Im Universum der Zahlen zu Hause
Das Erste zeigt den Umgang mit Autisten in den 60er-Jahren: Felix, ein sechsjähriger autistischer Junge lebt in einem bayerischen Dorf, wo noch immer die Mechanismen der Ausgrenzung Andersartiger greifen.
"Felix: "Aua, nicht anfassen!"
Amtsarzt: "Jetzt reichts aber! Siebengescheit und frech zugleich!"
Mutter: "Er ist nur aufgeregt, da wird er immer leicht panisch."
Arzt: "Vielleicht ist er auch nur schlecht erzogen.""
Felix beim Amtsarzt, der soll untersuchen, ob der Junge schultauglich ist.
"Arzt: "Jetzt sagst A! Komm, A!"
Felix: schreit: "Ahhhhhhh"
Arzt: "Im Keim ersticken, Frau Moosbacher! Schwer Erziehbare schicken wir gleich auf die Hilfsschule! Die können wir hier nicht gebrauchen!""
Hier im ländlichen Bayern, wo die Hopfenbauern nur schwer ihr Auskommen finden und Felix' Vater sich übernommen hat mit dem Kredit für die Erntemaschine. Die Familie Moosbacher steht eh unter Druck und dazu kommen die Sorgen um Felix: Der Junge kann mit den Spielen der anderen Kinder nichts anfangen und die nichts mit ihm. Lichter, Muster und Töne ziehen ihn magisch an. Und Zahlen.
"Mutter (verkauft auf dem Markt Gemüse): "So, das macht zusammen ... "
Felix: "Fünf mal 20 und fünf mal 30 und 35 gleich zwei D-Mark 85."
Mutter (stolz) "Zwei Mark 85 Frau Schenkhofer.""
Christine Neubauer spielt Felix Mutter Marie, die sich wie eine Löwin dagegen wehrt, dass ihr Sohn von stumpfen Dörflern mit Exorzismus traktiert wird und in die Sonderschule abgeschoben werden soll.
"Ich lass den Felix nicht vor die Hund gehen. Ich will ihn noch mal untersuchen lassen."
Felix' Vater: "Wo willst du denn jetzt hin mit ihm?"
"In Berlin, da gibt's einen Arzt, der ... "
"Berlin? Sag mal, bist du total übergeschnappt?"
"Ich hab von dort an Arzt troffen, der ist auf Kinder wie den Felix spezialisiert!Ein Wunderheiler oder?"
"Schmarrn! Aber einer, der sich auskennt. Und vielleicht der einzige, der uns helfen kann."
Mit der Zeitreise der bodenständigen Bäuerin in die Großstadt, die Wohngemeinschaften und Studentenunruhen von 1967, zeichnet Drehbuchautorin Andrea Stoll ein plakatives Bild der Veränderungen in diesem Jahrzehnt.
"Und dann wird sie natürlich mit einem Leben konfrontiert, das den Umbruch der damaligen Gesellschaft sehr viel krasser spiegelt in vielen Facetten, als das auf dem Lande möglich gewesen wäre."
Nie erfahren wir mehr über den Zustand einer Gesellschaft, als wenn wir den Umgang mit Menschen betrachten, die nicht nahtlos ins Gefüge passen, meint Andrea Stoll. Zwei Jahre lang hat sie recherchiert, mit Autismus-Experten gesprochen und Betroffenen. Um fest zu stellen, dass ihr "Kalter Himmel" mitnichten eine rein historische Geschichte ist.
"Ich war immer mehr fasziniert davon, aber auch erschrocken, wie aktuell dieses Thema ist, wie wenig erzählt, wie wenig realistische Darstellungen es auch von den Lebenserfahrungen der betroffenen Eltern, der Familien gibt. Und aus alle diesen Erfahrungen heraus ist dann dieser Film entstanden."
Christine Neubauer soll dem schwierigen Thema Aufmerksamkeit verschaffen. Meist ist sie ja als dralles Vollweib in seichten Serien zu sehen, doch hier nimmt man sie verblüfft als gute Schauspielerin war: Unter der detailverliebten Regie von Johannes Fabrick überzeugt sie als Mutter mit dem Mut der Verzweiflung - auch dank ihres kraftvollen bayerischen Dialekts.
"'Ich bin hier her gekommen, weil ich gesehen habe, dass mein Junge kein Dummkopf ist, kein Blödmann, kein Verrückter, kein Dorfdepp! Ja, der Felix ist anders: Er macht Dinge, die Kinder in seinem Alter sonst nicht so machen. Aber es gibt auch Dinge, die er ganz außergewöhnlich gut kann. Wie sein schnelles Rechnen zum Beispiel. Warum glauben sie mir nicht?" "Für eine genaue Diagnose zählen vor allem Fakten!" "Ja, man hat doch a Gefühl!'"
