Einzige, was vielleicht der Kirche noch bleibt? Alle anderen können ja gehen.

Ranke-Heinemann: Also Papst Benedikt hat ja jetzt sein neuestes Buch geschrieben, "Über die Kindheit Jesu". Er schreibt in diesem Buch, Maria habe ihren Sohn durch ihr Ohr empfangen, durch ihre Worte zu dem Engel: "Mir geschehe nach deinem Worte." Durch ihren Gehorsam sei Maria Mutter geworden. Ich sage, die Gynäkologen können jetzt ihre Praxis schließen, und werden durch Hals-Nasen-Ohrenärzte ersetzt. Der Ohrsex als Durchbruch in der Sexualforschung, in der neuen Vatikanstudie des Buches von Joseph Ratzinger "Jesus von Nazareth", Auflage eine Million. Also mit anderen Worten: Jahrhunderte historisch-kritischer Textforschung der Protestanten wird vom Papst in den Papierkorb geworfen, wir müssen das alles wieder wörtlich nehmen – ja …

Hanselmann: Und müssen …?

Ranke-Heinemann: Und mit anderen Worten, ich sage ja: Infantilisierung! Klapperstorchmärchen werden uns erzählt. Ohrsex! Ohrsex!

Hanselmann: Sagt Uta Ranke-Heinemann. Ich möchte jetzt noch mal Ihren Buchtitel erwähnen zum Abschluss unseres Gespräches. Vielen Dank an Uta Ranke-Heinemann, Autorin des Buches "Eunuchen für das Himmelreich", beschreibt den Ohrsex in der katholischen Kirche und mehr – Katholische Kirche und Sexualität ist Ihr Thema, von Jesus bis Benedikt XVI.

Ranke-Heinemann: Aber Sie haben mein anderes nicht erwähnt: "Nein und Amen – mein Abschied vom traditionellen Christentum", neunte Auflage 2011, Heyne Taschenbuch.

Hanselmann: Wunderbar, vielen Dank!

Ranke-Heinemann: Ja, bitte!

Hanselmann: Und einen schönen Tag noch, danke!

Ranke-Heinemann: Ihnen auch!


Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.


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Uta Ranke-Heinemann
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