Im Galopp in die Welt der Warmblüter

Von Paul Stänner · 16.05.2008
Achtmal im Jahr findet in Verden an der Aller eine Pferdeauktion statt. Schon das zeigt, welche Bedeutung das Pferd in dieser Region südlich von Bremen hat. In den 1930er Jahren gründete Verden ein Museum, das zu einer festen Adresse sowohl für Pferdenarren wie auch für Profis geworden ist.
Wir befinden uns hier im Erdgeschoss in der Stallgasse und an der Bezeichnung merkt man schon, wir befinden uns hier in der ehemaligen Kavalleriekaserne. Die frühere Kaserne der leichten Reiterei liegt ein wenig am Rande von Verden an der Aller.

Museumsleiterin Fürle:"Hier im Erdgeschoss sind die Futterkrippen, die Anbindemöglichkeiten noch erhalten, so dass man sehr deutlich die ursprüngliche Nutzung sieht."

Seit dem 30-jährigen Krieg hat Verden eine Tradition darin, mit Pferden umzugehen und seit der Eröffnung der Galopprennbahn 1933 trägt sie den Beinamen "Pferdestadt". Wobei man erwähnen sollte, dass der Ortsname Verden mit den Tieren nichts zu tun hat, sondern aus dem Sächsischen stammt und "Furt" heißt, ein Übergang über die Aller. Dass ausgerechnet in Verden ein Pferdemuseum steht, erklärt Museumsleiterin Gisela Fürle mit der Umgebung.

"Wir leben hier in einem Pferdeland im wahrsten Sinne des Wortes, also schon in der Frühzeit, im Mittelalter ist hier die Gegend geprägt gewesen von der Pferdezucht, von der Pferdehaltung und das ist natürlich durch Celle, durch die Hannoveranerzucht schon im frühen 18. Jahrhundert dann ganz stark etabliert worden und diese erfolgreiche Zucht über das Landgestüt Celle ist ja heute weltweit aktiv."

Das Pferdemuseum erstreckt sich über zwei Etagen der ehemaligen Kaserne. Und natürlich beginnt alles beim Urpferd.

"Wir haben hier im Haus Modelle von den Entwicklungsphasen des Pferdes und stellen Sie sich vor, das Urpferd vor 55 Millionen Jahren hatte ungefähr die Größe eines Fuchses und es hatte noch keine Hufe, sondern vorne vier Zehen und hinten drei Zehen."

Um ehrlich zu sein, sieht das Urpferd auf seinem Podest aus wie eine stark verfettete Hauskatze, hat aber schon den typischen Pferdekopf. Man hat das Gefühl, als ob in den folgenden Jahrmillionen sich die Evolution darauf konzentriert hätte, nur den Körper den wechselnden Umständen anzupassen, während sie mit dem Kopf eigentlich ganz zufrieden war.

Der Gang durchs Haus folgt der Geschichte, gewissermaßen von der Urzeit über die Antike bis in die Moderne, und zeigt so die Formen der Kulturgemeinschaft Pferd-Mensch, die allerdings meist zu Lasten des Pferdes ging. Ein Diorama zeigt ein ritterliches Turnier, das europäische Mittelalter wäre ohne Pferde nicht denkbar gewesen.

"Ein Ritter benötigte vier Pferde und eben die Ausrüstung, einen Knappen um eben das Lehensgebiet oder zu schützen und im Falle eines Krieges in Einsatz zu treten."

Die Pferde der Ritter hatten gerade einmal eine Rückenhöhe von einem Meter dreißig, waren also eher kleine Tiere. Und sie wurden international gehandelt, denn sie kamen meist aus Spanien oder dem Orient.

"Man muss sich vorstellen, dass so eine Ritterrüstung ungefähr 50 Kilo gewogen hat, dann kam das Gewicht des Reiters, des Sattels dazu und auch noch eben die Ausrüstung für das Pferd, das ja auch ähnlich wie der Ritter mit einem Harnisch geschützt war und deswegen auch diese stämmigen ausdauernden kräftigen Pferde, weil sie ja schon unabhängig von den Strecken und den Kämpfen, die sie bewältigen mussten, viel Last tragen mussten."

