Im Labyrinth der Kulturzuständigkeiten

Von Thomas Fitzel |
Der deutsche Kulturrat hat ein Handbuch herausgegeben, das als Wegweiser durch den Dschungel der Kulturbürokratie dienen soll. Der Zeitpunkt, zwei Monate vor der Wahl, verwundert, schließlich könnte der Führer bald veraltet sein. Doch Kulturrat-Geschäftsführer Olaf Zimmermann hofft damit, das Thema Kultur auf die Agenda des Wahlkampfs zu stellen.
Olaf Zimmermann: " Wir wollen heute ein Buch vorstellen: "Im Labyrinth der Kulturzuständigkeiten", die Kulturverwaltungen der Länder des Bundes und der europäischen Union."

Auf knapp 150 Seiten findet der Leser in dieser Broschüre alle wichtigen Adressen, die mit der Kulturverwaltung im weitesten Sinne in Bund, Länder und Kommunen zu tun haben. Und es erstaunt, wie viele Abteilungen und Referate es außerhalb der klassischen Kulturministerien gibt, die sich ebenfalls direkt oder indirekt mit der Kultur beschäftigen.

Das fängt im Justizministerium an, das sich um Urheber- und Verlagsrechte kümmert, geht weiter zum Bundesbauministerium, Architektur sowie Kunst am Bau, das Auswärtige Amt weist eine ganze Liste von Referaten auf, seien es die Goetheinstitute, der interkulturelle Dialog oder die Förderung deutscher Minderheiten. Am Finanzministerium führt sowieso kein Weg vorbei. Allerdings: was die Unterabteilung II B, die den Einzelplan 04, 06, 07 und noch einige andere bearbeitet, mit der Kultur zu schaffen hat, das bleibt auch in diesem Wegweiser verborgenen.

Er ist eine nützliche Adressenzusammenstellung, ein schmaler Auszug aus dem so genannten Oekl, dem Taschenbuch für das öffentliche Leben, ein Organigramm der Kulturverwaltung, mehr aber auch nicht, schon gar nicht ein Führer durch das Labyrinth der Kulturzuständigkeiten. Denn höchstens ein paar Wegabzweigungen lässt dieses Handbuch erkennen. Für 14.80 Euro sollte man sich allerdings ein klein bisschen mehr schon wünschen dürfen.

Noch mehr verwundert jedoch der Zeitpunkt. In zwei Monaten wird gewählt. Vieles ist dann nur noch Makulatur, zumindest was die Bundesbehörden betrifft und wenn das große Stühlerücken erst beginnt, dann setzt es sich auch auf den Länderebenen fort. Trotzdem wollte Olaf Zimmermann, der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, gerade jetzt dieses Handbuch herausbringen.

Olaf Zimmermann: " Wir haben uns das sehr genau überlegt, man hätte ja sagen können: Wartet doch noch mal mit der Broschüre, bis wir wissen, wer auf der Bundesebene Kulturminister oder Kulturstaatsminister wird. Wir haben absichtlich gesagt, nein, wir wollen das jetzt veröffentlichen und zwar um zu zeigen, wie vielfältig Kulturpolitik wirklich ist, um einen kleine Anregung zu geben, auch in diesem Wahlkampf zu debattieren, muss man Kulturpolitik nicht viel umfassender sehen, muss man, wenn man neue Strukturen schafft und wenn man jetzt eine neue Zusammenstellung jetzt nach der Bundestagswahl machen will, also wollen wir ein Kulturministerium haben auf Bundesebene oder wollen wir weiterhin eine Beauftragte beim Bundeskanzler haben, das man sich auch intensiv auch darüber Gedanken macht, welche Zuständigkeiten es wirklich gibt. Wir wollen damit auch ein wenig zur Versachlichung der Debatte um die Kulturhoheit zwischen Bund und Ländern beitragen. "

Der deutsche Kulturrat mischt sich auf vielfältige Weise in den gegenwärtigen Wahlkampf ein. Sei es in der Frage, ob Kultur als Staatsziel in die Verfassung eingeführt werden soll, oder ob nicht ein Bundeskulturministerium sinnvoll wäre oder auch bei der schon lange erhobenen Forderung nach der Abschaffung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes für Kulturgüter wie etwa Bücher und Kunstwerke.

Olaf Zimmermann: " Ich sage ihnen ganz klar, wenn der ermäßigte Mehrwertssteuersatz für die Kultur abgeschafft wird, ist der Schaden für die Kultur viel größer als alle Förderprogramm des Bundes zusammen je wieder gutmachen können. Das ist wirklich ein dramatischer Schaden, wenn der entsteht, und wir werden die Debatte doch Anfang der nächsten Legislaturperiode wieder haben, das ist doch sicher wie das Amen in der Kirche. "

Joschka Fischers populistischer Vorschlag der Einführung einer Luxussteuer, die dann fatalerweise auch für Kunstwerke gelten könnte, zeigt, auch eine scheinbare fern der Kultur liegende Entscheidung kann gerade dort verheerende Folgen haben. Hier fehlt es nach Ansicht des Deutschen Kulturrates an den nötigen Strukturen, die behördenübergreifend genau solche Probleme gemeinsam im Blick behalten.

Eine gesetzlich verankerte Kulturverträglichkeitsprüfung, die sämtliche Gesetzesentwürfe auf die mögliche Auswirkungen auf die Kultur vor der endgültigen Abfassung prüfen sollte, stand zwar im Koalitionspapier der rot-grünen Regierung, wurde aber in der Praxis nicht wirklich umgesetzt. Für den Deutschen Kulturrat könnte diese viel verbessern, auch wenn wahrscheinlich dadurch ein erheblicher Mehraufwand an Bürokratie entstünde.

Olaf Zimmermann: " Also so zum Beispiel eine Struktur, ob nun Kulturstaatsministerium, das heißt beim Bundeskanzler oder Bundeskanzlerin angesiedelt, oder ein Ministerium mit einer funktionierenden Kulturverträglichkeitsprüfung, also einer Prüfung aller Gesetze, die der Bund vorbereitet in einem Stadium, wo man auch noch was ändern kann, also nicht erst, wenn sie in den Parlamente eingebracht werden, sondern auf dem Referentenstatus, das wäre eine sinnvolle Form und auch eine Stärkung der Kultur, die sicherlich für uns alle sichtbar wäre auch."

Rechtzeitig zur Wahl will der Kulturrat die Ergebnisse seiner Wahlprüfsteine vorlegen. Dazu wurde sämtlichen Parteien die kulturpolitische Gretchenfrage gestellt: Wie hältst Du es mit der Kultur? Besonders interessant wird die Antwort der CDU sein, denn noch ist nicht entschieden, ob sich die Reformer durchsetzen werden oder die föderalistisch gestimmten Landesfürsten, die ein roll back zur alleinigen Kulturhoheit der Länder anstreben. Vielleicht schweigt sich jedoch Angela Merkel auch in dieser Frage sehr vorsichtig aus.