Im französischen Exil
Im Januar 1933, als in Deutschland die Nazis an die Macht kamen, ging der österreichische Autor Joseph Roth ins Pariser Exil. Dort schrieb er weiter literarische und politische Texte, zugleich kämpfte er gegen den Nationalsozialismus. Das Museum für Kunst und Geschichte des Judaismus erinner nun in der Ausstellung "Joseph Roth, das Pariser Exil 1933 - 1939" an sein Leben und Wirken.
Sonntagnachmittag im Pariser Museum für Kunst und Geschichte des Judaismus. Der bekannte Schauspieler Denis Podalydès liest - vor ausverkauftem Saal - "Die Legende vom Heiligen Trinker". Es ist der Auftakt zu einer Ausstellung über die sechs Lebens- und Schaffensjahre, die Joseph Roth im Pariser Exil verbrachte. Die ironisch-melancholische Erzählung über den Clochard Andreas ist das letzte Werk, das der österreichische Schriftsteller wenige Wochen vor seinem Tod in Paris verfasst hat.
Der Ausstellung ist ein Zitat vorangestellt, das Roths Liebe zu Paris ausdrückt. Er hatte die Stadt erstmals 1925 besucht, damals war er schon ein berühmter Journalist und im Auftrag der "Frankfurter Zeitung" unterwegs. Paris erschien ihm freier und geistreicher als Berlin. In einem Brief schwärmte er:
"Ich sehne mich nach Paris, ich habe es nicht aufgegeben, niemals, ich bin ein Franzose aus dem Osten, ein Humanist, ein Rationalist mit Religion, ein Katholik mit jüdischem Gehirn, ein wirklicher Revolutionär."
Ganz anderer Stimmung war er natürlich, als er am 30. Januar 1933, dem Tag der Machtergreifung der Nazis, in Paris ins Exil ging. Roth ahnte, was auf Europa zukam, schließlich hatte er als einer der ersten Intellektuellen bereits Anfang der 20er-Jahre vehement gegen den aufkommenden Nationalsozialismus angeschrieben. "Ich gebe keinen Heller mehr für unser Leben", schrieb er von Paris aus an seinen Freund Stefan Zweig.
Zu dieser Zeit war Roth in Frankreich bereits als Schriftsteller bekannt. Der Roman "Hiob" war auf Französisch erschienen und "Radetzkymarsch" wurde gerade übersetzt.
Die Exiljahre in Paris wurden für Roths literarisches Werk eine besonders wichtige und reiche Phase, erklärt der Wiener Literaturhistoriker Heinz Lunzer, der die Ausstellung zusammengestellt hat.
"Weil einerseits aus Gelderwerbsnöten Roth intensiv arbeiten musste, andererseits die Verkaufschancen schlechter waren im deutschsprachigen Markt. Roth hat das Glück gehabt, dass viel von seinem Werk übersetzt wurde, schon zu Lebzeiten. Wenn man die Zeit vor und nach 1933 vergleicht, so war vor 1933 ein Großteil von Roths Arbeit journalistisch. Er war ein extrem gut bezahlter Journalist in Deutschland und in Österreich, und das ist weggefallen."
Roth stand zeitweilig mit drei Verlagen gleichzeitig unter Vertrag, erzählt Lunzer. Er war großzügig und immer in Geldnot, seine Honorare verbrauchte er, noch bevor die Werke überhaupt geschrieben waren. In den sechs Exiljahren verfasste er zehn Romane und Erzählungen, außerdem politische Aufsätze und Essays. Seine Kampfbotschaften wurden in französischen Zeitungen gedruckt. Kaum ein anderer Intellektueller hatte im Exil noch so viel Resonanz wie er.
Anne Freyer-Mauthner, Herausgeberin für fremdsprachige Literatur beim französischen Verlag "Editions du Seuil", ist eine überzeugte Anhängerin von Roths Werk. Sie hat dafür gesorgt, dass die Übersetzungen modernisiert und vergriffene Titel neu aufgelegt wurden.
"Wir haben jetzt gerade die Essays 'Juden auf Wanderschaft' und 'Der Antichrist' neu herausgebracht. Das sind zwei Texte voller Zärtlichkeit und Mitgefühl für die Juden aus dem Städtl, denen Roth einerseits so nahe stand und zu denen er aber auch nicht gehören wollte, weil er die Assimilation anstrebte, er fühlte da zwiespältig. Ein Teil seiner Meisterwerke wird auch von der jungen Generation entdeckt. Mir scheint jedoch, dass die heutigen Leser vor allem dem journalistischen Werk große Bedeutung beimessen."