Doch die Emotionen anderer Menschen bedeuten Felix nichts. Die Zwillinge Eric und Marc Hermann spielen die schwierige Rolle des sechsjährigen Autisten geradezu unheimlich überzeugend: Seine meist unbewegte Miene, seine eckigen Bewegungen, die stille Würde, mit der er sich auch mütterlichen Berührungen beharrlich entzieht.
"Schau mich doch an, wenn i mit dir red! Felix, ich bin ja bei dir, wir schaffen das schon."
Unter der auch finanziellen Belastung zerbricht die Familie fast: Die Krankenkassen bezahlen damals die Behandlung von psychischen Leiden und von Entwicklungsstörungen nicht. Hopfenbäuerin Marie Moosbacher muss sich im sündigen Berlin als Bardame verdingen, um für die Kosten aufzukommen. Ein junger, engagierter Psychologe stellt dann endlich eine Diagnose: Asperger-Syndrom. Eine Unterform des Autismus, die auch heute noch vor allem auf dem Land wenn überhaupt dann oft erst nach jahrelanger Odyssee der Betroffenen erkannt wird. Dieser Pionier der Kinderpsychiatrie sieht in Felix' ungewöhnlicher mathematischer Begabung dessen Chance auf ein eigenständiges Leben.
"Arzt: "Wenn wir ihn richtig fördern, dann könnte ihm seine Intelligenz helfen, sich all das zu erschließen, was ihm seine Gefühle nicht zeigen können."
Mutter: "Aber wie soll denn das gehen? Wo gibt's denn so a Förderung?"
Arzt: "Das ist das Problem. Wir stehen erst am Anfang." "
Felix wird immer einsam sein unter einem "kalten Himmel", immer "anders", nie "normal": Diese bittere Erkenntnis bleibt seiner Mutter und dem Zuschauer nicht erspart.
"Unser Film zeigt die sehr mühsame Geschichte eines Erkennens, dass dieser Junge nicht geheilt werden kann. Aber man kann ihm helfen, wenn man lernt, wie man mit diesem Kind und seinen sehr speziellen Merkmalen umgeht, um ihm das Leben zu erleichtern und ihm auch die Teilhabe an einer Gemeinschaft - so weit es ihm möglich ist - auch tatsächlich fühlbar und fassbar zu machen."
Autorin Andrea Stoll lässt Felix' Zukunft offen. Doch findet sie ein anrührendes Schlussbild, das Hoffnung macht.
Programmhinweis:
"Der kalte Himmel"
Zweiteiler
Das Erste, 3. und 4. 01.2011, jeweils 20:15Uhr
Amtsarzt: "Jetzt reichts aber! Siebengescheit und frech zugleich!"
Mutter: "Er ist nur aufgeregt, da wird er immer leicht panisch."
Arzt: "Vielleicht ist er auch nur schlecht erzogen.""
Felix beim Amtsarzt, der soll untersuchen, ob der Junge schultauglich ist.
"Arzt: "Jetzt sagst A! Komm, A!"
Felix: schreit: "Ahhhhhhh"
Arzt: "Im Keim ersticken, Frau Moosbacher! Schwer Erziehbare schicken wir gleich auf die Hilfsschule! Die können wir hier nicht gebrauchen!""
Hier im ländlichen Bayern, wo die Hopfenbauern nur schwer ihr Auskommen finden und Felix' Vater sich übernommen hat mit dem Kredit für die Erntemaschine. Die Familie Moosbacher steht eh unter Druck und dazu kommen die Sorgen um Felix: Der Junge kann mit den Spielen der anderen Kinder nichts anfangen und die nichts mit ihm. Lichter, Muster und Töne ziehen ihn magisch an. Und Zahlen.
"Mutter (verkauft auf dem Markt Gemüse): "So, das macht zusammen ... "
Felix: "Fünf mal 20 und fünf mal 30 und 35 gleich zwei D-Mark 85."
Mutter (stolz) "Zwei Mark 85 Frau Schenkhofer.""
Christine Neubauer spielt Felix Mutter Marie, die sich wie eine Löwin dagegen wehrt, dass ihr Sohn von stumpfen Dörflern mit Exorzismus traktiert wird und in die Sonderschule abgeschoben werden soll.
"Ich lass den Felix nicht vor die Hund gehen. Ich will ihn noch mal untersuchen lassen."
Felix' Vater: "Wo willst du denn jetzt hin mit ihm?"
"In Berlin, da gibt's einen Arzt, der ... "
"Berlin? Sag mal, bist du total übergeschnappt?"
"Ich hab von dort an Arzt troffen, der ist auf Kinder wie den Felix spezialisiert!Ein Wunderheiler oder?"
"Schmarrn! Aber einer, der sich auskennt. Und vielleicht der einzige, der uns helfen kann."
