Im Einsatz gegen Rechts

Von Burkhard Schäfers |
Regnitzlosau ist seit einiger Zeit eine Hochburg von Rechtsradikalen. Evangelische Christen wehren sich gegen die rechten Umtriebe – nun auch mit Unterstützung aus der Ferne, für bayerische Verhältnisse zumindest: nämlich aus Südbayern, vom idyllischen Starnberger See.
Es ist eigentlich eine beschauliche Ecke im Nordosten Bayerns, wenige Kilometer vor der tschechischen Grenze. Wenn da nicht dieser ehemalige Gasthof wäre im Regnitzlosauer Ortsteil Oberprex. Seit drei Jahren trifft sich hier die rechte Szene aus Franken, Sachsen, Thüringen und sogar aus Tschechien. "Nationales Zentrum Hochfranken" nennen sie ihr Haus, gelegen inmitten von Wiesen, Feldern und Waldstücken. Diese Idylle wird durch die Rechten empfindlich gestört, findet Pfarrer Holger Winkler:

"Es tut mir weh. Es tut mir weh, dass wir hier Menschen haben, die dieses Gedankengut leben, weiterverbreiten. Es tut mir weh, weil wir können im Endeffekt ganz wenig machen. Sie sind hier, sie werden hier bleiben, und wir werden sie nicht wegbekommen. Es ist eine gewisse Ohnmacht da – ja."

Das Haus mit der Adresse Oberprex 47 dient den Rechten als Treffpunkt und Schulungszentrum. Im Internet berichten sie von ihren Aktivitäten, etwa einer sogenannten Geschichtsstunde zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges: Ein Historiker habe mit den "Schuldkult-Lügen" des heutigen Systems aufgeräumt. Das Deutsche Reich sei durch interessierte Kreise im Ausland in den Krieg hineingezwungen worden. Ein anderer Internet-Artikel spricht von den "Stunkfabrikanten der evangelischen Kirche".

"Was uns auch so empört ist: Es ist eine Gruppe von Menschen, die ein unglaublich verachtendes Menschenbild haben. Menschenwürde – diese Vorstellung gibt’s nicht. Derjenige, der anders ist, der anders denkt, der anders fühlt, der anders glaubt als sie ist, Gegner, Feind. Wir gehören zur linken Gutmenschen-Mafia, wie das immer wieder gesagt wird. Solche Parolen darf man sich dann anhören und lesen."

Bei den Treffen in Oberprex seien auch junge Kameraden dabei, heißt es im Internetforum "Freies Netz Süd". Und wörtlich: "Die Jugend ist unsere Zukunft". Das ist es, was die Evangelische Gemeinde besonders bedrückt. Die Gegend ist eher strukturschwach, viele Jüngere ziehen weg, Freizeitangebote sind rar. Schon seit einiger Zeit fehlt ein hauptamtlicher Mitarbeiter für die kirchliche Jugendarbeit. Aber dies soll sich jetzt ändern: In wenigen Wochen fängt eine Jugend-Diakonin in Regnitzlosau an – dank unverhoffter Unterstützung aus dem Süden Bayerns.

Kirchengemeinden vom Starnberger See und aus der Region München finanzieren die Stelle mit. Die Idee dazu hatte Pfarrerin Ulrike Wilhelm aus Tutzing:

"Ich komm aus einer Kirchengemeinde, die finanziell einigermaßen gut situiert ist hier am Starnberger See. Wir haben selber über einen Gemeindeverein eine Jugenddiakonenstelle finanziert. Da habe ich gedacht: Mensch, was auf Gemeindeebene möglich ist, müsste doch auch bayernweit möglich sein, wenn Gemeinden aus dem Süden – die diese Probleme jetzt weniger unmittelbar vor der Haustür haben – solidarisch sind mit denen aus dem Norden und denen etwas unter die Arme greifen."

Es fließt aber nicht nur Geld von Süd nach Nord. Ein ganzer Bus mit evangelischen Christen aus Oberbayern war vor kurzem zu Gast in Regnitzlosau.

"Dann ist man in den Bus eingestiegen mit Leuten aus ganz verschiedenen Gemeinden, aus Penzberg, Tutzing und Bernried, Starnberg – unterschiedliche Personen und Leute dann…"

David, 14 Jahre alt und Schüler, hat mit vielen anderen Jugendlichen und Erwachsenen die Reise angetreten. Fast 350 Kilometer quer durch Bayern. In Regnitzlosau angekommen feierten sie mit der dortigen Gemeinde Gottesdienst, anschließend ging es zum Versammlungsort der rechten Szene.