2005 hat Freyer-Mauthner daher den Sammelband "La Filiale de l’Enfer" herausgebracht, auf Deutsch: "Niederlassung der Hölle". Darin hat sie Artikel gebündelt, in denen Roth heftig und polemisch gegen den Nazismus, gegen die Barbarei, gegen die Verrottung der deutschen Sprache und gegen den Niedergang jenes alten Europas, das er so liebte, ankämpft.
Heinz Lunzer ist es dank hartnäckiger Recherche gelungen, zahlreiche Dokumente über Joseph Roths Jahre in Paris zusammenzutragen. Die Fotos in der Ausstellung zeigen einen kleinen rundlichen Mann mit schütterem Haar, buschigem Schnauzer, er trägt Anzug und eine Fliege über dem weißen Hemd. Immer wieder sieht man den Schriftsteller am Kaffeehaustisch, vor sich einen Pernod oder ein Glas Wein und stets auch Papier und Stift.
"Roth war einer, der in der Menge arbeiten musste, der keinen Arbeitsraum in einer Wohnung hatte. Die Bar in einem Wirtshaus war völlig ausreichend für ihn. Und die Leute rund um ihn, die geplauscht haben, die getrunken haben, die mit ihm gesprochen haben, das hat ihm nichts gemacht, da hat er weiter geschrieben, Briefe oder seine literarischen Werke. Das war eine besondere Fähigkeit, sich so konzentrieren zu können."
In den letzten beiden Lebensjahren war das Café Tournon sein Stammlokal. Das Café gibt es heute noch. Es liegt nur wenige Schritte vom Jardin des Luxembourg entfernt. Roth hatte seinen Platz ganz links am Fenster. Dort schrieb er auf kleine Zettel oder auf Briefpapier aus dem Hotelzimmer, wie es in der Ausstellung zu sehen ist, mit einer kleinen, gestochenen Schrift, die nicht zu seinem turbulenten Leben passt. Obwohl er zunehmend dem Alkohol verfiel und sich geradezu in den Tod trank, blieb auch sein Verstand bis zum Schluss gestochen scharf.
Im Café Tournon schrieb Roth auch die "Legende vom Heiligen Trinker". Sie endet mit einem letzten, geradezu testamentarischen Wunsch: "Gebe Gott uns allen, uns Trinkern, einen so leichten und so schönen Tod." Das jedoch war Roth nicht vergönnt. Sein "beschädigtes Leben", wie Adorno das Emigrantendasein bezeichnete, ging elendig in einem Pariser Krankenhaus zu Ende. Joseph Roth wurde nur 44 Jahre alt.
Der Ausstellung ist ein Zitat vorangestellt, das Roths Liebe zu Paris ausdrückt. Er hatte die Stadt erstmals 1925 besucht, damals war er schon ein berühmter Journalist und im Auftrag der "Frankfurter Zeitung" unterwegs. Paris erschien ihm freier und geistreicher als Berlin. In einem Brief schwärmte er:
"Ich sehne mich nach Paris, ich habe es nicht aufgegeben, niemals, ich bin ein Franzose aus dem Osten, ein Humanist, ein Rationalist mit Religion, ein Katholik mit jüdischem Gehirn, ein wirklicher Revolutionär."
Ganz anderer Stimmung war er natürlich, als er am 30. Januar 1933, dem Tag der Machtergreifung der Nazis, in Paris ins Exil ging. Roth ahnte, was auf Europa zukam, schließlich hatte er als einer der ersten Intellektuellen bereits Anfang der 20er-Jahre vehement gegen den aufkommenden Nationalsozialismus angeschrieben. "Ich gebe keinen Heller mehr für unser Leben", schrieb er von Paris aus an seinen Freund Stefan Zweig.
Zu dieser Zeit war Roth in Frankreich bereits als Schriftsteller bekannt. Der Roman "Hiob" war auf Französisch erschienen und "Radetzkymarsch" wurde gerade übersetzt.
Die Exiljahre in Paris wurden für Roths literarisches Werk eine besonders wichtige und reiche Phase, erklärt der Wiener Literaturhistoriker Heinz Lunzer, der die Ausstellung zusammengestellt hat.