Mit der Zeitreise der bodenständigen Bäuerin in die Großstadt, die Wohngemeinschaften und Studentenunruhen von 1967, zeichnet Drehbuchautorin Andrea Stoll ein plakatives Bild der Veränderungen in diesem Jahrzehnt.
"Und dann wird sie natürlich mit einem Leben konfrontiert, das den Umbruch der damaligen Gesellschaft sehr viel krasser spiegelt in vielen Facetten, als das auf dem Lande möglich gewesen wäre."
Nie erfahren wir mehr über den Zustand einer Gesellschaft, als wenn wir den Umgang mit Menschen betrachten, die nicht nahtlos ins Gefüge passen, meint Andrea Stoll. Zwei Jahre lang hat sie recherchiert, mit Autismus-Experten gesprochen und Betroffenen. Um fest zu stellen, dass ihr "Kalter Himmel" mitnichten eine rein historische Geschichte ist.
"Ich war immer mehr fasziniert davon, aber auch erschrocken, wie aktuell dieses Thema ist, wie wenig erzählt, wie wenig realistische Darstellungen es auch von den Lebenserfahrungen der betroffenen Eltern, der Familien gibt. Und aus alle diesen Erfahrungen heraus ist dann dieser Film entstanden."
Christine Neubauer soll dem schwierigen Thema Aufmerksamkeit verschaffen. Meist ist sie ja als dralles Vollweib in seichten Serien zu sehen, doch hier nimmt man sie verblüfft als gute Schauspielerin war: Unter der detailverliebten Regie von Johannes Fabrick überzeugt sie als Mutter mit dem Mut der Verzweiflung - auch dank ihres kraftvollen bayerischen Dialekts.
"'Ich bin hier her gekommen, weil ich gesehen habe, dass mein Junge kein Dummkopf ist, kein Blödmann, kein Verrückter, kein Dorfdepp! Ja, der Felix ist anders: Er macht Dinge, die Kinder in seinem Alter sonst nicht so machen. Aber es gibt auch Dinge, die er ganz außergewöhnlich gut kann. Wie sein schnelles Rechnen zum Beispiel. Warum glauben sie mir nicht?" "Für eine genaue Diagnose zählen vor allem Fakten!" "Ja, man hat doch a Gefühl!'"
Doch die Emotionen anderer Menschen bedeuten Felix nichts. Die Zwillinge Eric und Marc Hermann spielen die schwierige Rolle des sechsjährigen Autisten geradezu unheimlich überzeugend: Seine meist unbewegte Miene, seine eckigen Bewegungen, die stille Würde, mit der er sich auch mütterlichen Berührungen beharrlich entzieht.
"Schau mich doch an, wenn i mit dir red! Felix, ich bin ja bei dir, wir schaffen das schon."
Unter der auch finanziellen Belastung zerbricht die Familie fast: Die Krankenkassen bezahlen damals die Behandlung von psychischen Leiden und von Entwicklungsstörungen nicht. Hopfenbäuerin Marie Moosbacher muss sich im sündigen Berlin als Bardame verdingen, um für die Kosten aufzukommen. Ein junger, engagierter Psychologe stellt dann endlich eine Diagnose: Asperger-Syndrom. Eine Unterform des Autismus, die auch heute noch vor allem auf dem Land wenn überhaupt dann oft erst nach jahrelanger Odyssee der Betroffenen erkannt wird. Dieser Pionier der Kinderpsychiatrie sieht in Felix' ungewöhnlicher mathematischer Begabung dessen Chance auf ein eigenständiges Leben.
"Arzt: "Wenn wir ihn richtig fördern, dann könnte ihm seine Intelligenz helfen, sich all das zu erschließen, was ihm seine Gefühle nicht zeigen können."
Mutter: "Aber wie soll denn das gehen? Wo gibt's denn so a Förderung?"
Arzt: "Das ist das Problem. Wir stehen erst am Anfang." "
Felix wird immer einsam sein unter einem "kalten Himmel", immer "anders", nie "normal": Diese bittere Erkenntnis bleibt seiner Mutter und dem Zuschauer nicht erspart.
"Unser Film zeigt die sehr mühsame Geschichte eines Erkennens, dass dieser Junge nicht geheilt werden kann. Aber man kann ihm helfen, wenn man lernt, wie man mit diesem Kind und seinen sehr speziellen Merkmalen umgeht, um ihm das Leben zu erleichtern und ihm auch die Teilhabe an einer Gemeinschaft - so weit es ihm möglich ist - auch tatsächlich fühlbar und fassbar zu machen."
Autorin Andrea Stoll lässt Felix' Zukunft offen. Doch findet sie ein anrührendes Schlussbild, das Hoffnung macht.
Programmhinweis:
"Der kalte Himmel"
Zweiteiler
Das Erste, 3. und 4. 01.2011, jeweils 20:15Uhr