Im Piraten-Schlupfwinkel

26.12.2007
In Louis-Philippe Dalemberts Roman "Die Insel am Ende der Träume" machen sich zwei Abenteurer auf den Weg nach Tortuga. Auf der Insel soll Napoleons Schwester Pauline einen Schatz versteckt haben. Ein Schelmenthriller mit einem märchenhaften Ende.
Die Karibik ist eine literarische Schatztruhe; in den letzten 16 Jahren ging der Literaturnobelpreis zwei Mal in die Karibik: an Derek Walcott und an V.S. Naipaul.

Literarisch wie politisch ist die Karibik ein bizarrer Flickenteppich: Zu den Anrainern gehören kubanische Kommunisten, Steuerparadiese, alle Kokain-Händler der Welt, die USA, Urlaubsparadiese und auf der anderen Seite zum Beispiel Länder wie Haiti, wo der Roman "Die Insel am Ende der Träume" des frankophonen Haitianers Louis-Philippe Dalemberts spielt. Haiti ist das ärmste, unterentwickelste Land der westlichen Hemisphäre; bis heute sind 10.000 UNO-Soldaten dort stationiert. Hinter dem Stacheldrahtzaun Haitis sonnen sich zwar die Touristen, aber die Grenze zwischen der Dominkanischen Republik und Haiti ist dicht.

Um diese Widersprüche zu verarbeiten, benutzt Dalembert wie die meisten mittel- und südamerikanischen Schriftsteller die Erzähltechnik des "magischen Realismus", die Elemente der Realität komprimiert, oft auf überraschende und "magische" Weise.

Dalemberts erster in deutscher Sprache erschienener Roman, in seiner Heimat Haiti gehört er zu den populärsten Autoren des Landes, spielt auf der Haiti vorgelagerten Insel Tortuga, einem alten Piraten-Schlupfwinkel. Und es geht tatsächlich um einen historischen Schatz, und zwar um das Gold von Napoleons Schwester Pauline, die die Insel als Liebesnest benutzte. Um Paulines verstecktes Gold zu finden, machen sich zwei Männer, zwei Abenteurer, die sich zufällig in einer Bar auf Kuba kennengelernt haben, auf nach Tortuga. Der eine der beiden Abenteurer, der namenlose Ich-Erzähler, Skipper auf luxuriösen Segel-Yachten, verkörpert den lauteren Charakter. Der andere Schatzsucher hingegen führt, so vermutet der Leser von Anfang an, ein Doppelleben; er gibt sich als Schriftsteller aus. Was er tatsächlich ist, bleibt lange ein Geheimnis: ein Ex-Diktator, ein Kokain-Dealer, ein krimineller Kunst-Händler oder ein militanter Guerilla-Kämpfer beziehungsweise Terrorist? Eins sei verraten: in diesem Roman wird all das miteinander vermengt, ein Roman voller Überraschungen.

"Die Insel am Ende der Träume" ist ein vordergründig fast humoristischer Thriller mit einem Augenzwinkern, ein Roman, um eine Metapher von Dalembert zu benutzen, "der in der Flut des Lachens über die Wellen surft." In diesem "Schelmenroman" geht es nicht um Action; da wird eher traditionell erzählt, der Leser in eine Stimmung wie in einem Graham Greene-Roman versetzt. Den Grundton des Romans bestimmt die saloppe Umgangssprache des Ich-Erzählers, der grobe Scherze, schräge Metaphern und Sex liebt, der aber auch einen unstillbaren Drang zur Poesie hat; das ist Literatur, "herbeigeweht aus den weitesten Fernen der Kindheit, … aus alten Schwarzweißfilmen. Aus fiebernder Lektüre in der Krone eines Obstbaumes. …", geschrieben "mit der Leichtfertigkeit des Gehörnten, der seine zweite Heiratsurkunde unterschreibt".

"Die Insel am Ende der Träume" bietet schnurrige Unterhaltungsliteratur, die aber auch ihren politischen und gesellschaftskritischen Aspekt hat, und obwohl da der Roman auch "zubeißt", bleibt das Buch trotzdem ein Gute-Laune-Buch, eine Art Schelmenthriller mit einem märchenhaften Ende.

Rezensiert von Lutz Bunk

Louis-Philippe Dalembert: Die Insel am Ende der Träume
Aus dem Französischen übersetzt von Peter Trier
litradukt Verlag 2007
238 Seiten, 18,80 Euro