"Weil einerseits aus Gelderwerbsnöten Roth intensiv arbeiten musste, andererseits die Verkaufschancen schlechter waren im deutschsprachigen Markt. Roth hat das Glück gehabt, dass viel von seinem Werk übersetzt wurde, schon zu Lebzeiten. Wenn man die Zeit vor und nach 1933 vergleicht, so war vor 1933 ein Großteil von Roths Arbeit journalistisch. Er war ein extrem gut bezahlter Journalist in Deutschland und in Österreich, und das ist weggefallen."
Roth stand zeitweilig mit drei Verlagen gleichzeitig unter Vertrag, erzählt Lunzer. Er war großzügig und immer in Geldnot, seine Honorare verbrauchte er, noch bevor die Werke überhaupt geschrieben waren. In den sechs Exiljahren verfasste er zehn Romane und Erzählungen, außerdem politische Aufsätze und Essays. Seine Kampfbotschaften wurden in französischen Zeitungen gedruckt. Kaum ein anderer Intellektueller hatte im Exil noch so viel Resonanz wie er.
Anne Freyer-Mauthner, Herausgeberin für fremdsprachige Literatur beim französischen Verlag "Editions du Seuil", ist eine überzeugte Anhängerin von Roths Werk. Sie hat dafür gesorgt, dass die Übersetzungen modernisiert und vergriffene Titel neu aufgelegt wurden.
"Wir haben jetzt gerade die Essays 'Juden auf Wanderschaft' und 'Der Antichrist' neu herausgebracht. Das sind zwei Texte voller Zärtlichkeit und Mitgefühl für die Juden aus dem Städtl, denen Roth einerseits so nahe stand und zu denen er aber auch nicht gehören wollte, weil er die Assimilation anstrebte, er fühlte da zwiespältig. Ein Teil seiner Meisterwerke wird auch von der jungen Generation entdeckt. Mir scheint jedoch, dass die heutigen Leser vor allem dem journalistischen Werk große Bedeutung beimessen."
2005 hat Freyer-Mauthner daher den Sammelband "La Filiale de l’Enfer" herausgebracht, auf Deutsch: "Niederlassung der Hölle". Darin hat sie Artikel gebündelt, in denen Roth heftig und polemisch gegen den Nazismus, gegen die Barbarei, gegen die Verrottung der deutschen Sprache und gegen den Niedergang jenes alten Europas, das er so liebte, ankämpft.
Heinz Lunzer ist es dank hartnäckiger Recherche gelungen, zahlreiche Dokumente über Joseph Roths Jahre in Paris zusammenzutragen. Die Fotos in der Ausstellung zeigen einen kleinen rundlichen Mann mit schütterem Haar, buschigem Schnauzer, er trägt Anzug und eine Fliege über dem weißen Hemd. Immer wieder sieht man den Schriftsteller am Kaffeehaustisch, vor sich einen Pernod oder ein Glas Wein und stets auch Papier und Stift.
"Roth war einer, der in der Menge arbeiten musste, der keinen Arbeitsraum in einer Wohnung hatte. Die Bar in einem Wirtshaus war völlig ausreichend für ihn. Und die Leute rund um ihn, die geplauscht haben, die getrunken haben, die mit ihm gesprochen haben, das hat ihm nichts gemacht, da hat er weiter geschrieben, Briefe oder seine literarischen Werke. Das war eine besondere Fähigkeit, sich so konzentrieren zu können."
In den letzten beiden Lebensjahren war das Café Tournon sein Stammlokal. Das Café gibt es heute noch. Es liegt nur wenige Schritte vom Jardin des Luxembourg entfernt. Roth hatte seinen Platz ganz links am Fenster. Dort schrieb er auf kleine Zettel oder auf Briefpapier aus dem Hotelzimmer, wie es in der Ausstellung zu sehen ist, mit einer kleinen, gestochenen Schrift, die nicht zu seinem turbulenten Leben passt. Obwohl er zunehmend dem Alkohol verfiel und sich geradezu in den Tod trank, blieb auch sein Verstand bis zum Schluss gestochen scharf.
Im Café Tournon schrieb Roth auch die "Legende vom Heiligen Trinker". Sie endet mit einem letzten, geradezu testamentarischen Wunsch: "Gebe Gott uns allen, uns Trinkern, einen so leichten und so schönen Tod." Das jedoch war Roth nicht vergönnt. Sein "beschädigtes Leben", wie Adorno das Emigrantendasein bezeichnete, ging elendig in einem Pariser Krankenhaus zu Ende. Joseph Roth wurde nur 44 Jahre alt.