"Und dann waren da wirklich ganz viele Leute, das war einfach irgendwie bedrängend so, das war ne ganz komische Situation, was ich bisher noch nicht hatte. Da sind ganz viele Nationalsozialisten dann rausgegangen und haben Präsenz gezeigt. Das war ohne Worte, wir haben dann ein Gebet gesprochen und sind wieder eingestiegen. Das waren zwei Fronten, und niemand hat was gesagt, also ein Krieg des Schweigens. Das war eine bedrückende Situation."

So hat es auch Fritz Schulz empfunden. Der Tutzinger Kirchenvorstand ist jetzt noch beeindruckt vom Aufeinandertreffen mit den Rechten: an die 20 Männer, tätowiert, kahlrasiert, Springerstiefel und schwarze T-Shirts.

"Wenn du dann selbst davor stehst, dann musst du schon sagen: Hoppla, hier musst du all deine Kraft zusammen nehmen, um gegen diese schwarze Wand zu schauen. Wir haben ja nichts anderes gemacht als die angeschaut. Und die haben zurückgeschaut. Und dann merkt man erst: Das ist die große Gefahr."

Der wollen sie etwas entgegen setzen. Natürlich haben sie gebetet bei diesem Zusammentreffen. Doch dabei soll es nicht bleiben. Als Christen müssten sie gesellschaftliche Verantwortung übernehmen, sagt Fritz Schulz, der sich im Kirchenvorstand ums Geld kümmert. Die Finanzierung der Jugendreferenten-Stelle in Regnitzlosau sei eine gute Gelegenheit.

"Die Kirche ist nicht nur eine Institution, wo man sonntags in den Gottesdienst geht, und das war’s. Sondern das politische Engagement muss gelebt werden. Und insbesondere denke ich an Bonhoeffer, der mich sehr geprägt hat. Da möchte ich einer sein, der nicht wegschaut."

Einige, die die Reise nach Oberfranken mitgemacht haben, sitzen im Pfarrhaus von Tutzing zusammen und erinnern sich. Unter ihnen auch Kerstin Täubner. Die 46-Jährige engagiert sich ehrenamtlich in der Kirchengemeinde Starnberg.

"Was mich sehr berührt hat: Die Leute, die dort sind. Wir fahren wieder weg und sind dann wieder in unserem sicheren Oberbayern. Und die bleiben dort und müssen mit dieser Verunsicherung, dieser Spaltung und in dieser Atmosphäre weiterleben."

Die Fahrt in den Norden hat die Gemeinden am Starnberger See verändert, denn natürlich gibt es auch hier rechte Umtriebe und Alltagsrassismus – nur nicht so offensichtlich. Sie diskutieren und denken viel nach über dieses Thema. Inzwischen ist durch die Initiative im südlichen Bayern so viel Geld zusammengekommen, dass die Kirche in Regnitzlosau für immerhin fünf Jahre eine Jugendreferentin finanzieren kann – zusammen mit der Evangelischen Landeskirche, der Kommune und dem Landkreis. Aber wird diese Stelle etwas bewirken? Die Tutzinger Pfarrerin Ulrike Wilhelm findet Ja:

"Ich kenne einige junge Leute, die ausgestiegen sind aus der rechten Szene. Und das sind die, die mir zeigen, dass es nicht umsonst ist. Wenn ich so einem Haufen schwarz gekleideter, tätowierter, martialisch aussehender Männer gegenüber stehe, habe ich nicht das Gefühl, dass ich viel bewirke. Aber wenn ich mit einem Einzelnen spreche, der sich mal zu dieser Szene gerechnet hat und sich jetzt abgekehrt hat, dann denke ich: Das ist nie umsonst, wenn man Gesicht zeigt und vielleicht auch das Gespräch sucht."

Die künftige Jugendreferentin allein wird die rechten Umtriebe in Regnitzlosau nicht beenden. Aber sie kann dagegen an-arbeiten, sagt Pfarrer Holger Winkler:

"Wir versuchen, die Gemeinschaft hier im Dorf zu stärken, Kinder, Jugendliche mit einzubinden und ihnen einfach etwas mitzugeben, dass sie gar nicht anfällig werden für diese Parolen. Es ist ein klares Signal."