Pferde und Krieg sind ein trauriges Kapitel. In einer Vitrine am Ende des Raumes liegen aus dem Zweiten Weltkrieg dicke, strohgeflochtene Beinschützer, die die Pferde vor Granatsplittern schützen sollten. Daneben liegt eine Gasmaske für das Pferd und große, gewölbte Brillen, die die Augen des Pferdes gegen das ätzende Giftgas abdeckten. Weiter durch die Ausstellung: Eine komplette Hufschmiede ist aufgebaut, die große Nähmaschine einer Sattlerei und andere Hilfsmittel für Berufe, die mit dem Pferde zu tun haben. Einer davon ist der Bergmann – für die schweren Arbeiten Untertage wurden Pferde in die Stollen gebracht. Zunächst wurden die Tiere mit einem Seilzug mit den Hinterbeinen voran in die Tiefe gelassen, aber dieses Verfahren, wie es eine zeitgenössische Graphik zeigt, erwies sich bald als unpraktisch.

"Der Bergbau blühte auf und es war zu zeitaufwendig, die Pferde täglich in die Grube hinunter zulassen und wieder hoch zu holen, so dass man unter Tage Stallungen einrichtete und die Tiere gar nicht mehr ans Tageslicht kamen. Und wer sich ein bisschen mit Pferden auskennt, weiß, dass für ein Pferd Licht, Luft , Bewegung einfach lebensnotwendig sind ...und so schrumpfte die Lebenserwartung auf maximal acht Jahre und heute geht man von 23 bis knapp 30 Jahren durchaus aus bei einem Pferd aus."

Mit anderen Worten, die Tiere wurden auf Verschleiß gehalten. Finstere Zeiten denkt man, zum Glück lange vorbei.

"Was für mich ganz interessant ist und auch wieder zeigt, obgleich wir immer so hoch entwickelt und technisiert sind in manchen Bereichen doch auch noch es anders aussieht, denn das letzte Grubenpferd wurde 1966 außer Dienst gestellt und – eine Zeit, wo man denkt, dass man Maschinen schon längst nur noch im Einsatz hat."

Wer glaubt, Pferde heute würden nur als Sportsfreunde gehalten, irrt. Als so genannte Rückepferde werden sie immer häufiger wieder in der Holzindustrie eingesetzt, um im Wald geschlagene Bäume umweltschonend zu bewegen.

"Unser Museum soll ja kein starres Museum sein, wo man nur noch schauen kann, alles unter Vitrinen ist, sondern es gibt ganz bewusst Stationen, wo Kinder etwas ausprobieren können , aber auch Erwachsene. So haben wir verschiedene Simulationen und wir stehen jetzt hier vor einem Kutschsimulator, wo man eben auf die Kutsche aufsteigen, die Leinen selbst in die Hand nehmen und dann das Gefühl vermittelt bekommt, als würde man mit der Kutsche fahren."

Wer Lust hat, kann auf einem anderen Modell den Frauensattel ausprobieren, auf dem man seitlich sitzt, weil früher die Gesellschaft der Meinung war, nur so sei Reiten für Frauen schicklich. Ein bisschen artistisches Gespür muss man schon mitbringen.

Das Pferdemuseum ist nicht allein Museum, es besitzt mit 16 000 Bänden auch eine der größten Bibliotheken rund um das Pferd. Damit nicht genug, mehr als eine Millionen historische Fotos ab 1870 lagen in den Depots, dazu etliche Gemälde und Graphiken, denn das Pferd war immer ein wichtiges Thema der Bildenden Kunst. Eigentlich bräuchte das Museum, gerade einmal acht Jahre nach seinem Umzug in die ehemalige Kavalleriekaserne, schon wieder größere Räume.

"Es gibt dann immer wieder schöne Zuwächse, so auch unser Weihnachtsgeschenk letzten Jahres – ein Kunsthändler, der sein Unternehmen aus Altergründen aufgegeben hat, hat uns und andere Museen angesprochen bezüglich eines Gemäldes mit einem Trakehnerpferd , auf dem die Prinzessin Sigismund von Preußen reitet, im Seitsitz umgeben von einer Jagdmeute, also einer Hundemeute und einem Pikeur. Also ein sehr großformatiges Gemälde, wunderschön und es passt in vielerlei Hinsicht zu uns....Und dann bekam ich eines Morgens den Anruf dieses Herren und er sagte: Frau Fürle, Sie können sich freuen, ich hab mich für Ihr Haus entschieden, ich gebe das Gemälde in Ihre Sammlung, da ich meine, dass es dort gut aufgehoben ist und einem breiten interessierten Publikum präsentiert werden kann."

In Kooperation mit dem Deutschen Museumsbund stellt Deutschlandradio Kultur im Radiofeuilleton jeden Freitag gegen 10:50 Uhr im "Profil" ein deutsches Regionalmuseum vor. In dieser Reihe wollen wir zeigen, dass auch und gerade die kleineren und mittleren Museen Deutschlands unerwartete Schätze haben, die es sicht lohnt, überregional bekannt zu machen und natürlich auch zu besuchen.